Читать книгу Stojan räumt auf - Norbert Möllers - Страница 9
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„So geht der Deal, junge Frau. Die Anzeige muss raus. Sie haben das doch verstanden? Der alte Herr und seine Sünden interessieren mich nicht, ich bin nicht sein Beichtvater. Mir hat der nichts getan. Der nicht. Mir nicht. Aber ewig kann ich nicht warten. Ich will nicht, dass die Bombe in meiner Hand hochgeht, dann ist die auch im Arsch, junge Frau. Die hier. Sie verstehen das?“ Er hob seine rechte Hand in die Höhe und drehte sie im Gelenk und winkte langsam hin und her.
Das sieht unbeholfen aus, dachte die junge Frau, die wenig älter war als der Mann. Unbeholfen, obwohl es doch seine bessere Hand war. Überhaupt war er ihr unheimlich, sie leugnete es nicht. Er passte in die muffige Wohnung mit den vollgestellten Wänden und den abgelebten Möbeln, zu der es mindestens sechs Stufen hinunterging. Das nächste Mal würde sie zählen.
Zuerst hatte sie den Eingang nicht gefunden, nirgendwo stand ein Name. Aber das hatte man ihr vorhergesagt: Sie würde nicht nur räumlich in die Souterrains eintauchen. Das Benehmen konnte genauso unterirdisch sein. Zu diesem armen Teufel hatte sie ein spezielles Verhältnis. Manchmal war er witzig, zumindest besaß er eine makabre Art von Humor, sagte mal etwas, das sie kurz stutzen ließ.
Allein, wie er sich vorgestellt hatte, damals: „Gestatten, Quasimodo. Sie schickt mir der Himmel oder die Hölle“.
Es hatte gedauert, bis sie sich an seine Aussprache gewöhnt hatte. Er konnte argumentieren, überzeugen, er wusste Bescheid, gut sogar. War er besser vernetzt, als sie vermutete? Den Plan hätte sie ihm zunächst kaum zugetraut. Er war perfide, aber er hatte was.
„Ein Datum kommt ja nicht auf die Anzeige, aber man wird schon wissen, dass die Leiche nicht mehr warm ist. Und man hatte möglicherweise bereits Zeit für irgendwelche Schlaumeiereien. Ihm gehts nicht so gut, dem alten Herrn? Isst und trinkt nicht mehr so richtig? Ganz gelb im Gesicht, sagen Sie? Das sieht doch gut aus, nach Punktlandung. Heißt doch so.“
Er hielt den Kopf schief, sodass die Augen wieder nebeneinanderstanden, und blinzelte sie von unten aus dem Sessel mit dem abgewetzten Cordbezug an. Will sie ihn hinhalten, fragte er sich. Wird sie sentimental? Ach Gott, die doch nicht. Die weiß, was sie tut. Die hat das genau bedacht. Von ihr hatte er das Programm. Er hatte ihren Namen vergessen. Irgendetwas mit G, war es nicht so?
Alles war möglich. Sogar, dass nichts passiert. Oder man denkt, es passiert nichts.
Wie bei einer Lunte, die so tief ist, dass sie keiner riecht, so lang, dass man sie vergisst.
„Dass das in Gang kommt! Nicht ewig fackeln! Wir brauchen eine Deadline. Sonst wird ´s kompliziert, für alle Beteiligten.“ Mit der linken, schlechteren Hand schob er seine Steppjacke von einem Hocker und wies auf die neu geschaffene Sitzgelegenheit. „Mittwoch würde gut passen.“
„Danke, lassen Sie mal. Ich stehe gerne.“ Außerdem war alles gesagt. Mittwoch. Könnte klappen. „An mir solls nicht liegen. Ich werde Vollzug melden.“ Sie wollte weg. An die frische Luft. Auch wenn es draußen trüb war, neblig und kalt, so war es dennoch fraglos besser als stickig, abgewetzt und hinterhältig.
„Hat der Vogel genug Futter?“ Sie war ja nicht nur subversiv unterwegs.
Der Mann, der sich Quasimodo genannt hatte, antwortete nicht. Die Frau, deren Namen er vergessen hatte, schloss die Tür, tastete sich durch den Gang, zählte die Stufen. Sie war verwirrt.
Hatte sie nichts verkehrt gemacht? Immerhin war es eine Entscheidung von beträchtlicher Tragweite.