Читать книгу Showdown unter Banditen: Super Western Bibliothek 10 Romane - Pete Hackett - Страница 19
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ОглавлениеDonovan übernahm die erste Wache, ich löste ihn nach zwei Stunden ab, dann war Kirby an der Reihe. Die Nacht verging so schnell, dass ich beim Aufwachen glaubte, ich hätte nur eine halbe Stunde geschlafen. Das erste, was ich spürte, war etwas Kaltes, Hartes hinter meinem rechten Ohr. Ein Revolver lauf. Clinton!, durchglühte es mich, und nach dem ersten lähmenden Schreck wunderte ich mich, dass ich noch lebte.
„Steh jetzt vorsichtig auf, Carringo! Wenn es auch nur den Anschein hat, dass du was versuchst, knallt es!“
Verdammt, das war nicht Clintons, sondern Meritts Stimme. Sie klang gepresst und so entschlossen, dass ich mich im Zeitlupentempo herumdrehte und aufrichtete. Er war etwas zurückgetreten und zielte mit meinem eigenen Peacemaker auf mich. In der linken Faust hielt er seinen Armeecolt. Sein Gesicht war verkniffen, das rabenschwarze Haar hing ihm bis zu den Brauen, sein schwarzer Bart spross. Aber wir alle sahen verwildert und abgerissen aus.
„Du musst verstehen, Carringo, dass ich nichts riskiere. Ich nehme dir nur eine Entscheidung ab. Es wär‘ dein Tod, wenn du dich auf seine Seite schlägst.“
Die aufgehende Sonne leuchtete die Senke aus. Es war ein glasklarer Wüstenmorgen, und das Schweigen der Gila kam mir in diesen Sekunden noch abgrundtiefer vor als sonst. Ich löste den Blick von Meritt. Donovan kniete sechs Schritte schräg von mir. Die Feldmütze lag vor ihm. Aus einer Platzwunde an seiner rechten Schläfe sickerte ein Blutrinnsal auf seine stoppelige Wange. Seine Colttasche war leer. Kirby stand mit dem Spencer-Karabiner hinter ihm. Der junge, stämmige Soldat schien sich alles andere als wohl in seiner Haut zu fühlen. Aber für einen Rückzieher war‘s jetzt zu spät. Hart umkrampften seine Fäuste das Gewehr. Ich begegnete Donovans Blick, aber er schien durch mich genauso hindurchzusehen wie durch Meritt.
„Was, zum Teufel, habt ihr vor?“, fragte ich scharf.
Meritt lächelte plötzlich auf eine Art, dass ich fror. „Bull hat gestern seine Chance gehabt. Er hätte nur zu ziehen brauchen. Verdammt will ich sein, wenn ich mich von ihm auch nur mehr einen Tag lang für seine verrückten Pläne einspannen lasse! Clinton in die Wüste locken, was? Clintons Bande das Handwerk legen, zu viert, ohne Rücksicht auf Verluste, wie? Ohne mich, Carringo! Ohne Dave! Und wenn du noch ein Quäntchen Grips unter deinem Skalp hast, Muchacho, dann auch ohne dich.“
„Du solltest besser wissen als ich, Meritt, was die Armee mit Meuterern und Deserteuren anfängt.“
Meritts Lächeln wurde noch eine Spur rissiger. „Wo kein Ankläger ist, Carringo, da gibt‘s auch keinen Angeklagten.“
Das war deutlich. Ich hatte ein Gefühl wie von einem Bleiklumpen im Magen. „Noch kannst du‘s dir aussuchen, Carringo, ob du mit uns reiten oder bei Bull bleiben willst“, redete er weiter. „Wir lassen ihn hier. Er bekommt seine Waffen, seine Wasserflasche, aber kein Pferd.“
„Wenn du das wirklich im Sinn hast, dann kannst du ihn auch gleich erschießen!“, stieß ich hervor. „Eine Kugel ist immer noch fairer als …“
„Nicht für ihn!“, unterbrach Meritt mich heftig. „Ich hab doch gesagt, er hat gestern seine Chance gehabt! Nun soll er mal zeigen, wie hart er wirklich ist! Er schreckt ja vor nichts zurück, nicht vor Clinton, nicht vor der verdammten Wüste!“
„Und du?“ Ich ballte die Fäuste und versuchte meinen Zorn, meine Verzweiflung hinunterzuwürgen.
