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Her mit dem Ballast! Welche Erleichterung!

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Ballaststoffe dürften die meistunterschätzten Nahrungsbestandteile sein. Klar, Ballast braucht man nicht, muss man abwerfen. Und dazu hat man noch gehört, dass Ballaststoffe in der Nahrung unverdaut wieder ausgeschieden werden … also was soll das?

Das soll eine ganze Menge – nämlich unser Leben verlängern. Und so sind Ballaststoffe beispielsweise ein sehr überzeugendes Argument für eine vegetarische oder vegane Ernährung! Denn Ballaststoffe sind fast ausschließlich in pflanzlicher Kost enthalten. In tierischen Produkten finden wir so gut wie nichts davon. Das liegt unter anderem daran, dass Pflanzenzellen Stabilität brauchen, ein Grashalm oder Apfelbaum muss aufrecht in der Gegend herumstehen können. Deshalb entwickeln Pflanzen und Pilze Fasergerüste aus Cellulose, Lignin oder Chitin. Wir haben aber keine Enzyme, um diese Fasern aufzuspalten. Also werden sie wieder ausgeschieden. Gut so! Solche Fasern (im Englischen spricht man eleganter von »dietary fibre«) sind allerdings nur ein wichtiger Teil der Ballaststoffe, nämlich unlösliche Ballaststoffe. Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte haben etwa einen hohen Anteil unlöslicher Ballaststoffe. Sie beugen als Füllstoffe im Darm der verbreiteten Darmträgheit vor. Ballaststoffreiche Lebensmittel müssen stärker gekaut werden, sodass ein Sättigungseffekt entsteht und länger vorhält.

Lösliche Ballaststoffe sind Quellstoffe im Fruchtfleisch, in Gemüsen, Hülsenfrüchten, Hafer. Sie binden große Mengen Wasser und sind ebenfalls großartige Helfer beim Stuhlgang, dienen aber auch als Nahrung für das Heer unserer Darmbakterien, die wertvolle kurzkettige Fettsäuren produzieren. Und was hat ein funktionierender Stuhlgang nun mit der Langlebigkeit zu tun? Ganz einfach: Ballaststoffe haben eine Fülle schützender Eigenschaften, die die Zellfunktionen stärken. In den meisten pflanzlichen Lebensmitteln sind übrigens beide Typen enthalten – lösliche und unlösliche Ballaststoffe –, nur das Verhältnis variiert.


Enorm unterschätzt für eine gesunde Langlebigkeit: die Ballaststoffe.

Welche protektiven Wirkungen haben sie? Wer hätte das gedacht: Sie reduzieren das Risiko etlicher Alterskrankheiten. Sie liefern:

 Darmkrebsprävention

 Typ-2-Diabetes-Vorbeugung

 Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen

 Und: Wissenschaftler des Nuffield Department of Population Health an der University of Oxford werteten die Daten einer gigantischen Studie aus, die EPIC-Studie mit 520.000 Probanden aus neun Ländern. Geklärt werden sollten die Einflüsse der Ernährung auf das Schlaganfallrisiko über einen Zeitraum von knapp 13 Jahren. Der stärkste Schutzfaktor aus der Ernährung waren Ballaststoffe! So bringt ein tägliches Plus von zehn Gramm Ballaststoffen eine Risikoreduktion von sagenhaften 23 Prozent.

Wie viel Gramm Ballaststoffe brauchen wir denn nun am Tag, um den optimalen Langlebigkeitseffekt zu bewirken? Verschiedene medizinische Fachgesellschaften empfehlen wohlgemerkt ein Minimum von 30 Gramm Ballaststoffen täglich. Die deutsche Bevölkerung nimmt aber leider im Durchschnitt ein Drittel weniger als das Minimum auf, nämlich 20 Gramm.

Dazu Prof. HANS HAUNER, Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin an der TU München: »Ich glaube, dass Ballaststoffe das Wichtigste sind, was uns heute fehlt. Vor hundert Jahren haben wir uns ganz anders ernährt, damals lag die Ballaststoffzufuhr geschätzt bei bis zu 70 bis 100 Gramm pro Tag. Wenn ich Ihnen das heute geben würde, hätten Sie erst mal zwei Tage Blähungen, um das noch vorsichtig zu formulieren. Wir sind das nicht mehr gewohnt. Unser Darm, unser Mikrobiom hat sich natürlich der modernen Ernährung angepasst. Wir haben relativ gute Daten, dass eine ballaststoffarme Kost tatsächlich Diabetes fördert, den Fettstoffwechsel verschlechtert und Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt. Auch bei Krebs spielen Ballaststoffe eine große Rolle – vor allem bei Dickdarmkrebs und auch bei Brustkrebs.«

