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Tag 14

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Wieder stand die Nacht unter dem Stichwort Schlaflosigkeit namens Polartag. In den kurzen Traumfetzen arbeitete ich in einer Fabrik. Ich war in einem Bus mit einer weiteren Schicht von Arbeitern gekommen, aber ich durfte die Arbeit nicht antreten, weil ich keine Mütze hatte, jemand anders hatte sie aus Versehen in der Umkleide aufgesetzt. Wir waren alle irgendwie Militärangehörige, trugen aber Lagerkleidung, das Gefängnis hinterließ seine Spuren in den hiesigen Träumen. Dann kaufte ich mir eine Straßenbahnfahrkarte, zu der komischerweise auch eine Platzkarte gehörte, aber ich konnte meinen Platz nicht finden, es gab keinen Sitzplatz mit dieser Nummer. Ich stieg sogar an einer Haltestelle aus und hielt Ausschau, ob die Nummer etwa an den dort stehenden Bänken geschrieben stand. Als ich einen Bekannten sah, der mit einem LKW unterwegs war, bat ich ihn, mich mitzunehmen, aber im Wagen war kein Platz. So schlug ich die Zeit bis zum Morgen an der Haltestelle tot, ehe ich irgendwann erwachte.

Draußen ist es immer noch unfrühlingshaft trübe, es regnet zwar nicht, aber dafür ist es windig. Das Wetter hier im Norden ist nicht nur kalt, sondern auch sehr wechselhaft, ständig schlägt es um, ändert sich abrupt mehrmals pro Tag. Sollte es am Abend schneien oder sehr sonnig werden, es würde mich nicht wundern.

Ich sitze in einer Einzelzelle, und wer in einer Einzelzelle sitzt, hat Anspruch auf eine Essensration, die größer ist als die in der Kantine des allgemeinen Lagerbereichs. Ich kriege also immer einen Teller mit einem kleinen Berg Grütze, und die Kohlsuppe steht bis knapp unter den Rand. Wenn ich nun diesen vollen Suppenteller mit meinen unsicheren Händen zu einem anderen Platz trage, habe ich immer Angst, etwas zu verschütten. Dass ich dann den Boden wischen müsste, ist das kleinere Übel, aber die Beamten fotografieren die Ration mit dem Registriergerät, und wenn die Menge der Suppe beim Abtragen geringer ist, gilt der Hungerstreik als beendet. Deswegen schütte ich die Suppe auch nicht in den Ausguss. Es ist sowieso nicht in Ordnung, Essen wegzuwerfen. Deswegen muss ich mich damit abfinden, dass das Essen viele Stunden in meinem Zimmer steht.

Den ganzen Vormittag habe ich am Fenster gestanden und beobachtet, wie ein Dutzend Häftlinge einen großen Eisenzylinder mit einem langen Griff über eine eingezäunte Fläche rollten. Was sie mit diesem manuellen Asphaltieren bezweckten, verstand ich nicht. Zuvor waren hier eine ganze Woche lang drei arme Schweine mit Schaufeln und unterschiedlichem Erfolg damit beschäftigt, dieselbe Fläche umzugraben. Die Antwort folgte nach dem Mittagessen, als auf dem Terrain, das nunmehr eine wunderbar glatte Fläche war, auf einmal Häftlinge mit einem Ball hin und her rannten. Ein Minifußballfeld also. Und da eine Hälfte der Spieler zerschlissene rote Straßenarbeiter-Shirts über der Häftlingskluft trug, handelte es sich offenbar um einen Wettbewerb. Klar, heute war ja Sonntag, da stand laut dem allgemeinen Erziehungsplan entweder eine Kultur- oder eine Sportveranstaltung auf dem Programm. Heute also Sport. Leider konnte ich den Ball nur schwer verfolgen, weil mein Sichtfeld begrenzt war. Aber ich wusste auch so, dass hier nur Böcke spielen, Gefangene, die für die Verwaltung arbeiten, weil sie sich die Beamten gewogen machen, Belohnungen erhalten und ihre vorzeitige Entlassung erreichen wollen.

Kurze Zeit später entluden sich die Wolken doch in Niederschlag: Mal fiel er in feinen Flocken, mal als Sprühregen. Aber das Spiel wurde nicht unterbrochen, man wollte die Lagerleitung nicht verstimmen. Vielleicht hatte die Jungs aber auch einfach der Spieleifer gepackt, und ihre über den Winter steif gewordenen Körper waren dankbar für die Bewegung. Als das Spiel zu Ende war, kam die Sonne hervor. Ich glaube, alle waren zufrieden, selbst wenn der eine oder andere dabei nass geworden sein sollte, die spärlichen Zuschauer, die man als Wettkampfkulisse herbeizitiert hatte, eingeschlossen.

[…]

Zwei Wochen sind nun seit dem Beginn des Hungerstreiks vergangen. Die zweite Woche war erwartungsgemäß leichter als die erste. Ich habe mich daran gewöhnt, und die Infusionen helfen. Jetzt wird es von Tag zu Tag schwerer, das ist klar, die negativen special effects werden zunehmen, besser wird es nicht mehr. Aber ich gebe nicht auf, Hauptsache, mein Körper macht mit.

Haft

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