Читать книгу Stojan räumt auf - Norbert Möllers - Страница 12
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„Stellt es schon mal bereit. Wenn wir mit den Ausländern fertig sind, kommen wir zu euch!“ Der Bogen im DIN-A4-Format mit dem Text in großen Computerlettern lag oben auf. Darunter Schaufel und Besen aus grauem Plastik, eingeschlagen in Zeitungspapier. Bei schneller Durchsicht offenbar alles rechte Blätter: Nationalzeitung, Junge Freiheit, Plakate von Freiwahl-Konzerten. Die Rockgruppe kannte Stojan dem Namen nach und wusste, dass sie aus Südtirol stammte und dem deutschnationalen Spektrum zugerechnet wurde. Und überraschenderweise viele Fans im Sauerland hatte.
Er hatte keine Lust, irgendetwas anzufassen, nicht ermittlungstechnisch begründet, sondern schlicht, weil er Ekel empfand. Kurz taxierte er den Wert des Pakets. Kaum fünf Euro, wobei das Porto den größten Batzen ausgemacht haben dürfte. Stojan setzte sich auf die Holzbank neben seinem Garagentor und seufzte. War das ein Dummejungenstreich? War er ins Visier der Neonazis geraten? Ein Grund, Helen im Büro anzurufen. Ihr Handy war ausgeschaltet. Dann eben später. Das Diensttelefon war für ihn tabu; die Sozialarbeiterin mochte da keine Störungen und grundsätzlich nicht den Eindruck erwecken, private Gespräche mit ihrer Arbeit zu mischen. Wenn sie mit Menschen am Rande der Gesellschaft zu tun hatte und neben sämtlichen legalen Möglichkeiten auch Auslegungen, Tricks und Schliche prüfte, war sie hoch konzentriert und duldete keine Ablenkung. Nur so schaffte sie es, Verhältnisse erträglicher zu gestalten. Entsprechend genoss die ehemalige Pfarrerin großes Ansehen bei den Schwachen und Unterprivilegierten.
Ihr Vorgesetzter im Amt war nicht immer begeistert, wenn Helen ihre Arbeit mit Engagement und wenig Rücksicht auf Budgets und Paragrafen betrieb. Deshalb war er angetan von ihrer Entscheidung, ihre Arbeitszeit auf 30 Stunden in der Woche zu reduzieren. Die Kollegin und alleinerziehende Mutter Judith Gerold, die keine Flausen im Kopf hatte, konnte aufstocken, Helen Bell ihre sozialromantische Ader privat und zu Hause bedienen. Regelmäßig machte sie Propaganda für Aktionen im Rahmen der Flüchtlingshilfe. Inzwischen war auch Peter Stojan eingestiegen und beteiligte sich nicht mehr nur als Sympathisant und Spender kleiner und mittlerer Geldbeträge, sondern investierte Zeit und Fantasie. Einerseits für die gute Sache, andererseits im Gespür, dass es der frischen Partnerschaft nicht abträglich war, wenn man ein gemeinsames Ziel verfolgte.
„Hey, was gibt´s? Ich habe gesehen, dass du mich angerufen hast.“ Helen war im Auto, Stojan hörte es an den Nebengeräuschen.
„Wo bist du? Hast du Lust, vorbeizukommen? Mit Fido eine Runde drehen, bei Tasso ein Bier trinken, was hältst du davon?“
„Klingt verlockend. Ich bin in Meschede, lass mir eine Stunde, okay? Ich muss erst zur Nachbarin, die hat ein Paket für mich angenommen.“
„Ein Paket habe ich auch bekommen, ein ekliges. Ich erzähle es dir gleich. Bis dann.“
Sollte Helen ebenfalls in den Besitz einer neuen Kehrgarnitur gelangt sein? Er war schon auf die Idee gekommen, dass eine Liste in falsche Hände geraten oder ausgespäht worden war. Im Dezember war er zusammen mit Helen auf einem kleinen Weihnachtsmarkt der Nationen in Brilon gewesen. Zwischen orientalischen Eintöpfen und afrikanischem Kunstgewerbe hatten Pro Asyl und andere Organisationen ihre Stände aufgebaut. Irgendwo hatte sich Stojan in eine Liste eingeschrieben und seine Unterstützung für die Politik der Willkommenskultur bekundet. Sicher gab es Verantwortliche für solche Märkte und sicher auch für solche Listen. Stojan hatte da nicht genau hingesehen, sich mit Beruf und Namen eingetragen, nicht aber mit kompletter Adresse. Das handhabte er öfter so, um sich einen lästigen Wust an Anschreiben und Spendenaufrufen zu ersparen. So gerne ließ er sich nicht vereinnahmen. Er spendete oft, gab die Entscheidung, wem, wann oder was, aber nicht in fremde Hände.
Hatte er Grund, sich Sorgen zu machen? Aktiv zu werden? Erst mal abwarten, was Helen so meint. Im Dienst war er nicht mehr. Außerdem fehlte ihm ein Plan. Und er sah weder einen Anlass zur Panik noch zur Panikmache. Und auch keinen, sich lächerlich machen.
Die Wildkamera fiel ihm ein.
Ob er doch langsam mal einen Plan fassen sollte?
Er könnte auch eine Kamera installieren. Und beobachten, wer ihn beobachtete. Ja, warum nicht?