Читать книгу Erwärmung und Wohlstand oder Abkühlung und Verfall - Norbert Buchner - Страница 65
Hochphase der sumerischen Kultur: Uruk III
ОглавлениеIm Süden Mesopotamiens blühte eine große Kultur auf, welche man bis vor kurzem als die erste Hochkultur der Welt betrachtete und die man nach ihrem Hauptort mit der Bezeichnung „Uruk III“ belegt. Als Beginn der Hochphase von Uruk III (3300 – 2900 v.Chr.) setzt man den Tiefpunkt der Temperatur (s.Abb. 17) gegen Ende eines weiten Eisvorstoßes im Atlantik (Abb. 10). Mit dem dann folgenden ungewöhnlich schnellen Rückzug des Eises verbesserten sich die klimatischen Verhältnisse außerordentlich rasch und die Temperatur erreichte schon um 3100 v.Chr. einen hohen Gunstwert. Auch die Feuchtigkeit stieg bis zum Jahre 3000 v.Chr. bis auf einen Maximalwert an! Das löste nun eine explosionsartige Entwicklung der städtischen Kultur im Süden Mesopotamiens aus! Die Zahl der Menschen wuchs im Klimaoptimum stark an und die Städte vergrößerten sich schnell. Unter den sumerischen Städten blieb Uruk (heute: Warka) weiterhin die bedeutendste. Um 3000 v.Chr. war sie bis auf eine Größe von 250 Hektar angewachsen mit einer geschätzten Bevölkerungszahl von 30 000 bis 50 000 Menschen und sie dehnte sich später sogar auf eine Fläche von 550 Hektar aus. Dies alles vollzog sich in recht kurzer Zeit, wohl als Folge der günstigen klimatischen Bedingungen. Das Bevölkerungswachstum im Klimaoptimum einer viel späteren Zeit hat der englische Sozialwissenschaftler Thomas Robert Malthus analysiert: im Jahre 1798, in der Phase der Beendigung einer warmen Gunstzeit, der Zeit der Aufklärung, welche durch mehrere große Sonnenflecken-Perioden gekennzeichnet war, stellte er fest, dass sich die Bevölkerung geometrisch vermehre und sich in einem Zeitraum von 25 Jahren verdoppele. Wir haben in der Gunstphase des 20. Jahrhunderts – ebenfalls mit mehreren Perioden einer hohen Sonnenaktivität – ähnliches erlebt: die Menschheit hat sich von 2 Milliarden im Jahre 1927 bis zum Jahre 2011 auf 7 Milliarden mehr als verdreifacht! Eine solche Vermehrung geht nicht ohne die Verfügbarkeit von ausreichender Nahrung für die größere Anzahl von Menschen: die höhere Temperatur und Feuchtigkeit heben die Fruchtbarkeit in zahlreichen Regionen an. Dies zeigt unsere jüngste Vergangenheit: noch in den kühleren 60er und den beginnenden 70er Jahren des 20. Jahrhunderts waren weltweit die Lebensmittel knapp und teuer. Mit der Erwärmung in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts stiegen aber die Ernten an und die Preise fielen. Die Stagnation der Temperatur zu Beginn des 21.Jahrhunderts führte dann wieder zu höheren Lebensmittelpreisen und fallenden Vorräten der Welt.
In Mesopotamien bekam nun die Organisation des Zusammenlebens mit den notwendigen Gemeinschaftsleistungen eine überragende Bedeutung und große Repräsentationsbauten deuten auch auf eine zunehmende Hierarchisierung hin. Uruk konnte am Ende der Gunstphase mit zwei ausgedehnten Tempelbezirken, Palästen und anderen Monumentalbauten aufwarten und es war von einem Netz von Kanälen durchzogen. Einzelne Gebäude wiesen fast 300 Quadratmeter Fläche auf, dicke Mauern, mehrere Eingänge und eine vielfältige Dekoration. Der Tempelbezirk Eanna der Göttin Ischtar maß 300 mal 300 Meter!
In Uruk wurden in der relativ kurzen klimatischen Gunstzeit von wenigen Jahrhunderten auch die Grundlagen der bis heute gültigen abendländischen Zivilisation vollendet. Die Schrift reifte zu einem vollständig brauchbaren Mittel der Dokumentation und Information heran. Seit langer Zeit gab es im Orient schon Hilfsmittel für Handel und Registratur, Siegel und Zählzeichen aus hart gebranntem Ton, die in Tonhüllen eingeschlossen wurden. Stempelsiegel, deren Stirnseite in Ton eingedrückt wurde, hatten als Ursprungs-, Qualitäts- und Eigentumskennzeichnung und aus Ton hart gebrannte Zählzeichen als Merkhilfe und für die Dokumentation von Art und Menge gedient. Das Stempelsiegel, bei dem die Stirnseite graviert ist, war schon über Jahrtausende hinweg in einem großen Raum des Orients in Verwendung. Schon in Catal Hüyök hatte man es angetroffen. Da es in Ton eingedrückt wurde, war auch das spätere „Schreibmaterial“ Ton bekannt. Bei der nun auftretenden Weiterentwicklung, dem Rollsiegel, wurde der gesamte zylindrische Umfang graviert, sodass beim Abrollen in Ton viel umfangreichere Informationen wiedergegeben werden konnten. Sie geben uns ein reiches Bild des damaligen Lebens. Auch das Rollsiegel war keine wirkliche Weltneuheit: es tauchte auch in Susa am Ostrand der mesopotamischen Ebene eigenständig auf und es war auch schon bei der Alteuropäischen Donauzivilisatin bekannt – wenn auch in einfacherer Form.
