Читать книгу Showdown unter Banditen: Super Western Bibliothek 10 Romane - Pete Hackett - Страница 26

Wer auf Cutlers Liste steht Ein Western von Jasper P. Morgan

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IMPRESSUM

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© Roman by Author / Cover 2019: Tony Masero

Redaktion und Korrektorat: Alfred Wallon

© dieser Ausgabe 2019 by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

**

Sie waren zu dritt. Drei Brüder, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können...

Bradford Deakon war der Älteste. Ein habgieriger und gefühlloser Schuft, dem ein Menschenleben nichts bedeutete.

Sein Bruder Dean, der Messerspezialist, war nur wenig jünger, doch genauso grausam.

Und Clyde Deakon, der Hüne mit der Kraft eines ausgewachsenen Bullen. Er war ein Zauberer mit Gewehr und Revolver...

Es bedurfte schon eines besonders tapferen Helden, um diesem Trio des Teufels das Handwerk zu legen. Eines Mannes wie John Cutler!

Sie waren da!

John Cutler sah und hörte sie nicht, aber sein Gefühl für die Gefahr hatte ihn selten getrogen. Sein Blick glitt über die Stallwände. Im Dämmerlicht flirrten Staubpartikel durch die Luft.

Ein Pferd schnaubte. Ein anderes scharrte mit dem Huf auf dem Boden.

Er zog den Sattel vom Rücken des Falben und schleppte ihn zu einem Holzgestell.

Ein Brett knarrte fast unhörbar.

Er legte den Kopf schief, lauschte. Er hatte die Augen nach oben gerichtet, zum Heuboden. Strohhalme und Staub rieselten durch die Ritzen herab.

Der große Mann strich sanft über den Hals des Pferdes und flüsterte dem Tier beruhigend ins Ohr. Seine Hand kroch zum Revolver, schob ihn nach vorn und lockerte ihn im Holster.

Betont lässig lehnte er sich gegen einen Stützbalken und zog sein Rauchzeug aus der Tasche.

Die Pferde stellten die Ohren auf und hoben die Köpfe.

Eine schmale Tür an der Rückseite des Mietstalls flog auf und knallte gegen die Wand, dann brach die Hölle los!

Deutlich zeichneten sich die Umrisse eines stämmigen Mannes im Türrahmen ab. Cutler konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber die Waffe in seiner Hand blinkte matt.

Im nächsten Augenblick stachen grelle Mündungslichter durch das Halbdunkel. Ohrenbetäubend donnerten die Schüsse durch den Stall.

Die Pferde wieherten schrill und hieben mit den Hufen gegen die Wände ihrer Boxen. Holzsplitter regneten auf Cutler herab. Er war an dem Stützbalken entlang nach unten gerutscht und erwiderte sofort das Feuer.

Er überzeugte sich nicht davon, ob seine Kugeln ihr Ziel gefunden hatten.

Dazu hatte er auch gar keine Zeit, denn vom Eingang des Stalles klangen hastige Schritte.

Cutler kippte zur Seite, wälzte sich auf den Rücken und feuerte über sein Gesicht hinweg auf den anstürmenden Gegner. Mitten im Lauf wurde der Hombre von zwei, drei Kugeln gestoppt, reckte sich auf die Zehenspitzen und brach zusammen.

»Das waren zwei«, zählte Cutler mit und kroch in die Deckung einer Box. Hastig fingerte er Patronen aus den Schlaufen an seinem Revolvergurt.

Er hatte gerade zwei Kammern des 38ers nachgeladen, als das Bleigewitter über ihn hereinbrach!

Winchesterkarabiner wummerten auf. Die Geschosse hieben über und neben ihm in das Holz der Boxen und brachten die Pferde schier um den Verstand.

Cutler drehte sich um und starrte auf den Pferdehuf, der auf seinen Kopf zuraste.

In letzter Sekunde ließ sich der große Mann flach auf den Boden fallen.

Haarscharf wischte der Huf über seinen Kopf hinweg und knallte gegen die Boxenwand. Ein zweiter Hieb knallte dicht neben seinem Hals auf den Boden und wirbelte ihm Staub ins Gesicht.

Cutler huschte unter dem Hals des Tieres hindurch, gelangte auf die andere Seite der Box und lugte über den Rand nach den Schützen.

Sofort duckte er sich wieder, als Projektile ins Holz hackten.

Er saß in der Klemme. Die Kerle konnten sich seelenruhig auf ihn einschießen. Irgendwann würden die Kugeln durch die Holzwände dringen und ihn durchsieben.

Cutler lehnte sich gegen die Wand, schob den Hut in den Nacken und überlegte.

Das Pferd tänzelte aufgeregt vor ihm herum. Er musste höllisch aufpassen, dass ihm die Hufe nicht die Beine, die Rippen oder die Hoden zerschmetterten.

Die Knallerei hatte aufgehört. Offenbar warteten die Hombres darauf, dass er sich blicken ließ. Aber er dachte nicht daran. Neugier hatte schon zu viele Katzen das Leben gekostet, wie ein altes Sprichwort besagte.

»Komm raus, Großer, oder wir holen dich!« Die Worte verklangen, dicht gefolgt von angestrengtem Husten.

»Hättest lieber zum Doc gehen sollen, als hier rumzuballern«, raunte Cutler. »Aber den Weg kannst du dir jetzt sparen. Ich hab genau die richtigen Pillen für dich.«

Mit diesen Worten kam Cutler hoch, hieb dem Pferd auf die Kruppe, klammerte sich an der Mähne fest und schwang die Beine nach vorn. Er wurde von dem Schwung des erschreckten Tieres mitgerissen. Seine Stiefel trafen die halb offene Tür der Box und stießen sie auf.

Die Killer hielten ihre Gewehre schussbereit, bekamen jedoch nur ein Pferd zu sehen, das mächtig viel Staub aufwirbelte und sich wie wild gebärdete.