Um die Bedeutung dieses Themas noch stärker zu unterstreichen, lasse ich MARTIN SMOLLICH zu Wort kommen, Leiter der Arbeitsgruppe Pharmakonutrition am Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck: »Ballaststoffe sind ja die Lieblingsnahrung für die physiologischen Bakterien, die unseren Darm – und damit unsere gesamte Gesundheit – in vielfältiger Weise schützen. Deshalb werden Ballaststoffe heute auch als ›Präbiotika‹ bezeichnet, eben als unverzichtbares Substrat für probiotische Bakterien. Wenn Sie nicht ausreichend Ballaststoffe aufnehmen, fangen diese Bakterien notgedrungen an, die Schutzschicht der Darmschleimhaut als Ersatznahrung zu nutzen. Dadurch sinkt die Fähigkeit der Darmschleimhaut, den Körper vor Krankheitserregern und Schadstoffen aus der Nahrung zu schützen. Als Folge können Krankheitserreger leichter in den Körper eindringen, wodurch es zu Unverträglichkeiten und chronischer Entzündung kommen kann. Und diese chronische Entzündung spielt eine maßgebliche Rolle sowohl bei der Entstehung von Darmkrebs als auch bei Alterungsprozessen (›Inflammaging‹). Füttern Sie Ihre schützenden Darmbakterien also mit reichlich Ballaststoffen, und zwar sowohl mit löslichen Ballaststoffen aus Gemüse als auch mit unlöslichen Ballaststoffen aus Vollkornprodukten.«

Nehmen Sie sich diese fünf Regeln zu Herzen – und beugen Sie so etlichen Alterserkrankungen vor:

1 Essen Sie pflanzenbasiert.

2 Wählen Sie immer die Vollkornvariante – egal, ob Brot, Nudeln oder Reis. Wenn Getreide, dann Vollkorn. Klar orientieren können Sie sich dabei an der brandaktuellen PURE-Studie vom Februar 2021 – so MARTIN SMOLLICH. Über rund zehn Jahre gaben knapp 150.000 Menschen in 21 Ländern detailliert Auskunft darüber, in welchen Mengen sie Weißmehl, Reis oder Vollkornprodukte aßen. Das Ergebnis: »Eine hohe Aufnahme von raffiniertem Getreide war mit einem höheren Mortalitätsrisiko und schwerwiegenden kardiovaskulären Erkrankungen verbunden. Weltweit sollte ein geringerer Verbrauch von raffiniertem Getreide in Betracht gezogen werden.«

3 Essen Sie mindestens dreimal pro Woche Hülsenfrüchte, also Bohnen, Erbsen, Soja in Form von beispielsweise Sojaschnetzeln (Tofu enthält keine Ballaststoffe), Linsen, Erbsen sowie Kichererbsen.

4 Essen Sie täglich eine Handvoll Nüsse statt Süßigkeiten, am besten ungesalzen. Den höchsten Ballaststoffgehalt haben Mandeln und Macadamia, Cashewkerne den niedrigsten.

5 Ergänzen Sie Ihre Ernährung durch weitere Ballaststofflieferanten wie Leinsamen, Flohsamenschalen, Weizenkleie und Kohlgemüse.

LebensmittelPortionBallaststoffgehalt
Schwarzwurzeln (frisch)200 g36 g
Kichererbsen (Konserve, abgetropft)200 g19 g
Kidneybohnen (Konserve, abgetropft)200 g15 g
Weiße Bohnen (Konserve, abgetropft)200 g15 g
Artischoke (frisch)125 g14 g
Flohsamenschalen2 Esslöffel10 g
Erbsen (TK)200 g9 g
Linsen (Konserve, abgetropft)200 g8 g
Leinsamen2 Esslöffel7 g
Rosenkohl (gekocht)150 g6 g
Paprika (frisch)150 g5 g
Gemüsemais (Konserve, abgetropft)125 g5 g
Roggenvollkornbrot1 Scheibe5 g
Weizenkleie2 Esslöffel5 g
Dinkelvollkornbrot1 Scheibe4 g
Haferkleie4 Esslöffel4 g

Beispiele für ballaststoffreiche Lebensmittel, angegeben als Gehalt pro üblicher Portionsgröße.

Klar, dass in Gemüse und Obst wegen ihres hohen Wassergehalts pro Gewichtseinheit eher wenige Ballaststoffe enthalten sind. Ballaststoffbooster dagegen ist Brot aus Roggenschrot, Dinkel- und Grünkern. Deshalb: Die Mischung macht’s. Sie zweifeln? Bohnen, Kichererbsen, Flohsamenschalen … auf einem Bett aus weiteren wunderbaren Gemüsen, garniert mit Roggenschrot? Sie schaffen das! Im Ernst: Ballaststoffe lassen sich wunderbar in die tägliche Küche integrieren. Wichtig ist halt, dass Sie beim Einkauf immer einen kleinen Ballaststoffzähler im Hinterkopf haben, der Ihnen sagt: »Das hier eher nicht! – Das hier sehr gerne!«

Wenn ich vom »Eher nicht!« spreche, dann lassen Sie uns doch kurz die Lebensmittel betrachten, die gar nicht gehen: hochverarbeitete Nahrungsmittel, sogenannte »ultra-processed foods«. Die verkürzen das Leben. Das darf ich ungeschützt so sagen …


Hochverarbeitete Lebensmittel wie Burger, Würste und Mayonnaisen haben verheerende Auswirkungen auf Verdauungssystem und Stoffwechsel.

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