Ein Kerl, der dazu fähig war, einen Mann zu Fuß in der Gila auszusetzen, würde ja doch auf keinen Vorwurf hören. Ich hätte es ihm nicht zugetraut. Vielleicht war es die Wüste, die ihn so reagieren ließ. Hier gediehen alle menschlichen Empfindungen bis ins Extrem, Angst, Verzweiflung ebenso wie Hass. Hier draußen, wo der Blick sich im Unendlichen verliert und Hitze und Einsamkeit wie Gift ins Gehirn dringen, kommt ein Mensch manchmal auf die verrücktesten Ideen. Eine Lappalie reicht da schon aus, dass aus Partnern Todfeinde werden. Ich hatte es schon selbst erlebt. Und ich hatte Männer gesehen, die nur mehr als Schatten ihres früheren Ichs aus der Hölle der Wüste zurückgekommen waren.
Meritt trat noch mehr zurück, einen Colt auf mich, den anderen nun auf Donovan gerichtet. „Ich hab lange genug gewartet, dass Bull seine Rechnung bezahlt. Ich seh‘ schon, Carringo, es ist besser, du bleibst bei ihm.“
Mir war, als müsste ich an meiner Hilflosigkeit ersticken. „Geh zum Teufel!“, keuchte ich. Mein Blick schnellte zur Kirby. „Verdammt, wie kannst du dich bloß zu so was hergeben, Junge? Ist dir klar, dass du …“
„Hör nicht auf ihn, Dave!“, schnitt Meritt mir den Satz ab. „Sie haben es beide so gewollt! Geh jetzt, bring die Pferde her! Clinton und seine Schießer sind bestimmt wieder unterwegs. Ich pass schon auf die zwei auf.“
Kirby ließ das Gewehr sinken. „Neal, wir könnten doch auch …“
„Die Pferde, verdammt noch mal!“, zischte Meritt. „Du kannst jetzt nicht anfangen, dir dies und jenes zu überlegen! Das hättest du früher tun sollen! Reiß dich zusammen, Mann! Geh schon!“
Kirby vermied meinen Blick. Zögernd setzte er sich in Bewegung. Die Pferde waren schon die ganze Zeit unruhig. Sie schnaubten und stampften. Aber ich war so auf Meritt konzentriert, dass ich zu spät merkte, was los war. Kirby wollte gerade um einen Felsblock herum. Plötzlich stieß er einen markdurchdringenden Schrei aus.
Als er zurückprallte, sah ich etwas Dunkles, das wild peitschend an seinem linken Bein hing, sich im nächsten Moment löste und über seine Stiefel wegglitt. Eine armdicke, ausgewachsene Klapperschlange. Die Nachtkälte hatte sie wahrscheinlich in unser Camp getrieben. Sie hatte sich in einer der Decken verkrochen gehabt. Nun wand sie sich wie eine Spirale. Ihr flacher Dreiecksschädel bog sich zum nächsten Biss zurück.
Kirbys Schrei hatte Meritt herumgerissen. Sein Colt brüllte. Er jagte eine Kugel nach der anderen hinaus, und jede traf. So hatte ich sonst nur Revolver-Profis feuern gesehen. Die Schlange wurde regelrecht zerfetzt.
Kirby hatte seinen Karabiner verloren. Kreidebleich, irres Entsetzen in den aufgerissenen Augen, rutschte er an dem Felsblock nieder, gegen den er getaumelt war. Er presste eine Hand auf den linken Oberschenkel. Seine blutleeren Lippen bewegten sich lautlos.
Ich war noch halb taub vom Schmettern der Schüsse. Pulverqualm umschleierte Meritts drahtige Gestalt. Plötzlich war Donovan bei ihm. Meritt hatte noch einen geladenen Revolver. Bevor er jedoch herumwirbeln und nochmals abdrücken konnte, lag er am Boden. Der Hüne stürzte sich auf ihn. Fassungslos starrte Kirby auf die Szene.
