Читать книгу Winternacht bei Tiffany - Nena Siara - Страница 16

TIFFANY

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21:15 Uhr

Noch 8 Stunden und 45 Minuten bis zum Ende der Winternacht bei Tiffany

Tiffany zog den nächsten Kabelbinder zu. „Können wir jetzt vielleicht anfangen, uns gegenseitig zu vertrauen, Josh?“ Sie hatte sich im Schneidersitz vor ihn gesetzt und sah ihn an. „Und verzeih, dass ich dich von jetzt an duze, aber unser Verhältnis ist durch deinen Vertrauensbruch nicht mehr dasselbe.“

„Was würden Sie denn bitte machen, wenn Sie in meiner Situation wären? Den Einbrechern vertrauen? Das ist schon oft genug in die Hose gegangen. Das kennt man schließlich aus Filmen!“ Ein verständlicher Vorwurf lag in seiner Stimme.

„Du hast recht, Josh. Wenn es um Einbrüche geht, oder um kriminelle Delikte. Aber in der Vergangenheit gab es keinen Vorfall bei einem Shop-Catch. Alle sind friedlich abgelaufen. Und selbst die Justiz ist sich nicht einig darüber, ob es sich tatsächlich um eine Straftat handelt“, erläuterte Tiffany.

„Das sagen Sie so einfach. Aber Tatsache ist, Sie halten mich hier fest. Nehmen mir meine Freiheit und fesseln mich. Das ist Freiheitsberaubung!“, schoss Degenhardt zurück.

„Nur für kurze Zeit. Sie werden schon sehen …“ Tiffany hatte nicht vor, Degenhardt lange gefesselt zu lassen. Sie wollte ihn für sich gewinnen, eine Beziehung aufbauen und ihn so schnell wie möglich wieder losschneiden. „Fangen wir an.“ Sie stand auf, ging zur Treppe und holte mehrere Kleidungsstücke aus ihrem Rucksack heraus. „Less. Hol mir bitte mal ein paar Stühle aus der Nische.“

Lester gehorchte. Er brachte vier Stühle und stellte jeweils zwei rechts und links vor die Treppe, sodass man sich setzen konnte, gleichzeitig aber freie Bahn zu den Stufen hatte. Tiffany hängte die Kleidungsstücke, die sie mitgebracht hatte, über zwei Stuhllehnen. Auch Schuhe kamen kurze Zeit später zum Vorschein, die sie auf die erstbeste Glasvitrine stellte. „Wow! Das ist eigentlich das nächste Foto wert, aber es verrät zu viel.“ Sie zog ihr Handy zum Vorschein, nahm ihre Sneaker kurz vom Glas, stellte sie auf den typischen Tiffany-Teppich und fotografierte sie. Dann lud sie das Bild bei Facebook hoch und drückte auf Posten.

„Seht mal, wir haben schon über eintausend Likes und mehrere Hundert Kommentare, wo unser erstes Foto entstanden sein könnte. Und das schon nach der ersten halben Stunde!“ Tiffany konnte es kaum glauben und lachte.

„Sie werden damit nicht durchkommen“, warnte Mr Degenhardt.

„Papperlapapp. Jetzt sind wir hier. Und das Jetzt zählt.“ Die Schuhe zurück auf der Vitrine, wandte sie sich an Josh. „Also, Josh. Bist du bereit für die Show? Ich möchte dich bitten, mir gleich deine erste Empfehlung zu geben. Aber denk dran, es ist auch eine Werbung für deinen Geschmack. Die Bilder kursieren im Internet. Tiffany wird es nicht gutheißen, wenn du mich schlecht berätst.“ Damit drehte sie sich zu den Kleidungsstücken und zog sich vor Degenhardts Augen bis auf die Unterwäsche aus. Natürlich hatte sie auch das vorbereitet, und so zierte nun nur noch ein Hauch von Spitze ihren schlanken, jungen Körper. „Wir fangen mit einem Frühlingsoutfit an. Eine weiße Buntfaltenhose, eine schwarze Seidenbluse und hohe Schuhe. Und jetzt du, Josh.“ Tiffany lachte.

„Ich würde Ihnen die Tiffany City HardWear Kugel-Collection in Gold empfehlen.“

„Okay. Das hört sich spannend an. Wo ist die Kollektion?“ Tiffanys Neugier war entfacht. Degenhardt erklärte den Weg, aber Tiffany verstand nur Bahnhof. Nach einigen Minuten, in denen sich Tiffany dumm und dämlich suchte, hatte sie die Faxen dick. „Nun, Josh. Das wird so nichts. Wollen wir aufs Neue eine Runde Vertrauen aufbauen?“, fragte sie ihn, während sie zum zweiten Mal die Schere in die Hand nahm und die Kabelbinder zerschnitt.