»Vorsicht!«, brüllte der heisere, vom Husten geplagte Kerl über das Wiehern und das Hufgetrappel. »Das ist ein Trick!«

Cutler lag auf den Knien und feuerte rasend schnell. Noch im Vorwärtsfallen sah er, wie sich einer der Gewehrschützen zusammenkrümmte.

Der Hammer des 38ers fiel mit lautem Klicken auf eine leergeschossene Patronenhülse. »Shit!«, zischte Cutler, auch deshalb, weil er hinter sich das drohende Ratschen hörte, als die Winchester durchgeladen wurde.

Er fuhr herum, entdeckte einen Wassereimer und versetzte ihm einen Tritt. Der Eimer wirbelte durch die Luft und prallte dem Heiseren genau auf den Gewehrlauf.

Der Schuss klang gedämpft. Ein gewaltiges Loch wurde in den Boden des Eimers gefetzt. Die Kugel schrammte anschließend über einen Deckenbalken.

Noch zwei Gestalten erschienen mit gezückten Waffen im Stall.

»Wo haben Sie euch denn rausgelassen?«, wollte Cutler wissen. Irgendwö dröhnte eine Schrotflinte. Gehackter Rehposten schwirrte wie ein Schwarm Hornissen über Cutlers Kopf hinweg, fegte ihm den Hut herunter und versah die umliegenden Wände mit einem hässlichen Lochmuster.

»Damit krieg ich ihn!«, ließ sich eine piepsende Stimme vernehmen. »Mit dem Ding verarbeite ich ihn zu Schweinefutter!«

»Nicht doch. Die Viecher verderben sich an mir nur den Magen.«

Cutler war mit zwei langen Schritten bei dem heiseren Hombre, der immer noch verdattert auf sein Gewehr und den durchlöcherten Eimer starrte, und riss ihn mit einem wuchtigen Schwinger hintenüber.

Die Winchester landete polternd auf einem Brett, das quer über einem dreibeinigen Schemel lag.

»Verdammt!«, entfuhr es Cutler. Er hatte es eigentlich auf das Gewehr abgesehen gehabt, da sein Revolver ja leergeschossen war.

Die beiden Schurken im Stall grienten breit. Er konnte ihre Zähne im Dämmerlicht schimmern sehen. Sie kamen von zwei Seiten näher und hoben ihre Revolver. Er konnte ihnen nicht entgehen. Wie eine Ratte saß er in der Falle!

Als sie die Hämmer ihrer Colts zurückbogen, ließ er seinen Fuß auf das Ende des Bretts niedersausen.

Die Winchester wurde hochgeschleudert, wirbelte durch die Luft.

Die Schießer verfolgten ungläubig den Flug des Karabiners.

Cutler fing die Waffe mit der Rechten auf, fiel zurück und jagte rasend schnell seine Schüsse hinaus. Er traf einen der Killer, der im Reflex seine beiden Revolver gleichzeitig abfeuerte und seinen Kumpan erschoss, ehe er selbst in die Knie brach und starb.

Langsam stand Cutler auf und klopfte sich den Staub von der Hose. Als er sich bückte, um seinen Hut aufzuheben, donnerte die Schrotflinte erneut, und Rehposten hagelte auf ihn nieder.

»Ich bin noch da, Söhnchen!«

»Ist nicht zu überhören!«

Cutler wieselte an den Boxen vorbei und ließ die anderen Pferde frei. Für den Mann auf dem Heuboden bot er nun ein zu schlechtes Ziel. Außerdem musste der Hombre erst nachladen.

Cutler rannte mit den Pferden mit, bekam einen Schlag gegen die Schulter und wurde gegen eine Leiter geschleudert, die nach oben führte. Die Winchester wurde ihm dabei aus der Hand geprellt.

Er fing sich an einer Sprosse ab, kletterte hastig empor und sah sich einem bulligen Kerl gegenüber, der verzweifelt mit der Schrotspritze herumfummelte.

Als die Doppelläufe hochschwenkten und direkt auf Cutlers Kopf deuteten, durchfuhr ihn ein eisiges Gefühl. Er wusste, dass ihm die Schrotladungen glatt den Schädel von den Schultern fetzen würden.

Er ließ sich einfach fallen. Keinen Sekundenbruchteil zu früh.

Beide Läufe dröhnten gleichzeitig.

Er klammerte sich an der Leiter fest und hörte, wie die Bleikörner hinter und über ihm gegen das Holz prasselten.

Hastig kletterte er wieder nach oben. Der Bullige stierte ihn verdutzt an, klappte die Bleispritze auf und lud nach.

Cutler schaute sich nach einer Waffe um und ergriff den langen Holzstiel, der ihm aus einem Strohballen entgegenragte.

Der Hombre legte auf ihn an und gab ein ersticktes Gurgeln von sich, denn in der Bewegung hatten sich die blanken Zinken der Heugabel in seinen dicken Hals gebohrt.

Die Flinte entfiel seinen zuckenden Fingern. Er streckte beide Arme nach Cutler aus, taumelte und umklammerte den Schaft der Gabel.

»Du verdammtes Aas!«, brüllte der Heisere von unten.

Cutler bekam den röchelnden Gegner zu packen und schob ihn vor sich her.

Schüsse bellten auf. Kugeln hieben in den rundlichen Körper, hinter dem sich Cutler verbarg. Der bullige Killer wurde durchgeschüttelt. Cutler versetzte ihm einen Stoß, der ihn über den Rand des Heubodens beförderte.

Der Heisere schrie gequält, als ihm sein Kumpan entgegenfiel. Er blickte genau in die Doppelmündung der Rehpostenflinte, als er sich nach Cutler umschaute. Er schluckte und hustete.

»Wärst doch besser zum Doc gegangen, Hombre ...«

Der Schießer brachte den Colt hoch und wurde von einem neuen Hustenanfall geschüttelt. Zum letzten Mal in seinem Leben, denn der Husten ging im Donnern der Büchse unter …

*

Cutler hatte den Mietstall längst verlassen, als sich eine Menschenmenge vor dem Gebäude einfand. Zaghaft drückte der Knecht, der aus dem Saloon geholt worden war, die knarrende Stalltür auf.

