Читать книгу Showdown unter Banditen: Super Western Bibliothek 10 Romane - Pete Hackett - Страница 11
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ОглавлениеIch zählte einundzwanzig Gräber, jedes mit einem Holzkreuz geschmückt, auf dem Name, Geburts- und Todestag eingebrannt waren. Der letzte Hügel in der langen Reihe, die sich innerhalb der Mauer entlangzog, war meines Erachtens erst wenige Tage alt. Jetzt war auch Clinton sein hässliches Triumphgelächter vergangen. Er sah aus, als wollte er gleich seinen Gaul herum werfen und fortstürmen.
„Wir haben alle Decken, Kleidungsstücke und sonstiges Zeug verbrannt, das diese verfluchte Seuche übertragen könnte“, hörte ich die raue Stimme des Sergeants wie von weit her. „Der Captain war der letzte, den‘s erwischt hat. Wir haben ihn vor drei Tagen begraben. Ungefähr zu dem Zeitpunkt, als du Fort Lowell verlassen hast, Carringo. Schätze, nun ist‘s vorbei.“
Endgültig!, fügte ich in Gedanken hinzu. Bob Clinton konnte sich gratulieren. Ich war in ein Camp der Toten gekommen. Ich hatte mich auf ein Bad, ein Bier und ein Bett gefreut. Jetzt wär‘ ich am liebsten auf der Stelle umgekehrt und in einem Zug nach Fort Lowell zurückgeritten. Aber alles hat seine Grenzen. Nach so einem Ritt, wie er hinter mir lag, machten weder die Pferde noch meine Muskeln mehr mit.
Auch ohne die vielen Gräber hätte Camp Stonehill nicht sehr einladend gewirkt. Die Mannschaftsunterkunft war ein halb in den Berg gebauter Lehmziegelbunker. Von außen kaum von dem langgestreckten, mit Erdschollen gedeckten Stall zu unterscheiden. Dann gab‘s nur noch einen Schuppen mit Anbau und einen kastenförmigen Bau, die Kommandantur. Wasser spendete eine ummauerte Quelle. Ohne sie hätte es hier kein Leben, keinen Stützpunkt, nur Wildnis gegeben. Typisch Donovan, dass er entschlossen war, die Stellung hier zu halten, bis die nächste Ablösung kam. Wahrscheinlich hätte er hier auch mutterseelenallein ausgehalten.
Es gab noch einen vierten Überlebenden: Mitch Webster. Er ruhte auf einem Deckenlager in dem bis auf einen Tisch, ein paar Stühle und Regale ausgeräumten und „gesäuberten“ Mannschaftsbau. Donovan, Meritt und Kirby waren von der Krankheit verschont geblieben. Webster jedoch hatte es erwischt. Keiner wusste, weshalb ausgerechnet er es überstanden hatte. Nun schien er nur mehr aus Haut und Knochen zu bestehen. Er sah aus, als könnte er immer noch jeden Moment den letzten Atemzug tun. Seine Augen waren eingesunken, sein Gesicht gelblich, die Nase stach spitz daraus hervor.
„Besuch, Mitch!“, kündigte Meritt mich an. Der Sergeant brachte Clinton mit herein. Kirby versorgte inzwischen die Pferde. Ich war trotz allem froh, die Beine mal wieder unter einem Tisch ausstrecken zu können. Die Bewirtung war einfach. Bohnen mit Speck und Bratkartoffeln, dazu statt Bier oder Wein klares Quellwasser. Überall hätte es mir sicher großartig gemundet. Hier schmeckte alles nur nach Tod und Verdruss.
Neal Meritt brachte auch Webster einen vollen Teller. Webster war bei allem Heißhunger noch so schwach, dass er ihn füttern musste. Clinton bekam nur einen Becher Wasser und einen Kanten Brot mit einer Speckscheibe. Donovan war jetzt für ihn zuständig, und Donovan war alles andere als zimperlich im Umgang mit Schuften wie Babyface. Er hatte ihn mit einem Seil um den Hals an dem Stützpfeiler in der Mitte des Raums festgebunden. Doch Babyface zeigte sich als harte Nuss. Er ließ sich dadurch den Appetit nicht verderben. Ich war noch nicht fertig, als Donovan wie ein eingesperrter Bulle in dem dämmrigen Raum auf und ab zu laufen begann. Er hatte inzwischen Wilburns Brief noch zweimal Buchstaben für Buchstaben durchstudiert. Plötzlich fuhr er herum, als hätte sich eine unsichtbare Wand vor ihm aufgestellt.
„Verdammt will ich sein, wenn wir diese Bastarde nicht doch stoppen“, platzte er heraus.
Ich glaubte nicht recht zu hören, und auch die anderen starrten ihn an, als hätte er sich gerade zum Präsidenten der Vereinigten Staaten ernannt. Ich legte die Gabel weg. „Mit nur drei Mann?“, fragte ich vorsichtig.
