Читать книгу Erwärmung und Wohlstand oder Abkühlung und Verfall - Norbert Buchner - Страница 63
Das frühe Uruk in Mesopotamien trotzt der Trockenheit
ОглавлениеIm Süden Mesopotamiens hatte sich in einem langen Zeitraum nach 8000 v.h. die bäuerliche Obed (Ubaid)-Kultur entwickelt und allmählich eine städtische Reife erlangt. Dank der Beherrschung des Bewässerungs-Landbaus konnte sie auch mehrere Phasen von Abkühlung und Austrocknung überdauern. Im 4.Jahrtausend v.Chr. blühte dann mit Veränderungen des Klimas mehrfach eine neue Kulturperiode auf, welche man mit dem Namen der Stadt Uruk im südlichen Mesopotamien belegt hat, denn Uruk, an einem Seitenarm des Euphrat inmitten des fruchtbaren Schwemmlandes gelegen, ist die bedeutendste Stadt dieser Periode und eine Führungsrolle fiel ihr auch als Stadt des Hauptgottes An zu.
Der Aufschwung von Uruk I (4100 – 3800 v.Chr.) begann in einer Phase, in der sich die Eisberge im Nordatlantik für kurze Zeit etwas zurückgezogen hatten (Abb. 10). Dieser Rückzug wurde aber schnell von einem neuen tiefen Eisvorstoß mit einem großen Maximum um 3800 v.Chr. abgelöst. Die Folge war ein anhaltender und tiefer klimatischer Abschwung, welcher das Ende der Periode Uruk I markiert.
Uruk II (3800 – 3300 v.Chr.). Die anfängliche Verbesserung des Klimas in der Periode Uruk I hatte zu einem Anwachsen der Städte geführt. Am Ende von Uruk I und Beginn von Uruk II hingegen stand ein ausgeprägtes Klimatief. Zwar stellte sich von 3700 -3600 v.Chr. eine leichte Erholung des Klimas und auch ein leichter Rückzug der Eisberge im Atlantik ein; diese rückten aber dann um 3300/3200 v.Chr. auf ihre absolut südlichste Position der letzten 10 000 Jahre vor (Abb. 10)! Das musste zu einem kühlen und sehr trockenen Klima führen!
Unter derart widrigen klimatischen Voraussetzungen sind an anderen Stellen Kulturen zusammengebrochen, wie die Kultur der Kupfer-Steinzeit in der Levante oder die bäuerliche Kultur auf dem benachbarten persischen Hochplateau. Im Zweistromland und im benachbarten wasserreichen Susa jedoch wurden die widrigen klimatischen Bedingungen sogar zum Anlass für die Vorbereitung einer kulturellen Hochphase! Kühlere Temperaturen sind in diesem heißen Tiefland zwar eher ein Vorteil; die große Herausforderung für die Menschen hingegen war die Trockenheit. Zwar war eine Bewässerung von Feldern schon aus der Frühzeit der Obed-Kultur bekannt. Nun aber galt es, sie unter den verschärften klimatischen Bedingungen und angesichts der allmählich anwachsenden Bevölkerungszahl wirkungsvoll weiter zu entwickeln. Die großen Ströme, Euphrat und Tigris, brachten ja verlässlich das Frühjahrshochwasser der Schneeschmelze im Taurus- und im Zagros-Gebirge. Dieses war nun zu bändigen, zu speichern und nutzbar zu machen. Die bisherigen Systeme mussten zu großen gemeinschaftlichen Bewässerungsanlagen erweitert werden. Das erforderte riesige organisatorische Leistungen für Bau, Betrieb und Unterhalt wie auch für die Bestellung der Felder, für Ernte und für Lagerung und Verteilung der Vorräte. Solche Aufgaben sind nicht ohne zentrale Leitung durchführbar. Eine gemeinschaftliche Leitung, eine Hierarchisiserung, nahm daher in der Uruk-Zeit ein Ausmaß an, welches den großen Ansiedlungen im Süden Mesopotamiens den Charakter wahrer Städte verlieh. Die Organisation übernahmen priesterliche Anführer, getragen von einer überzeugenden religiösen Ideologie. Der aus dem Süden von Mesopotamien stammende Flutmythos des Atrahasis wie auch der jüngere Flutbericht aus dem Gilgamesch-Epos geben eine glaubhafte Erklärung: sie stützen sich auf die Schreckenserinnerung an verheerende Fluten, welche über die Menschen herein gebrochen waren, weil diese nach eigener Meinung ihre Pflicht zur täglichen Ernährung der Götter vernachlässigt hatten, wenn auch aus Schwäche wegen großer wirtschaftlicher Nöte. Nach dem Mythos des Athrahasis war diese Pflicht ja der einzige Grund, warum die Menschen geschaffen worden waren. Die Vermeidung einer Wiederholung – Unterlassung der täglichen Speisung der Götter aus wirtschaftlicher Not – galt daher als oberste Pflicht und die priesterlichen Anführer wachten darüber, dass alle Voraussetzungen geschaffen und eingehalten wurden, um den Göttern in den Tempeln auch in schlechten Zeiten tagtäglich vier Mahlzeiten reichen zu können (welche stellvertretend von den Priestern verzehrt wurden). Diese auf uralten Schreckensberichten aufbauende religiöse Ideologie verschaffte den Priestern einen absoluten Führungsanspruch.
Viele Zivilisationen sind unter ähnlich wechselnden und widrigen Voraussetzungen des Klimas, wie sie in der Periode Uruk II geherrscht haben, im Laufe der Geschichte zerbrochen. Im südlichen Mesopotamien hingegen lässt sich auch in dieser schwierigen Phase eine langsame Weiterentwicklung der Kultur feststellen. Nach der Mitte des Jahrtausends könnte dann auch der kulturelle Impuls von Zuwanderern aus dem persischen Hochland hinzugekommen sein, die durch die Austrocknung ihrer Heimat vertrieben worden und mit einem reichen kulturellen Gepäck ins Tiefland gezogen sind, um sich östlich von Uruk anzusiedeln. Die Vereinigung der kulturellen Erfahrungen von Bewohnern des Tieflands und von Zugezogenen aus dem Hochland – beides Abkömmlinge von Menschen, welche aus dem Kulturland des Persischen Golfs durch Fluten vertrieben worden waren – bereitete nun eine kulturelle Blüte vor, welche sich im folgenden Klimaoptimum fast explosionsartig entwickeln sollte.