Aus dem Halbdunkel schälte sich die wankende Gestalt eines Mannes. Er hielt einen Colt locker in der Hand und stützte sich keuchend am Türrahmen ab.

»Er hat uns alle ...«, brachte er mühsam über die Lippen. Ein Blutschwall verhinderte, dass er den Satz beenden konnte. Langsam rutschte er zu Boden und regte sich nicht mehr.

Cutler hatte inzwischen einen Barbierladen am anderen Ende der Stadt aufgesucht.

»Sie haben es aber nötig, Mister«, meinte der Barbier, dessen pomadisiertes und sorgfältig in der Mitte gescheiteltes Haar wohl als Reklame für seine Fähigkeiten herhalten sollte. »Sie haben Glück. Das Wasser ist heiß, und Sie haben die Badestube für sich. Soll ich Ihnen auch die Haare schneiden und Sie rasieren?«

»Später.«

Cutler begab sich schnurstracks in den Anbau, der durch eine schmale Seitentür zu erreichen war. In dem Raum befanden sich drei große Zuber, allesamt mit dampfendem Wasser gefüllt. In einer Ecke bullerte ein gewaltiger Heizkessel. Von dort konnte immer wieder heißes Wasser nachgefüllt werden.

Der große Mann pellte sich aus seiner verschwitzen, staubigen Kleidung und stieg seufzend in den Bottich, der dem Kessel am nächsten stand. Aufatmend ließ er sich in die heiße Brühe sinken. Die Zehen und den Kopf legte er auf den Zuberrand und schloss die Augen, um sich zu entspannen.

Der Pomadenfritze wieselte geschäftig um ihn herum, legte Handtücher bereit und bot ihm eine völlig überteuerte Zigarre an. An Cutlers grimmigem Gesichtsausdruck las er schließlich ab, dass es besser für ihn war, sich zurückzuziehen.

Leise Schritte näherten sich dem Baderaum. Sie wurden vom Brodeln des Wassers im Kessel überlagert und waren deshalb kaum zu hören.

Dafür klang das metallische Klicken umso lauter, als der Hammer eines schweren Revolvers zurückgebogen wurde.

»Was ist denn jetzt noch?«, nuschelte Cutler. »Ich dachte, hier könnte man in Ruhe baden.«

»Tun Sie sich keinen Zwang an, Mister.«

Cutler öffnete ein Auge und blickte in die dunkle Mündung des 44ers. Dahinter erkannte er eine feine Tuchjacke, ein weißes Hemd, eine ordentlich gebundene Krawatte, eine schwarze Nadelstreifenweste, über deren unteres Drittel eine goldene Uhrkette verlief, und den Mann, der in diese Klamotten steckte.

Er war groß, breitschultrig und hatte dunkle Augen unter buschigen Brauen. Er mochte etwa vierzig sein. Der dichte, mit grauen Strähnen durchzogene Vollbart und die Falten in den Augenwinkeln ließen ihn älter erscheinen, als er war.

Cutler paffte dem bärtigen Hombre eine Wolke bläulichen Zigarrenrauchs entgegen. »Ich ziehe es vor, mir meine Gesellschaft beim Baden selbst auszusuchen, Mister. Wenn überhaupt, kommt nur eine Lady in Frage.«

»Soll ich ihm eine aufs Maul geben, Boss?«

Die Frage war von einem jungen, rothaarigen Burschen gestellt worden, der sich hinter Cutler aufgebaut hatte.

»Aber Willie, wir wollen unsere Gäste doch zuvorkommend behandeln«, erwiderte der Bärtige mit leisem Tadel. »Er wird in Ruhe sein Bad beenden, und dann wird er uns eine Weile Gesellschaft leisten.«

»Stimmt nur zum Teil, Mister. Ich bleibe nicht lange genug, um Ihre Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen.«

Das Gesicht des Bärtigen verfinsterte sich. »Da, wo ich herkomme, beleidigt man einen Gentleman, wenn man seine freundliche Einladung ablehnt. Sie wollen mich doch nicht beleidigen, oder?«

»Muss ja ’ne komische Gegend sein, wo man dem Gast mit dem 44er vor dem Gesicht rumfuchtelt.«

»Philadelphia, Pennsylvania. Aber ich habe längere Zeit in den höchsten Bostoner Kreisen gewirkt, Mister. Man kann sagen, ich bin ein Bostonian.«

»Schön für Sie. Was man von dem Bürschchen hinter mir nicht behaupten kann. Wo haben Sie den denn aufgelesen? Auf einer Schweinemastfarm im Osten?«

Willie lief vor Wut bis zu den abstehenden Ohren rot an. Er fluchte unterdrückt und zückte ein dickes Taustück, das ihm als Schlagstock dienen sollte.

Cutler richtete sich ein wenig auf und schlug dem Bärtigen vor die Brust, dass er nach hinten getrieben wurde und gegen den Heizkessel stieß.

Während der Hombre aus Boston gellend aufschrie, wirbelte Cutler herum, schüttete Willie einen Schwall Seifenlauge ins Gesicht, bekam ihn zu packen und steckte seinen Kopf unter Wasser. Willie gurgelte und schlug um sich, ohne Cutler jedoch zu treffen.

Der große Mann ließ erst von Willie ab, als hinter ihm der Bärtige heranstürmte. Den beförderte er mit einem einzigen Hieb wieder zurück. Der Bärtige krachte gegen den Ofen und verbrannte sich die Hand. Er schrie wie am Spieß.

Cutler griente Willie an, der sich aufrichtete und nach Luft schnappte.

Willie schüttelte flehend den Kopf.

Cutler nickte.

Willie riss Mund und Augen weit auf, als sich Cutlers Hand in seinen hellroten Haarschopf wühlte und ihn wieder unter Wasser drückte. Erst als Willies Bewegungen langsamer wurden, ließ Cutler von ihm ab

»Ich hasse es, dass man im Westen immer Gewalt anwenden muss, um sein Ziel zu erreichen. Die Menschen hier sind halsstarrig und unvernünftig. Ich hätte in Boston bleiben sollen!«

Bevor Cutler den Sinn der Worte erfassen konnte, traf ihn ein harter Hieb im Nacken. Ein zweiter Schlag folgte und ließ ihn in die Knie sinken.