„Ja, auf zum zweiten Fluchtversuch.“ Seine Stimme troff vor Sarkasmus.

Tiffany musste lachen. „Übrigens, Josh. Mein Name ist Tiffany.“ Sie griff nach seiner Hand.

Less hielt den Pistolenlauf auf ihn gerichtet.

Josh griff nach ihrer Hand und stützte sich von der Treppe ab. „Ich würde jetzt lügen, wenn ich sagen würde: Angenehm! Aber der Name ist doch nicht echt.“

Josh konnte charmant lächeln. Seine Augen formten sich dabei zu kleinen Schlitzen und seine Mundwinkel verzogen sich gleichmäßig nach rechts und links. Nicht so wie bei ihrem Vater, bei dem sich nur der eine Mundwinkel nach oben zog, wenn er sich bemühte, freundlich zu sein, was ihm selten genug gelang.

„Ich muss dich enttäuschen. Er ist echt. Ich bin froh, dass ich nicht Ikea heiße und dort einen Shop-Catch lande.“ Beide lachten, und ihre Blicke trafen sich kurz, wenngleich durch die Maske.

„Gut, Tiffany. Hier entlang.“ Josh machte eine Handbewegung, die andeutete, dass sie vorangehen sollte, und hielt an einer Vitrine im Mittelbereich an.

„Du musst jetzt überlegen, ob du einen neuen Fluchtversuch startest. Sicher befindet sich hinter jeder Vitrine ein Alarmknopf.“ Tiffany blieb freundlich und versuchte, ihn mit Ehrlichkeit und Transparenz zu überzeugen, die Nacht durchzuhalten. Oder wenigstens die nächste Stunde.

„Erst mal möchte ich sehen, wie Ihnen die Kollektion gefällt. Danach entscheide ich, ob ich den Knopf drücke, abgemacht?“

Ein Spiel! Tiffany gefiel die Art, wie Josh mit ihr und der Situation umging. „Abgemacht!“

Josh nickte. Less hielt weiterhin die Pistole auf ihn gerichtet. Er fungierte als bedrohlicher Schatten und spielte seine Rolle ganz hervorragend.

„Die City HardWear Collection ist, um den Katalog zu zitieren‚ auf elegante Art rebellisch und spiegelt dabei die Persönlichkeit der Frauen von New York City wider.“ Josh hatte ein schwarzes Tuch auf die Vitrine gelegt und hielt Tiffany nun auffordernd seine linke Hand entgegen. „Darf ich bitte Ihre rechte Hand haben?“ Seine Stimme klang verführerisch. Wie der Ring, den er in der Rechten hielt. Tiffany streckte ihm die Hand entgegen. Leicht kühl fühlte sich das glatte, massive Gold an, als Josh es sanft über ihren Mittelfinger streifte. Die Kugel, die auf einer mit Nieten verzierten Platte auf dem Ring befestigt war, lag fest und angenehm auf.

„Er ist wunderschön“, sagte Tiffany bewundernd.

„Rebellisch elegant. Genau wie Sie. Er ist wie für Sie geschaffen“, korrigierte Josh sie. „Passt er?“

„Ja. Wie angegossen. Woher wusstest du, welche Größe ich habe?“, wollte sie wissen.

„Fünfundfünfzig. Ich bin nicht grundlos der Boss hier.“ Er lachte. „So und nun kommen wir zu der Gliederhalskette, der Wickelhalskette und dem Wickelarmband.“ Einfühlsam legte er Tiffany die kostbaren Stücke um ihren Hals und ihr Handgelenk.

„Das fühlt sich unglaublich an!“

„Das ist Tiffany!“, korrigierte er sie erneut. „Und nun noch das i-Tüpfelchen. Die Ohrringe.“ Er legte sie auf das schwarze Tuch und Tiffany steckte sie einzeln an. Die zarten Kugeln streiften sanft ihren Hals.

„Was ist der Schmuck wert?“

„Fünfzigtausendundzehn Dollar. Aber Sie bekommen das Set für fünfzigtausend, vorausgesetzt, ich darf nun meinen zweiten Fluchtversuch starten.“ Er lachte, und Tiffany ebenso.

„Dann zahle ich lieber die zehn Dollar Vertrauensbonus!“ Das Geplänkel hätte von ihr aus die ganze Nacht so weitergehen können.

Winternacht bei Tiffany

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