Читать книгу Winternacht bei Tiffany - Nena Siara - Страница 8

LESTER

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1 Tag zuvor, 21:15 Uhr

„Und wir ziehen das echt durch, Tiff? Is’ klar. Ich mach das nur für dich, aber Tiffany & Co.? Die stehen ganz oben auf der Liste. Die rechnen sicher mit so was.“ Lester war besorgt. Seit einem Jahr hatten sie das Shop-Catching geplant, und morgen sollte es stattfinden. Angst hatte er nicht. Jedenfalls nicht um sich. Aber Tiff sollte nichts passieren! Auch wenn sie äußerlich immer cool wirkte, wusste Lester, dass seine große Schwester ein weiches Herz hatte und sehr zerbrechlich war. Mit einem fragenden Blick sah er sie deshalb noch mal an, als könne er sie per Gedankenkraft zum Umdenken bewegen.

„Das haben wir doch schon besprochen, Lester! Ich schätze dich sehr dafür, dass du das mit mir zusammen durchziehst. Gerade weil sie damit rechnen, wird es ein Kinderspiel. Du wirst sehen.“

Tiff musste immer das letzte Wort haben. Anders kannte Lester sie nicht, und die Tatsache, dass sie nicht Less, sondern Lester zu ihm gesagt hatte, zeigte, dass er keine Wahl hatte.

Sein Gehirn würde hoffentlich auch mitmachen, davor hatte er am meisten Bedenken. Er war noch nie der Hellste gewesen. Nicht so wie Tiff. Aber wenn er eine Sache konnte, dann jemandem so richtig Angst machen. Wahrscheinlich lag das an seiner schiefen Nase und seiner stämmigen Figur.

Sein Vater hatte ihm immer wieder gesagt, er würde dem Schauspieler Danny DeVito ähneln. In jung natürlich. Lester hatte diesen DeVito nicht gekannt und ihn deshalb gegoogelt. Vielleicht bestand eine vage Ähnlichkeit in Größe und Gewicht, aber das Gesicht? Auch heute war er noch entsetzt über die Meinung seines Vaters. Sollte der sich doch selbst einmal im Spiegel ansehen. Dieser Versager! Gerade erst aus dem Knast zurück. So was nannte sich dann Vater. Er hätte einen gebraucht, wenn sie ihn wieder mal von der Schule nach Hause jagten oder sich hinter Büschen und Mauern versteckten, um ihn zu ärgern. „Knastisohn! Dein Vater ist eine Null! Na, hat er schon die Gitterstangen gezählt? Da kommt der nie raus, du kleiner Versager. Doppelnull!“ Kreischend und lachend waren sie auf ihn losgegangen. Immer ohne Zeugen, und Lester hatte sich mehr als einmal in die Hose geschifft.

Aber mit der Zeit hatte er eine gute Portion zugelegt, und nun hatte ihn niemand mehr auf der Abschussliste! Sollen sie nur kommen. Ab übermorgen würde er sich das begehrteste Shop-Catching aller Zeiten auf die Fahnen schreiben können!

Tiff war schon wieder in ihrem Zimmer. Mit der konnte man heute Abend nicht mehr rechnen. Wenn sie wortlos davonging, wusste man, woran man war.

Montag, 11:04 Uhr

Es war schon nach drei Uhr nachts gewesen, als Less endlich zum Schlafen gekommen war. Er hatte sich noch drei Horrorfilme angesehen und damit sein Nervenkostüm trainiert. So richtige Schocker waren wie ein Crashkurs in spontaner Handlungsfähigkeit. Die ganze Zeit hielt er seine Waffe in der Hand und zog sie, wenn er sich bedroht fühlte. Dann zielte er auf unterschiedliche Poster, die in seinem Zimmer hingen.

Umbringen wollte er niemanden. Die Waffe war nicht echt, wirkte aber so. Sie sollte Angst machen, niemanden verletzen.

Sein Vater hatte immer gesagt: „Du kannst alles reparieren, nur einen Toten nicht.“ In dem Punkt hatte er wenigstens nicht versagt. Jedes Mal kam er irgendwann wieder aus dem Knast raus. Er hatte eben niemanden umgenietet.

Tiff war schon auf den Beinen. Sie hatte ordentlich gefrühstückt. Wie konnte sie nur? Less kriegte keinen Bissen runter.

„Du musst was essen, kleiner Bruder“, sagte sie und lächelte dabei.

Wie konnte man nur so guter Laune sein, wenn man vorhatte, einen Shop-Catch durchzuziehen? Und gute Laune war noch untertrieben: Less hatte sie selten so happy gesehen. Ihre Augen funkelten.

„Halts Maul, Tiff! Ich kann das nicht ab!“, knurrte er. Klein hatte ihn auch der dreckige Mob immer genannt, und für seine Größe konnte er schließlich nichts.

„Hast recht. Tschuldigung. Ich meinte nicht deine Größe, sondern … egal. Ich sag’s nicht mehr. Also komm schon. Iss was.“ Sie schob ihm den Teller mit Rührei und Tomaten über den Tisch und nickte ihm zu. Less hatte keinen Bock, was zu essen, nahm aber trotzdem die Gabel. Schließlich tat er ihr jeden Gefallen.

Winternacht bei Tiffany

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