Der Bärtige schlug ein drittes Mal zu, um Cutler jegliches Interesse an seiner Umgebung zu nehmen.

»Schaffen wir ihn raus, Willie.«

Der Rotschopf konnte es sich nicht verkneifen, Cutlers nackten Körper anzuspucken, als er ihn zur Tür schleifte.

»So doch nicht, Willie. Die Ladies auf der Straße kippen ja reihenweise um, wenn sie ihn so sehen.«

Er ging nach draußen, kehrte gleich darauf mit einer Barbierschürze zurück und schlang sie um Cutlers Hüften. »Das dürfte genügen. Ab mit ihm!«

Willie keuchte unter dem Gewicht des großen Mannes.

»Sie bringen später seine Kleider«, wies er den Bärtigen an, als er auf den Barbier traf. Er nahm Cutler die angerauchte Zigarre aus dem Mund, roch daran und warf sie in den Zuber. »Ich bin Besseres von Ihnen gewöhnt. Bringen Sie ein paar von diesen Kubanischen mit, die Sie aus Key West kommen lassen.«

Genüsslich paffend betrachtete er Cutler, als dieser wieder zu sich kam.

»Komische Umgangsformen habt ihr in Boston.« Cutler rieb sich den schmerzenden Nacken.

»Wir Leute aus dem Osten sind sehr friedliebend, Mister. Zumindest legen wir nicht reihenweise Männer um, wenn wir in eine fremde Stadt kommen - und gehen dann baden, als sei nichts geschehen.«

Nun erst bemerkte Cutler die dicken Gitterstäbe, die ihn von dem Bärtigen trennten. Er schaute sich um und stellte fest, dass er in einer Gefängniszelle saß.

Der Bärtige stand auf und ging zu seinem Schreibtisch. »Ich vergaß, mich vorzustellen. Verzeihen Sie meine Unhöflichkeit. Und ich versäume hin und wieder, dieses Ding zu tragen. Na, ich werde mich schon daran gewöhnen. Bin noch nicht lange in diesem Job.«

Er drehte sich zu Cutler um. Auf seiner Brust blitzte ein Blechstem.

»Gregory B. Mortimer. Sheriff von Rosebud, Idaho. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«

*

Dean stand gegen den Stamm eines Ahornbaumes gelehnt und ließ einen Daumen über die Schneide seiner Machete gleiten. Das Messer wirkte beinahe wie ein Schwert. Die Klinge war beidseitig geschliffen. Dean war ein Meister im Umgang mit der gefährlichen Waffe.

Der hünenhafte Clyde übte etwas abseits mit den beiden 45er Colts, die er tiefgeschnallt trug. In seinen großen Händen wirkten die Revolver wie Kinderspielzeuge. Virtuos fingerte er sie aus den sorgfältig gefetteten Holstern, ließ sie herumwirbeln, warf sie hoch und fing sie hinter seinem Rücken wieder auf. Er war rasend schnell, was man ihm niemals zugetraut hätte.

»Zeig mal, was du mit dem Gewehr drauf hast, Kleiner. Das gefällt mir besonders gut«, forderte Dean.

Clyde holsterte die Colts und stand mit zwei, drei gewaltigen Sprüngen vor seinem Bruder. Seine Hand legte sich um Deans dürren Hals. »Ich breche dir deine dürren Knochen wie dünne Zweige, du Klappergestell!« Clydes Stimme war hoch, wo man eigentlich ein dumpfes Rumpeln erwartet hätte. »Wenn du mich noch mal Kleiner nennst, schiebe ich dir deinen Kartoffelschäler in den Rachen, dass er dir beim Hintern wieder rauskommt!«

Deans bleiches, von tiefen Furchen durchzogenes Gesicht färbte sich langsam dunkel. Er sackte zusammen, was Clyde wiederum dazu veranlasste, verwirrt zu blinzeln.

Dean stieg ihm auf die Zehen, rammte ihm beide Fäuste in den Unterleib und erreichte, dass sich der Würgegriff lockerte. Wieselflink befreite er sich und schnitt mit dem Hackmesser durch die Luft.

»Komm, Kleiner, versuch’s! Ich schneide dich in Scheibchen, du plattfüßiges Scheusal! Mit deinen Fingern fange ich an, dann nützen dir deine Schießeisen überhaupt nichts mehr!«

Clyde stieß ein röhrendes Wutgeheul aus und stürzte sich auf seinen hageren Bruder. »Aufhören!«

Bradford Deakon hatte sich ihr Ziel durch einen Feldstecher betrachtet und kam nun mit weit ausgreifenden Schritten herbeigestampft. »Verdammt, kann man euch denn nicht fünf Minuten allein lassen, ohne dass ihr euch gegenseitig massakriert?«

»Er hat angefangen!«, verteidigte sich Clyde. »Er hat mich ...«

»Schnauze, Kleiner!«

»Du bist auch nicht viel besser als dieses Mistschwein.«

Bradford wirbelte herum und stierte Clyde wütend an. »Du sollst dein verdammtes Maul halten, Klei ...!«

Zwei tellergroße Pranken schossen vor und packten Bradford am Kragen. Clyde zerrte seinen Bruder zu sich heran, bis kaum eine Hand zwischen ihre Gesichter gepasst hätte. »Ich bin nicht klein!«, brüllte er.

Bradford schloss angewidert die Augen. Der stinkende Atem des wuchtigen Kerls war kaum zu ertragen. Clyde schüttelte Bradford so kräftig durch, dass dessen Zähne klapperten.

»Schon gut. Werd dran denken!«

»Hoffentlich.«

Clyde ging zu seinem Pferd und zog eine Winchester aus dem Sattel. Es war nicht der allgemein gebräuchliche Karabiner, sondern eine langläufige Flinte. Hell blinkte der Lauf in der Sonne. Clyde ließ die schwere Waffe kreiseln, repetierte geschickt mit einer Hand, brachte sie aus allen möglichen und unmöglichen Stellungen heraus in Anschlag.