Auf dieser schon über lange Zeit sich entwickelnden Basis entstand nun eine ausgereifte Schrift, die Keilschrift auf Tontafeln, welche eine bleibende Schriftlichkeit auf der Erde eingeleitet hat. Die Schrift der Alteuropäischen Donauzivilisation war ja leider wieder in Vergessenheit geraten! Einige Zählzeichen wurden unmittelbar als Schriftzeichen verwendet, die man mittels eines schräg angeschnittenen Binsenrohrs in Tontäfelchen drückte. Die berühmte mesopotamische Keilschrift war nun erfunden! Mit der Schreibkunst entsprach man also den wachsenden Erfordernissen der mit der Vergrößerung der Städte und ihrer Bevölkerung zunehmenden Lagerhaltung und Registratur und dem florierenden Handel. Später wurde die Schrift dann auch für andere Zwecke wie Urkunden, Geschichtsschreibung, Literatur und Lyrik eingesetzt. Auf dieser Basis bildete sich dann eine differenzierte Gesellschaft heraus mit den unterschiedlichsten Berufen, wie Hirten, Bauern, Deichwärtern, Handwerkern, Schreibern, Lehrern, Ärzten, Beamten, Priestern, Künstlern und Wissenschaftlern.
Aus der Zeit mit sehr hoher Feuchtigkeit, wie sie Indikatoren vom Van-See und aus der Soreq-Höhle in Palästina zeigen, ist auch eine große Überflutung am Euphrat dokumentiert. Wenn man sich die großen Spitzen der Feuchtigkeit aus Abb. 15 anschaut überrascht eine solche Flut nicht! Der berühmte Ausgräber Sir Leonard Wooley fand in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts unter Schichten des königlichen Friedhofs in Ur eine 3 bis 4 Meter mächtige Schwemmschicht ohne Kulturspuren, welche Relikte der älteren Obed-Kultur überdeckte. Der Fund ging wie ein Lauffeuer um die Welt, denn man glaubte, nun den Beweis für die biblische Sintflut gefunden zu haben. Andere Forscher wiesen aber bald auf die räumliche Begrenztheit der Schicht hin und ordneten sie einer lokalen Überflutung zu. Später fand man ähnliche Schichten aus etwas späteren Zeiten – 2700 bis 2400 v.Chr. – und auch in anderen Städten. Solche lokalen Überschwemmungen, die bis zum Bau von Stauseen an den Flüssen in der Neuzeit anhielten, dürften wohl kaum zu Sintflutberichten geführt haben. Zum Vergleich sei angeführt, dass im Jahre 1342 n.Chr., nach Beendigung der mittelalterlichen Warmzeit, in einer Riesenflut – der sog. Magdalenenflut – sogar 8 Meter mächtige Schichten in Main und Rhein eingeschwemmt wurden und dabei die wirtschaftliche Infrastruktur der Gegend für Generationen zerstört wurde, ohne dass von diesem Ereignis eine Art Sintflutmythos ausgegangen wäre.
Die Hochkultur der Sumerer ist sehr plötzlich aufgeblüht. Ehe man Kenntnis von den damaligen großen klimatischen Veränderungen hatte hat dies zu der Vermutung geführt, neue Kulturbringer (Sumerer) seien damals zugezogen und zu ihrer Herkunft und ihrer Sprache wurden im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Überlegungen angestellt, ohne eine schlüssige Erklärung zu finden. Das außerordentlich große Klimaoptimum dieser Zeit gibt wohl eine glaubhafte Antwort: die Ursache war ein schnelles inneres Wachstum in einer klimatisch ungemein günstigen Zeit einer Bevölkerung aus zwei Zweigen, deren Ahnen vor Jahrtausenden durch Fluten aus dem Persischen Golf vertrieben worden waren. Ein Zweig (Ubaid bzw. Obed) war in der Tiefebene verblieben, der andere hatte einen langen Umweg über die persische Hochebene gemacht, ehe ihn eine lange Austrocknung zum Zug in die feuchtere Tiefebene gezwungen hat. Lit. 15.1