Ich lief zu ihm, kniete bei ihm nieder. Panik war in seinen Augen. Er schwitzte. Ich musste alle Kraft aufbieten, damit ich seine Hand vom Oberschenkel wegbrachte. „Lass mich sehen, Junge!“
Ich hatte noch das Bowiemesser in meinem rechten Stiefelschaft. Damit schnitt ich das verstaubte Hosenbein auf. Die beiden winzigen roten Löcher in seinem Oberschenkel sahen eigentlich recht harmlos aus, wie Nadelstiche. Die Haut begann sich zu röten. Ich schluckte, als ich sah, wie tief die Giftzähne der Schlange eingedrungen waren. Kirby zitterte. Es war der Schock. Als er sprechen wollte, brachte er nur ein Lallen heraus.
„Das kriegen wir schon“, versuchte ich ihn zu beschwichtigen. Bevor er begriff, was ich vorhatte, war schon alles vorbei: Ein Schnitt mit dem Bowiemesser ließ sein Blut fließen. Er schrie wieder, bäumte sich auf, schlug nach mir. Aber ich packte ihn und hielt ihn fest.
Es dauerte nur Sekunden, dann erschlaffte er. Ich erkannte die Angst in seinen Augen. „Werde ich sterben, Carringo?“
„Unsinn!“, brummte ich, musste aber den Blick senken, weil ich sah, dass er mir nicht glaubte. Ich ließ ihn bluten. Verzweifelt hoffte ich, dass das Gift herausgeschwemmt wurde. Ich hatte vergessen, dass er vor ein paar Minuten noch bereit gewesen war, Donovan und mich der Wüste und der Clinton-Bande auszuliefern.
Donovan brachte Verbandszeug. Jetzt erst dachte ich wieder an Meritt. Er hockte im Staub. Seine rechte Wange war aufgeschürft. Donovan hatte ihn mit seinem Kavallerie Halstuch gefesselt. Keiner von uns sprach. Kirby atmete stoßweise, während der Sergeant ihn verband.
Nach einer Weile stand Donovan auf.
„Wir müssen weiter!“, entschied er rau. „Wenn Clinton uns hier erwischt, sind wir erledigt. Zu viel Deckung. Die Kerle werden zu schießen anfangen, bevor wir auch nur eine Haarspitze von ihnen gesehen haben. Tut mir leid, Dave. Aber wenn du die Zähne zusammenbeißt, schaffst du‘s schon.“
Kirby blickte erschrocken auf mich. Hoffte er, dass ich Donovan widersprechen würde? Im Grunde wusste er ebenso wie ich, dass der Sergeant recht hatte. Trotzdem gefiel es mir nicht. Kirby hätte ruhen, liegen müssen. Der Ritt würde ihn zusätzlich schwächen, das Gift sich noch schneller in ihm ausbreiten. Ich half ihm hoch, und ich half ihm auch in den Sattel. Jetzt schien er schon darüber froh zu sein, dass wir ihn nicht im Stich ließen.
Donovan sammelte die Waffen ein, ohne Meritt zu beachten. Er überließ es Meritt, ob er sich uns anschließen wollte. Der Corporal hatte keine Wahl. Das Los, das er Donovan zugedacht hatte, schreckte ihn. Er kam uns nach, als wir die felsige Mulde verließen. Wie auf Kommando spähten wir alle nach Süden. Keiner war überrascht: Die Staubwolke war wieder auf unserer Spur. Wenn es nach Donovan ging, würde sie da auch noch morgen und übermorgen sein. Ich schätzte die Entfernung auf knapp vier Meilen, und das war nicht viel. Sie hatten sich verdammt angestrengt. Jede Minute, die wir jetzt noch verloren, war ein Pluspunkt für sie.
„Abteilung – vorwärts!“ Das klang wie Hohn, wenn ich unser verlorenes Häuflein so anschaute. Aber nichts lag Donovan ferner. Entschlossen trieb er sein Pferd nach Nordwesten.