»Ist der Kleine nicht wunderbar?«, fragte Dean leise und rieb sich die schmerzende Gurgel.

Ein derber Schlag traf ihn am Kinn. »Wenn du nicht aufhörst, ihn zu reizen, dreht er dir wirklich mal die Luft ab.«

Deans Augen funkelten kampfeslustig. »Soll er mal versuchen. Er kommt nur so nahe an mich ran, wie ich ihn lasse!«

»Das haben wir ja gerade gesehen. Er nimmt dir deinen Zahnstocher weg, bevor du überhaupt weißt, was passiert. Pack lieber unser Zeug zusammen, anstatt hier große Töne zu spucken. Es geht los.«

Dean ließ die Machete in eine Lederscheide gleiten, die er am linken Schenkel befestigt hatte, und rollte die Decken zusammen.

Gleich darauf sammelte Bradford seine Brüder um sich. Vor ihnen erstreckte sich eine weite Senke, durch die eine breite, gewundene Wagenstraße führte. Beide Seiten des Weges waren mit Bäumen und Buschwerk bewachsen. Weiter hinten erstreckte sich ein kleinerer Hügel, über den die Straße in die Senke führte. Dahinter begann flaches Land mit ausgedehnten Salbeifeldern und Blaugrasflächen, das aber für die Deakon-Brüder uninteressant war.

An einer Stelle, wo die Straße eine weite Kurve beschrieb, befand sich eine kleine Ansiedlung, die aus drei Gebäuden und einem großen Corral bestand. Dort war eine Wechselstation für die Postkutsche un d ein kleineres Frachtwagendepot untergebracht.

»Wird Zeit, dass die Leute in Billings mal wieder was von uns zu hören kriegen. Könnten sonst denken, es gibt uns nicht mehr!«, brummte Bradford und zog sich in den Sattel seines kurzbeinigen Falben.

»Machen wir es wie immer?«, wollte Clyde wissen.

»Klar doch.«

Sie ritten gemächlich den Hang hinunter. Vor den Gebäuden fächerten sie auseinander. Bradford schob die Schöße seines schmutzig-gelben Staubmantels nach hinten.

»Kann ich was für Sie tun, Gents?« Der Stationsverwalter war aus dem Haus getreten und stützte sich auf das Geländer der Veranda. »Wenn Sie Ihre Pferde tränken und füttern wollen, müssen Sie rüber zum Corral. Etwas zu Essen bekommen Sie im Haus.«

»Wir sind nicht hungrig«, gab Clyde von sich.

»Sie können sich auch ausruhen.«

»Geld.«

Der Stationsverwalter blinzelte. »Wie bitte?«

»Mein Bruder meint, Sie wären so nett und händigen uns alles Geld aus, das Sie auf der Station haben.«

Die Augen des Verwalters zogen sich ärgerlich zusammen. »Da irrt er sich aber gewaltig, Mister. Wenn das ein Scherz sein soll ...«

»Ist es nicht, Mister. Es ist uns durchaus ernst.«

»Verschwinden Sie, bevor ich ungemütlich werde.«

»Dazu besteht keine Veranlassung, Sir. Regen Sie sich nicht auf. Das schadet der Gesundheit. Wie leicht kann man daran ...« Er zog den Revolver und jagte dem Verwalter drei Kugeln in die Brust, »... sterben«, vollendete er skrupellos. »An die Arbeit, Jungs!«

Das Trio des Teufels fiel über die Stationsgebäude her. Clyde stampfte wie eine Nemesis durch die Häuser. Wer sich ihm in den Weg stellte, wurde über den Haufen gerannt.

Schüsse krachten. Clyde gebärdete sich wie ein Wahnsinniger. Verprügelte und erschoss Unbeteiligte.

Bradford überließ es dem Hünen, nach Geld und Wertgegenständen zu suchen. Der »Kleine« hatte ein besonderes Gespür für Verstecke entwickelt. Kaum ein Safe war ihm gewachsen. Er griff nur im äußersten Notfall zu Sprengstoff. Meist genügte es, das Schloss mit der bloßen Faust aus der Tür zu reißen. Die Mehrzahl der Tresore hielt nicht, was die Hersteller versprachen.

Der älteste Deakon feuerte auf alles, was sich im Hof bewegte und nicht sofort ergab. Auch auf Frauen ...

Aus dem Frachtwagendepot taumelte ein junger Mann, kaum zwanzig Jahre alt. Seine Hemdbrust war blutbesudelt. Dean hatte ihm das Gesicht grausam entstellt.

Der hagere Messermann sah sich im Inneren des Gebäudes drei Männern und zwei Frauen gegenüber. Als sie versuchten, an ihm vorbei zur Tür zu gelangen, setzte er seine Machete ein. Wie ein Wirbelwind sauste er zwischen ihnen herum und verpasste tödliche Streiche. Er drängte die Frauen ab und schlitzte zwei Männern den Bauch auf. Ein Irrer wie seine Brüder; alle drei mussten dringend aus dem Verkehr gezogen und vor Gericht gestellt werden.

Das Gemetzel dauerte nur wenige Sekunden. Blut war an die Wände und über den Boden gespritzt. Dean säbelte einer jungen Frau das Kleid vom Körper und wurde bei ihrem Anblick gleich zudringlich. Die Frau schrie in ihrer Panik. »Lassen Sie mich ...«

Clyde schleppte ein paar hundert Dollar aus dem Stationsgebäude. »Magere Auslese«, meinte er.

»Dean denkt wieder mal nur ans Vögeln«, wetterte Bradford. »Hol ihn her und tritt ihm in den Arsch. Ich will ihn hier draußen sehen, und zwar sofort!«

Der Hüne polterte in das Frachtgebäude. Dean wollte sich gerade über die Frau hermachen. Clyde versetzte ihm einen wuchtigen Tritt in den nackten Hintern. »Du wirst verlangt!«

Dean zerrte seine Hosen hoch und zückte die Machete. »Was erlaubst du dir, Kleiner?«

Ehe Dean die Absicht seines Bruders erkannte, wurde er bereits gepackt und flog in hohem Bogen durch die Luft. Er krachte durch ein Fenster und landete inmitten eines Scherbenregens auf dem Vorbau.