Er sah mich an, als hätte ich ihn beschimpft. „Vier“, knurrte er, „wenn du ebenfalls mit von der Partie bist, Carringo.“
Ich begnügte mich mit einem Kopfschütteln. Ich war zu müde, mich auf eine hitzige Diskussion einzulassen. Himmel noch mal, er wusste doch ebenso über die Clinton-Brüder und ihren Anhang Bescheid wie jeder andere hier! Die Sache war gelaufen, für Bob Clinton. Da half kein Wenn und Aber. Ich hatte mein möglichstes getan, dass Wilburns Rechnung aufging. Mehr war nicht drin. Babyface konnte es sich nicht verkneifen, deutlicher zu werden. Sein hämisches Lachen zwang alle Blicke auf sich.
„Ich glaub‘, die Sonne hat dir geschadet, Serg!“, spottete er grinsend „Ob ihr zu dritt oder zu viert gegen meinen Bruder losschlagt, das spielt doch überhaupt keine Rolle. Bob und seine Leute erledigen euch so nebenbei, ohne dass sie auch nur richtig hinsehen. Ein Klacks wird das für die. Das sind vierzehn Mann, Serg. Die hartgesottensten Typen, die du dir vorstellen kannst. Aber ich bezweifle, ob du dazu fähig bist. Denn mit deinem Gehirn scheint irgendwas nicht mehr richtig zu funktionieren. Vielleicht hast du auch gar keins.“
Donovan reagierte nicht. Clintons Hohn prallte an ihm wie an einem Felsen ab. Es war Dave Kirby, der drohend auf den Gefangenen losmarschierte. „Halt jetzt die Klappe, du Mistkerl!“
Babyface grinste immer noch. Aber seine Augen wurden jetzt schmal, ein gefährliches Glitzern zeigte sich in ihnen. „Du blickst auch noch nicht richtig durch, Compadre. Sonst wüsstest du, dass ihr im Grunde nur mehr eine Chance habt: Lasst mich laufen! Oder glaubt ihr Dummköpfe etwa, mein Bruder deichselt das Geschäft mit El Rojo ohne mich? Vielleicht würde er jeden anderen sausen lassen, aber nicht mich. Carringo hat euch da eine verflucht salzige Suppe eingebrockt, Leute. Denn Bob wird sich jetzt nicht mehr damit begnügen, die Wagen mit den Waffen an eurem lausigen Camp vorbeizuschmuggeln. Das ist aber wohl zu hoch für einen Kerl, der blöd genug war, sich den blauen Rock anzuziehen und dann auch noch in so einem gottverlassenen Winkel Dienst zu tun! He, zum Teufel, bist du verrückt geworden? Lass mich los, verdammt! Du wirst …“
Kirby war der Gaul durchgegangen. Er hatte ihn hochgezerrt, drückte ihn nun gegen den Holzpfosten und holte mit der geballten Rechten aus.
Donovan riss ihn zurück. Zum ersten Mal erlebte ich, wie verblüffend schnell und geschmeidig der Hüne war. „Du bist hier in keiner Schlägerbande, sondern immer noch in der Armee, Junge!“, fuhr der Sergeant ihn an. „Verdammt, dieser Lump legt‘s doch nur darauf an, dass wir durchdrehen!“
„Schon gut, Bull!“, murrte Kirby. „Mir geht‘s jedenfalls an die Nieren, dass der Bastard auch noch recht hat.“
Meritt hakte nach. „Du glaubst doch nicht im Ernst, Bull, wir könnten verhindern, dass Clinton die Wagen über die Grenze bringt?“
„Doch.“
„Ohne mich, Bull!“, rutschte es dem drahtigen Corporal heraus.
Joe Donovan schien noch um etliche Zoll zu wachsen. „Hast du je erlebt, Neal, dass in der Armee über eine Entscheidung abgestimmt wird? Nein, Amigo, wenn ich sage, wir stoppen diese Hundesöhne, dann ist das ein Befehl! Genauso steht‘s in dem Wisch, den Carringo aus Fort Lowell gebracht hat. Die Übergabe der Waffen an El Rojo ist unter allen Umständen zu verhindern! Da ist keine Rede davon, mit wie viel Mann das zu bewerkstelligen ist. Die Anweisung gilt. Basta!“
„Sie ist undurchführbar, Bull!“
Der Meinung war ich auch. Donovan aber grollte: „Hör auf, mich Bull zu nennen, Mann, wenn du meutern willst! All right, wir sind Freunde, hoffe ich jedenfalls, aber im Dienst, Corporal Meritt, bin ich immer noch dein Vorgesetzter!“
Meritt knallte die Hacken zusammen. Seine Rechte flog an den Mützenrand. „Zu Befehl, Sergeant!“ Er grinste, aber es war mehr ein Zähnefletschen. Seine dunklen Augen funkelten.
