Читать книгу Kaviar zum Nachtisch - Norbert Sandmann - Страница 20
Seit 25 Jahren dort in der Erde
ОглавлениеFast wie alle im Zweiten Weltkrieg zerbombten Städte hatte auch Schweinfurt seinen Schuttberg. Hier wurden die unbrauchbaren Reste der zerbombten Häuser aufgeschichtet. Darunter befand sich auch viel Hausrat. Diese Berge wurden dann mit Humuserde abgedeckt und zu Parkanlagen umgeplant, so auch in Stefans Heimatstadt Schweinfurt.
Als ca. im Jahr 1970 am Olympia-Morata-Gymnasium ein neuer Bereich gebaut wurde, war das genau im Ausläufer des Schuttberges, dort gruben sich die Bagger mit ihren großen Schaufeln in die Tiefe. Stefan war zufällig dort und beobachtete die Bauarbeiten mit sehr großem Interesse. Es tauchten immer wieder verschiedene Gegenstände im Erdreich auf, die ihn neugierig machten. Wenn dann die Bagger einmal eine Pause einlegten, lief Stefan hinunter in die gegrabene Mulde und fand Fliesenstücke, Reste eines Hockers und eine gusseiserne Bratpfanne mit Holzgriff. Verwundert war Stefan allerdings, dass der Holzgriff die Zeit in der Erde fast unbeschadet überstanden hatte. Die Sachen lagen ja nun bereits seit 25 Jahren dort in der Erde.
Die Pfanne erregte sein besonderes Interesse, weshalb er sie an sich nahm. Wieder in Sicherheit vor den Baggern oben am Berg angekommen, stellte er sich vor, wie diese Pfanne von ihren ursprünglichen Besitzern genutzt wurde. Wie die Besitzer dann ihr Hab und Gut durch eine Bombe verloren hatten. Diese Vorstellung machte Stefan traurig, denn er hatte trotz seiner zehn Jahre viel über die Bombardierungen und die schlimmen Zerstörungen gehört. In seiner damaligen Vorstellung musste eine solche Bombe, wenn sie ganze Häuser zerstören konnte, eine Größe von mindestens einem Industrieschornstein haben. Nun die Pfanne hatte es Stefan angetan und er beschloss sie mit nach Hause zu nehmen. Kurz bevor er angekommen war, trieben ihn Zweifel um ob er sie überhaupt mit heim nehmen durfte.
Würde sein Vater, der zu Hause war, sich über das historische Interesse seines Sohns freuen, oder würde er wieder ausrasten? Nun überkam ihn doch die Angst vor einer möglichen drastischen Bestrafung durch seinen Vater. Stefan überlegte, wo er nun die Pfanne entsorgen konnte. Er kam auf die Idee das Gitter eines Lichtschachts zu öffnen und legte seine neuste Errungenschaft in den Schacht und verschloss ihn mit dem Gitter wieder. Noch Jahre später bedauerte es Stefan, diese Pfanne nicht mit nach Hause genommen zu haben. Die Angst vor dem Vater war halt stärker, leider.
Ein weiterer toller Spielplatz in der Stadt, oder besser gesagt am Stadtrand war der ehemalige Militärhafen. Auf diesem Gelände war ein Autofriedhof, ja da gab es so viel zu entdecken. Die alten Autos waren zu Bergen aufgetürmt, man fand allerlei wie Maschinen, Pressen, Motorräder und vieles mehr. Aus heutiger Sicht wäre so ein Platz undenkbar, der Boden, es war das blanke Erdreich, war auf dem ganzen Gebiet mit Altölen und anderen Chemikalien verseucht. Wenn man dort lief, musste man aufpassen, dass das Öl nicht in die Schuhe lief.
Eines Tages, als Stefan wieder einmal mit seinen Freunden dort war und allen möglichen Blödsinn anstellte, passierte Folgendes. Ein Teil der Mädels und Jungs ließen über eine alte Rutsche Maschinenteile, Autoräder und sonstigen alten Schrott in das Hafenbecken rutschen. Stefan und ein paar Andere kletterten auf verschieden Schrottberge, um sich weit oben in die interessantesten Autos wie einem Borgward Hansa zu setzen. Die Jungs und Mädels taten so als würden sie Autofahren, mit all den Geräuschen und Gesten die dazu nötig waren. Es war für alle ein Heidenspaß dabei, während Stefan in seinem Element war, erschrak er zutiefst als sich ausgerechnet das Auto bewegte, in dem er der Chauffeur war.