»Ich mach die Kanaille fertig!«, brüllte er und hetzte in das Haus zurück, wo ihm die beiden schreienden Frauen entgegenkamen.

Aber auch hinter der Balustrade des Obergeschosses tauchten zwei halbwüchsige Burschen auf, die alte Armeerevolver in den zitternden Händen hielten.

Dean zeigte sich nicht sonderlich beeindruckt. Eine Waffe krachte. Die Kugel sauste weit über ihn hinweg.

Der Schütze ließ die Machete flirren, sprang zwischen den beiden Frauen hindurch, ging in die Knie und zauberte zwei Messer unter seiner Jacke hervor. Im nächsten Augenblick sirrten sie durch die Luft und brachten den Tod mit ...

»Bring meine Messer mit, Clyde!«, rief Dean unterkühlt.

Das Trio des Teufels hielt sich nicht länger als nötig auf. Flammen schossen aus den Fenstern und Türen der Gebäude. Clyde hatte mehrere tausend Dollar aus dem Depot geholt und in den Satteltaschen verstaut.

Pech für die Schlächter war jedoch, dass eine Postkutsche um die Biegung ratterte, als die drei wahnsinnigen Gewaltverbrecher den Ort der Verwüstung verlassen wollten.

Der Kutscher erkannte die Situation sofort. »Überfall!«, brüllte er und hob die Schrotflinte.

In den Fenstern der Kutsche zeigten sich einige Revolver, die von beherzten Reisenden auf die Banditen gerichtet wurden.

Die Deakon-Brüder zögerten keinen Moment. Dean hielt eine Winchester, während Bradford und Clyde ihre Colts abfeuerten. Der Kutscher wurde durchsiebt. Auch aus der Kutsche ertönten Schreie.

Als die furchtbaren Drei davonpreschten, ließen sie in der Kutsche eine verängstigte Frau und einen verwundeten Armeeoffizier und auf der Station mehrere Tote und Verletzte zurück. Ihr Fluchtweg führte sie weit in die Berge von Montana. Auf verschlungenen, kaum sichtbaren Pfaden ritten sie zwischen zerklüfteten Felsmassiven entlang. Kalter Wind zerrte an ihrer Kleidung. Bradford hatte den Staubmantel enger um sich gezogen. Clyde hatte sich in eine pelzbesetzte Jacke gehüllt. Nur Dean schien den scharfen Wind nicht zu spüren.

»Hast wohl immer noch zu viel Hitze in dir, was?«, kam es von Bradford.

»Ich freu mich schon auf ein Schäferstündchen mit der drallen Lucy ...«

*

Tief in der Nacht trafen sie in einer kleinen Bergsiedlung ein, die nur aus einer Handvoll Hütten bestand. Der Wind pfiff um die Hausecken. Eine einsame Lampe schaukelte vor einem flachen, langgestreckten Gebäude.

Bradford stieß die Tür auf. Staub wehte mit ihm in den dunklen Raum. Clyde hatte die Lampe mit hereingebracht und stellte sie auf einen grob gezimmerten Schanktisch.

Eine üppige Frau schlurfte in den Schankraum und gähnte. Dabei zeigte sie ihre Zahnlücken. Sie hielt einen dünnen Morgenmantel vor der ausladenden Brust zusammen.

Bradford schnappte sich eine Flasche Fusel. »Wo ist sie?«

Die Frau hob stumm die Schultern.

Bradford verschwand durch eine schmale Tür in einem Seitentrakt, kehrte gleich darauf wieder zurück und trat einen Tisch aus dem Weg. »Wo ist sie, verdammt?«

Er eilte nach draußen, kämpfte sich durch den eisigen Bergwind zu einem windschiefen Unterstand durch, in dem er nur ein Pferd fand.

Wutentbrannt kehrte er zurück. »Wo?«, brüllte er die üppige Lucy an. Ihr Morgenmantel klaffte auf und gab den Blick auf ihren nackten Körper frei.

»Weg.«

»Das sehe ich selbst. Aber wohin?«

Unwissenheit lag auf Lucys Gesicht.

Bradford schleuderte sie in Deans Arme, der sofort seine Hände über ihre prallen Brüste legte.

»Sie wollte auf mich warten! Wieso, verdammt, hat sie nicht gewartet?«

Clyde saß an einem Tisch und zählte die Beute.

Bradford nahm einen tiefen Zug aus der Flasche, spuckte aus und stapfte zu dem Riesen. »Du reitest nach Billings!«, befahl er.

»Etwas mehr als siebentausend«, verkündete Clyde stolz.

Bradford warf den Tisch um und verstreute das Geld auf dem Boden. »Ich will wissen, was sie treibt!«, zischte er. »Sie wandert mir zu oft in der Gegend herum. Du wirst dich umhören. Falls du sie in Billings findest, bringst du sie her. Falls nicht, will ich wissen, wo sie sich rumtreiben könnte und was sie so oft in der Stadt verloren hat, klar?«

»Gleich morgen früh.«

Bradford zerrte den Hünen hoch. »Nein, jetzt und sofort, Kleiner!«

Clyde verließ wütend den Raum.

»Ich hab dir gleich gesagt, die Kleine hat Dreck am Stecken. Sie verpfeift uns bei den Marshals. Die werden uns jagen, bis uns die Zunge auf der Erde schleift.«

»Halt die Klappe, Dean.«

Der Messermann verzog sich mit der nackten Lucy zu einem Strohlager in einer Ecke des Schankraumes, wo sich liebeshungrige Gäste abreagieren konnten.

Bradford beachtete Deans heftiges Schnaufen und Lucys Schnurren nicht. »Clyde findet sie«, murmelte er und entkorkte eine neue Flasche. »Möchte zu gerne wissen, was im Kopf der Kleinen vor sich geht ...«

*

In einem Speiselokal war sie ihm zum ersten Mal aufgefallen.

