Читать книгу Haft - Oleg Senzow - Страница 22

Tag 13

Оглавление

Mein neues Problem ist die Schlaflosigkeit. Wieder habe ich lange wachgelegen. Ich habe mir immer wieder vorgestellt, wie ich mit meinen Freunden in den Karpaten Silvester feiere, wie ich auf dieses und jenes Filmfestival fahre, und trotzdem konnte ich nicht einschlafen. Ich bin aufgestanden, habe den Heizer ausgeschaltet, weil ich ihn übertriebener Betriebsamkeit verdächtigte, und die Fensterklappe geöffnet, um frische Luft einzulassen. Der mitternächtliche Kontrollgang war lange vorüber, also musste es schon gegen eins sein. Draußen war es taghell. Der Polartag war angebrochen.

Die Polarnacht hat mir ganz schön zu schaffen gemacht – vier Stunden trübes Licht, die übrige Zeit finsterstes Dunkel und Nacht. Ich hatte immer nur einen einzigen Wunsch: dass endlich der Einschluss käme, ich mich hinlegen und schlafen könnte. Aber der endlose Tag macht mir noch mehr Mühe. Ich kann nicht schlafen und fühle mich kaputt.

[…]

Der Duft der frischen Suppe dringt allmählich durch meine verstopfte Nase, erreicht das Gehirn und den Magen. Appetit weckt das nicht, geht aber auf die Nerven. Nur kurz allerdings, dann wird die Suppe kalt und steht irgendwo rum, ohne die Geruchsrezeptoren weiter zu reizen. Die Miliz weiß, dass das Servieren der Suppe irgendwann seine Wirkung entfaltet.

Ich war beim Arzt. Der ist extra wegen mir am Samstag zum Dienst gekommen. Der Puls und der Blutdruck waren ganz niedrig. Also hat mich der Doktor nach bereits bekanntem Muster wieder an den Tropf gehängt und mir eine zweistündige Infusion mit verschiedenen Präparaten verabreicht. Es gefiele ihm, sagte er mit dem Blick auf mich, wenn er ein direktes und unmittelbares Ergebnis seiner Arbeit am Menschen registrieren könne und nicht nur irgendwelche Papiere hin und her schieben müsse: Meine Lippen hätten wieder eine rosige Farbe angenommen und den bläulichen Ton, wie man ihn von Hühnern in der Auslage sowjetischer Fleischtheken kenne, verloren. Während der Infusion haben wir uns wieder unterhalten. Der Doktor hat mir die Funktion der Nieren und die Übertragungswege der Tuberkulose erläutert. Ich habe ihm von meiner kurzen, abrupt unterbrochenen Karriere als Regisseur erzählt. Wir waren uns einig, dass es sich in einem eigenen Haus mit einem einfachen und gemütlichen Hof am besten lebt. Der Doktor will unbedingt eine Wirtschaft mit ein paar Tieren und sogar Ziegen. Ich will keine bäuerliche Wirtschaft und habe ihm gesagt, dass ich das schon hinter mir hätte. Er stellt sich das für die Zukunft vor. Im nächsten Monat hat er Geburtstag, vielleicht wird er zum Oberstleutnant ernannt und kann dann auf eigenen Wunsch vorzeitig in Rente gehen. Deswegen macht er sich Gedanken. Er würde sich gern mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in einem weißen Haus mit Kirschgarten niederlassen. Allerdings zieht er auch in Erwägung, im Norden zu bleiben. Ich habe mir die Bemerkung erlaubt, dass es mit den Kirschbäumen hier oben eher schwierig wäre. Ich wollte ihm gerade vorschlagen, sich irgendwo in Rosselló, bei Athos’ Haus niederzulassen, da wurden die Träume von der Kirschbaumblüte jäh von einem Zwischenfall unterbrochen. Dem Kater, der im Krankentrakt lebt, war schlecht, und zwar schrecklich schlecht. Zwei Häftlinge brachten den Herrn Kater herein, weil er sich nicht mehr bewegen konnte – seine vier Pfoten waren wirr ineinander verschlungen. Es war ein ganz gewöhnliches Tier, eine Promenadenmischung. Die Tierrettungssanitäter erklärten, er sei schon seit einer halben Stunde in diesem Zustand und hätte gerade etwas Violettes erbrochen.

Es wurden kurze und intensive Nachforschungen angestellt. Der Doktor brillierte wie Nero Wolfe, er blieb dabei in seinem Sessel sitzen und rauchte zwei ganze Zigaretten. Die Version mit der Lebensmittelvergiftung wurde ebenso schnell verworfen wie die Seekrankheit. Der zentrale Verdacht richtete sich auf einen Diversionsakt eines der etwa ein Dutzend Häftlingspatienten, die auf dieser Etage in drei Krankenzimmern untergebracht waren. Die Verordnungen wurden kontrolliert: Wer hatte an diesem Tag irgendwelche Psychopharmaka oder Mittel mit ähnlicher Wirkung erhalten, die einen violetten Überzug aufwiesen. Der Detektiv hatte sofort eine Vermutung, wer es gewesen sein konnte, jetzt mussten die Unterlagen nur noch den Beweis liefern. Und tatsächlich, ein rücksichtsloser Typ war der Täter. Der Arzt strich ihm sofort alle Medikamente, sagte allerdings, die Strafverfolgungsmedikation sei in seiner Einrichtung noch nicht abgeschafft worden, deswegen könne sich der Tierquäler am Montag auf etwas gefasst machen. Und er täte gut daran, für die Genesung des Katers zu beten, da die Höhe der Medikation vom Befinden des Tieres abhängen würde. Dem Kater ging es indessen noch nicht besser. Jemand schlug vor, ihn zu reanimieren oder zumindest stabilisierende Maßnahmen zu ergreifen. Außer dem Chef kamen alle angerannt. Sie wollten dem Kater die Pfote rasieren und waren schon im Begriff den Rasierer zu holen, aber es fand sich kein Experte, der sich sicher war, dass er die Vene des Tieres treffen würde. Also nahm man vorerst Abstand von einem medizinischen Eingriff und beschloss zu beobachten, wie sich der Zustand des armen Tieres entwickeln würde. Der Kater bekam Wasser eingeflößt und wurde in ein Bett gelegt.

Der Arzt war aufgebracht und wütend. Dabei konnte er Katzen eigentlich gar nicht leiden. Er ging ihnen aus dem Weg, denn er hatte eine Katzenhaarallergie. Er hatte erlaubt, dass der Kater angeschafft wurde, kam aber niemals in seine Nähe. Er war verärgert, weil sich jemand diesen bösen Scherz erlaubt hatte. Für Tiere, selbst für Katzen, hatte der Doktor mehr übrig als für böse Menschen. Als ich fertig war, ging es wahrscheinlich nicht nur mir, sondern auch dem Kater besser – er kam langsam zu sich und konnte sogar an der Wand entlangkriechen.

Als ich aus der Banja kam, war ich erschöpft und außer Atem, als wäre ich einen Cross gelaufen. Draußen war heute kein Wind, aber auch keine Sonne, nur Wolken, die nichts Gutes verhießen, außer vielleicht Regen, immerhin keinen Schnee.

Haft

Подняться наверх