Es wackelte bedrohlich auf und ab, sodass Stefan fast in seine Hose gemacht hätte. Jetzt erst mal ganz ruhig bleiben und nicht mehr bewegen. Stefan rief nach seinen Kumpels um Hilfe, die dann auch gleich alle kamen. Was war jetzt zu machen, die da unten berieten sich und der Mutigste von allen, sein Freund Hubert, kletterte hoch um den Borgward mit seinen Händen abzustützen. Zwischendrin wurde es allerdings noch brenzlig, wenn sich der ganze Berg leicht in Bewegung setzte. Stefan nahm nun seinen ganzen Mut zusammen und öffnete ganz vorsichtig die Fahrertür. Bei jedem noch so kleinen Knacks erschrak die Meute. Während Hubert sagte, „komm Stefan ich halte das Auto“, tastete sich Stefan ganz vorsichtig nach unten. Hubert folgte ihm genauso vorsichtig. Teil für Teil wurde genommen und nach einer gefühlten Ewigkeit gelangten sie sicher nach unten. Ein lautes Quietschen Krachen und Scheppern ließ alle beteiligten zusammen zucken und der komplette Berg aus Schrottautos setzte sich in Bewegung. Alle sprangen auseinander um sich in Sicherheit zubringen. Erst als sich der Haufen nicht mehr rührte, schauten sie sich an um festzustellen, dass alle da waren und niemanden etwas zugestoßen war. In dem Moment kam der Besitzer des Platzes um die Ecke geschossen, sah das Malheur und begann sofort zu schreien.
Wieder wollten sie davon laufen, doch er erwischte zwei der Jungs und schrie, sie sollten herkommen und er werde die Polizei holen. Waren sie doch eine verschworene Gemeinschaft und ließen keinen aus ihrer Gruppe im Stich. Alle gingen mit ganz schlechtem Gewissen und einem flauen Gefühl im Magen zu dem Mann. Er forderte sie auf ihm, dem Chef zu seiner Bürohütte zu folgen und von dort aus rief er die Polizei. Es dauerte nicht allzu lange und ein dunkelgrüner VW Käfer mit Blaulicht auf dem Dach kam um die Ecke gefahren. Zwei Uniformierte stiegen aus und befragten erst mal den Besitzer des Schrottplatzes. Danach wurden die Kinder befragt, zu leugnen gab es nichts, also erzählten sie die Wahrheit was vorgefallen war. Nachdem die beiden Polizisten Namen und Adressen von allen notiert hatten, meinten diese, sie müssten nun ihre Eltern verständigen und sie könnten jetzt gehen.
Auweia was das jetzt für Stefan zu bedeuten hatte war ihm sofort klar, davor hatte er noch gehofft, dass sein Vater nichts davon erfahren würde. Jetzt war die letzte Hoffnung endgültig verflogen. Ein Teil der Bande wohnte ebenfalls in Stefans Straße. Sie gingen dann alle mit einer gehörigen Portion Angst im Nacken nach Hause. Als sie dann in Stefans Straße einbogen stand da schon das Polizeiauto mit den beiden Beamten von vorhin, vor der Haustüre seines Kumpels Micha. Es waren 2 Brüder und eine Schwester auch deren Vater erwartete bereits alle Drei. Er begann lauthals zu schimpfen und knallte nacheinander bei Betreten des Hauses jedem eine auf den Hinterkopf. Stefan stand daneben und konnte erahnen was los sein würde, wenn er nach Hause käme, denn er wusste dass sein Vater anwesend war.
Stefan wusste nun nicht, ob die Polizei bereits bei ihm Zuhause war und sein Vater Bescheid wusste. Klammheimlich verließ er den Schauplatz und ging so unauffällig wie möglich in Richtung seines Hauses. Offensichtlich wurde niemand auf ihn aufmerksam, jedenfalls kam er Zuhause an, immer noch in Sichtweite zu den Polizisten. Er öffnete die Haustüre und ging mit pochenden Herzen hoch in den zweiten Stock. Als er den Schlüssel zur Wohnungstüre ins Schloss steckte und öffnete, schlug sein Herz nochmal schneller. Er sah sofort seinen Vater, der vor dem Fernseher saß. Stefan ging hinein in das Wohnzimmer und begrüßte seinen Vati, der aufschaute und sich nach seinem Wohlbefinden erkundigte. Buh, bisher war wohl die Polizei noch nicht hier gewesen. Stefan verschwand in seinem Zimmer und war noch ganz aufgeregt, wenn die Polizisten noch nicht hier waren, dann würden sie noch kommen, oder sollten sie ihn, den Stefan, vergessen haben?. Wohl kaum soviel Glück konnte er nicht haben. Nachdem eine viertel Stunde vergangen war und sich immer noch nichts getan hatte, ging Stefan ans Fenster um zu sehen, ob das Polizeiauto noch in der Straße hielt. Stefan schaute ein zweites Mal, nichts war zu sehen, sollten sie ihn tatsächlich vergessen haben, konnte das sein?
Es sah genau danach aus, Stefan fiel ein ganzer Felsbrocken vom Herzen so froh war er. Auch später und an den nächsten Tagen sollte niemand mehr kommen und Stefan verraten. Sein Vater sollte nie von dem Vorfall erfahren.