Sie hatte grüne Augen. Das rote Haar hatte sie hochgesteckt. Ihr Gesicht war schmal und ausgesprochen hübsch. Sie hatte nur wenig Rouge aufgelegt, dafür die vollen Lippen aber mit sattem Rot bemalt. Ihr Mund war leicht geöffnet und verlieh ihrer Sinnlichkeit Ausdruck.

John Cutler hatte sie nicht weiter beobachten können, da sie mit ihren Tischnachbarinnen das Lokal verließ.

Als er zum Hotel ging, traf er sie wieder.

Sie stand auf dem Gehsteig vor einem Schneiderladen. Allein. Ihr wohlgeformter Körper kam unter dem figurbetonten Kleid voll zur Geltung. Und obenrum hatte sie ganz schön was zu bieten.

Auf der Straße herrschte reger Betrieb. Frachtwagen rumpelten vorbei, Cowboys ritten über die Fahrbahn. Es war ein ständiges Kommen und Gehen.

Durch die aufgewirbelten Staubwolken erhaschte Cutler einen Blick auf dieses rothaarige Vollblutweib. Er war versucht, zu ihr hinüberzugehen und sie anzusprechen, aber sein Pflichtgefühl hielt ihn zurück. Er sollte sich hier mit einem Kontaktmann der Brigade treffen, und die Order hatte dringend geklungen.

Seufzend setzte er seinen Weg fort, er kam jedoch nicht weit. Er stieß mit einem schmalen, elegant gekleideten Mann zusammen, der eine prallgefüllte Tasche mit sich herumschleppte und ein dickes Buch unter den Arm geklemmt hatte.

Der Foliant flatterte in den Staub.

»Haben Sie denn keine Augen im Kopf, Sie Tölpel? Schauen Sie nur, was Sie angerichtet haben!«, entrüstete sich der Elegante mit hoher, wohlmodulierter Stimme.

»Verzeihung, Mister«, murmelte Cutler, zog den Stetson vom Kopf und klopfte auf der Hose des Lackaffen herum.

Der wehrte sich vehement gegen solche Aufmerksamkeiten. »Was soll denn das! Unterlassen Sie das gefälligst! Sie ruinieren mir doch meinen Anzug!«

Cutler trat zurück. »Hören Sie, das war bestimmt keine Absicht. Wenn die Lady nicht gewesen wäre ...«

»Wie? Ich verstehe nicht...«

Cutler drehte sich um und beobachtete, wie sich das rothaarige Geschöpf anschickte, die Straße zu überqueren. Nur hatte sie dabei erhebliche Schwierigkeiten, denn sobald sie den Bohlensteig verlassen wollte, sauste ein Fuhrwerk heran, oder Reiter stoben vorbei.

Cutler hob den Wälzer vom Boden auf, behielt dabei aber die Lady im Auge. So entging ihm nicht, dass sie die Fahrbahn betrat und einer Reiterhorde in den Weg lief, die eben aus einer Seitenstraße geprescht kam.

Für die Rothaarige war es zu spät, auszuweichen oder auf den Gehsteig zurückzukehren. Es blieb nur noch die Flucht nach vorn, aber dort näherte sich von der anderen Seite ein schwer beladenes Fuhrwerk.

Cutler richtete sich hastig auf. Er stieß erneut gegen den Schönling, der wütend die Backen aufblies, drückte ihm die verstaubte und mit zahlreichen Eselsohren versehene Schwarte so heftig in die Hand, dass der Hombre sie wieder fallen ließ, und hetzte in langen Sätzen über die Straße.

Er wich mehreren Hindernissen aus und bekam die rothaarige Schönheit um die Hüften zu fassen, als sich die schnaubenden Pferde der Cowboys schon dicht vor ihr befanden.

Im letzten Augenblick riss er die schreiende Lady mit sich herum.

Cutler fiel hart auf den Rücken. Sie kam auf ihm zu liegen, starrte dem heranratternden Fuhrwerk entgegen, schrie spitz auf und schlug um sich.

Cutler hatte alle Hände voll zu tun, sie zu bändigen. »Was, zum Teufel, ist denn in Sie gefahren?«, herrschte er sie an, drehte sich auf die Seite und starrte direkt auf das Fuhrwerk, das wie ein alles zermalmender Koloss vor ihm emporwuchs.

Er konnte nichts anderes tun, als sich mit seiner hübschen Bürde durch den Staub zu rollen und sie dicht an sich zu pressen.

Die Hufe des Vierergespanns verfehlten sie nur knapp; die Räder knirschten an ihnen vorbei. Über ihnen wurde es für einen Moment dunkel, als das Wagenbett über ihnen hinwegglitt.

Cutler half der Lady auf die Beine. Sie schaute an sich hinab und kreischte beim Anblick ihres verstaubten und zerknitterten Kleides erneut los.

Er verzog gequält das Gesicht. »Sie brauchen mir nicht zu danken, Lady. Ich habe Ihnen gern geholfen. Aber verschonen Sie mich mit Ihrem Geschrei.«

Sie verstummte. Ihre grünen Augen funkelten ihn an. »Helfen nennen Sie das? Dieses Kleid hat mich ein kleines Vermögen gekostet, Mister, und Sie haben es ruiniert!«

Sie marschierte auf den Lackaffen zu, der immer noch damit beschäftigt war, seinen Wälzer vom Staub zu befreien und die Seiten zu glätten.

»Hiram, schau dir an, was dieser ungehobelte Kerl mit meinem Kleid angestellt hat!«

Der Schönling lief rot an, als er von der Lady angesprochen wurde, und konzentrierte sich auf sein Buch.

»Bist du taub geworden, Hiram? Was ist los mit dir? Bist du nun ein Rechtsverdreher, oder nicht? Ich verlange, dass er mir dieses Kleid ersetzt. Schau mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!«

Sie versetzte Hiram einen so heftigen Stoß in den Rücken, dass er nicht nur das Buch, sondern auch seine prall gefüllte Tasche auf seine Zehen fallen ließ. Hiram wurde blass und suchte an einem Vorbaubalken Halt.