„Lass den Quatsch!“, winkte Donovan ab. „Hört zu, Jungs, wir haben das Dynamit, das Captain Stedloe aus Fort Huachuca mitgebracht hat, um die Felsen unten am Hang wegzusprengen. Mit diesem Dynamit werden wir dem Teufelsbraten Bob Clinton das Fürchten beibringen.“
„Da streng dich mal an, Serg!“, zischte Babyface gehässig.
„Sicher!“, grinste Donovan ihn an. „Wir werden eine hübsche Dynamitfalle für ihn bauen. Du hast ja selbst gesagt, dein Bruder wird herkommen und dich holen.“
„Vielleicht“, machte Babyface einen Rückzieher. „Vielleicht auch erst, wenn die Wagen jenseits der Grenze sind. Bob ist kein Greenhorn, das sich ein Geschäft vermasseln lässt. Der riecht jeden Braten noch drei Meilen gegen den Wind.“
„Er wird kommen!“, beharrte Donovan. „Wenn‘s sein muss, helfen wir eben ein bisschen nach.“
„Wie denn, Bull?“, krächzte Kirby. Der Sergeant ließ den Gefangenen nicht aus den Augen. „Weißt du, mein Junge“, sagte er zu ihm, „ich diene schon so verflucht lange in diesem Land, dass ich aufgehört hab, die Jahre zu zählen. Mindestens ein Drittel dieser Zeit hab ich mich mit den Apachen rumgeschlagen – und eine Menge von ihnen gelernt. Vor allem, dass es nicht drauf ankommt, wie gut ausgerüstet und schwerbewaffnet ein Gegner ist.“
Er wandte sich Meritt und Kirby zu. Webster hatte sich auf die Ellenbogen gestützt und lauschte ebenfalls gespannt. „Die Sache ist ganz einfach, Jungs. Wenn Bob Clinton nicht wegen ihm herkommt, dann wird er kommen, weil er Wasser braucht. In der Meldung aus Fort Lowell steht, dass die Bande von den Batamote Mountains aus nach Süden zieht. Soviel Wasser können die Burschen gar nicht mitschleppen, dass sie bis zum Rio Sonoita damit auskommen.“
„Es gibt auch noch anderswo Wasser als ausgerechnet hier!“, warf Clinton höhnisch ein.
„Klar“, nickte Donovan. „Aber wenn sie den kürzesten Weg zwischen der Ajo Range und unserm Stützpunkt nehmen, dann beschränkt sich ihre Auswahl auf die Tinaja Plata im Norden und das Wasserloch im Arroyo Blanco westlich von hier.“
„Das reicht ja schon.“
„Nicht, wenn sie dort kein Wasser kriegen – kein genießbares wenigstens.“
Jetzt waren alle wie elektrisiert. Ich nicht ausgenommen. Plötzlich dämmerte mir, was Donovan von den Apachen gelernt hatte, die in den Mitteln ihrer Kriegsführung alles andre als wählerisch waren. Ich erhob mich. „Serg, du wirst doch diese Wasserstellen nicht vergiften wollen!“
Er drehte sich scheinbar schwerfällig zu mir um. Seine Haltung, sein Blick waren drohend. „Weißt du vielleicht ‘ne andere Möglichkeit, Clinton und seine Banditen hierher zu zwingen?“
„Ich weiß nur, dass das, was du vorhast, gegen alle ungeschriebenen Gesetze der Wildnis verstößt, Serg! Verdammt, dieses Wasser ist schließlich nicht nur für Bob Clinton und seine Killer da, sondern ebenso …“
„Hast du die Toten vergessen, Carringo?“, unterbrach er mich scharf. „Hast du vergessen, dass im ganzen Südwesten die Hölle aufbrechen wird, wenn dieser Oberhalunke El Rojo zwei Wagenladungen Gewehre, Munition und Sprengstoff in die Hände bekommt? Keine Siedlung, kein Rancho diesseits und jenseits der Grenze wird dann mehr vor ihm und seiner Horde sicher sein! Es liegt an uns, nur an uns, dies zu verhindern, Mann! Schaff mir zehn Leute her, die bereit sind, mit mir gegen diese Verbrecher zu ziehen, dann kannst du anfangen, mir wegen zwei vergifteter Wasserlöcher ins Gewissen zu reden! Dann werd‘ ich sogar auf dich hören! Eher nicht!“
Ich gab‘s auf. Donovan war einer von der Sorte, die sich auch durch einen schussbereiten Colt nicht von einem Entschluss abbringen ließ. Irgendwie waren wir da ein bisschen verwandt. Ich setzte mich wieder. „Mein Job ist jedenfalls erledigt“, erklärte ich. „Morgen reite ich nach Fort Lowell zurück.“
„Ich werd‘ dich nicht halten“, antwortete er schroff.