»Würden Sie bitte nicht solches Aufsehen erregen, Miss Latimer«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Genau«, mischte sich Cutler ein. »Die Leute werden schon neugierig.«

»Das ist mir völlig gleichgültig«, zeterte die Rothaarige. Ihr Busen wogte. »Sie werden den Schaden ersetzen, oder mein Freund Hiram wird Sie vor Gericht zerren, Mister!« Sie knuffte Hiram in die Seite, dass dieser aufschreckte. »Sag ihm, dass du ihn im Gerichtssaal wie ein flügellahmes Hähnchen rupfen wirst, Hiram. Nun sag doch endlich was!«

»Miranda - äh - Miss Latimer! Bitte ...«

Sie schlug ihm auf die Schulter. »Schlappschwanz! Du bist wie alle Männer. Im Bett eine große Klappe, aber wenn’s drauf ankommt, kneift ihr den Schwanz ein und winselt. Obwohl es bei dir sowieso nichts zu kneifen gibt ...«

Hiram war einem Herzinfarkt nahe. Cutler beschloss, den Bedauernswerten in Schutz zu nehmen. »Lassen Sie Ihre Wut nicht an ihm aus, Lady, er kann nichts dafür. Was das Kleid angeht, mache ich den Schaden wieder gut. Sie brauchen mir nur zu sagen, wo ich Sie nachher finde, dann werde ich dafür bezahlen.«

»Und nicht zu knapp, Mister. Die zweite Querstraße rechts hinter dem General Store. Ein hell getünchtes Haus. Und wehe, wenn Sie dort nicht bald auftauchen. Hiram wird es büßen!« Sprach’s und rauschte von dannen.

»Wie kann ein einzelner Mensch nur so viel Aufruhr veranstalten«, beschwerte sich Hiram und bemühte sich, wieder zu Atem zu kommen.

Cutler musterte ihn eingehend. Die kleinen Augen unter den dünnen Brauen blickten gelangweilt, und das dünne Schnurrbärtchen zuckte beleidigt.

»Sagen Sie, sind Sie zufällig Hiram Tolliver, der bekannte Rechtsverdreher - äh - Anwalt?«

»Bekannt wäre geprahlt. Aber ich habe meine Klienten und kann zufrieden sein. Meist befasse ich mich damit, Streitigkeiten zwischen Farmern zu schlichten.«

»Und so ganz nebenbei leiten Sie Aufträge aus Washington weiter.«

»Schhh!«, machte Tolliver und schaute sich aufmerksam um, ob jemand ihr Gespräch belauschte. »Das müssen wir ja nicht gleich an die große Glocke hängen. Das hier ist nicht der geeignete Ort, unsere Unterhaltung fortzusetzen. Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Mister ...«

»John Cutler.«

»Ja, Sie sind es.« Ohne auf den großem Mann zu warten, stolzierte Tolliver erhobenen Hauptes davon. Cutler nahm die Tasche und den Folianten und trug ihm beides nach.

*

Tolliver hatte an einer schmalen, mit einer Gardine versehenen Glastür Halt gemacht. »Treten Sie ein und nehmen Sie Platz, Mister.«

Er machte keine Anstalten, die Tür freizugeben. Cutler musste sich schwitzend und schnaufend mit seinem schweren Gepäck an ihm vorbeidrücken und ließ das Buch auf einen wuchtigen Schreibtisch poltern.

»Schleppen Sie immer so viel Zeug mit sich rum?«, fragte er keuchend.

»Sie haben einen schlechten Zeitpunkt für Ihren Besuch gewählt, Mr. Cutler. Ich war gerade auf dem Weg zum Gericht. Einige Werke waren für das dortige Archiv bestimmt, darunter auch dieses viel beachtete Standardwerk von Henry Lithgow Wetherby. Verfahrensweise und Präzedenzfälle bei strittigen Besitzangelegenheiten im Hinblick auf Farmland, Ranchgebiet, lebendes und totes Inventar, insbesondere ...«

»Ist ja gut, Tolliver. Ersparen Sie mir die Einzelheiten.«

»Schon der große Abraham Lincoln urteilte nach diesem Standardwerk. Dabei war Wetherby ein einfacher Cowboy, wussten Sie das? Und Lincoln war Rechtsanwalt, bevor er in die Politik ging. Er ist mein großes Vorbild.« Tolliver ließ seinen Blick andächtig zu einem Porträt des Präsidenten gleiten, das hinter ihm an der Wand hing. »Ich bin mit einem außerordentlich wichtigen Fall beschäftigt, Mr. Cutler. Sie glauben ja gar nicht, wie wichtig den Leuten hier der Besitz einer einzigen Milchkuh oder eines Truthahns ist.«

»Oh, ich kann es mir vorstellen. Wenn Sie nicht wären, müssten die armen Leutchen glatt verhungern. Können wir bitte zu meinem Auftrag kommen?«

»Geduld, Sir. Geduld ist das Maß aller Dinge, pflegte eine wichtige Persönlichkeit zu sagen.«

»Lassen Sie mich raten. Abe Lincoln. Oder George Washington?«

Tolliver richtete sich auf und betrachtete Cutler von oben herab. »Emmaline Tolliver. Meine Mutter.«

»Äh, ja. Auch gut. Wo wir schon von Ladies reden - die Rothaarige vorhin, diese Miss Latimer, ist das auch eine Klientin von Ihnen?«

Tolliver errötete. »So würde ich es nicht unbedingt ausdrücken.«

Cutlers Augen blitzten belustigt, als er begriff. »Eher umgekehrt, was?«

Der Anwalt hüstelte peinlich berührt. »Ich möchte mich dazu nicht weiter äussern, Mister.«

»Klar doch. Obwohl die Lady eine Augenweide ist. Wenn Sie hält, was Sie verspricht ...«

»Ich ersuche Sie, Mr. Cutler, dieses Thema nicht zu vertiefen.« Tolliver kramte zwischen einigen Schriftstücken herum und zog zwei Blätter hervor. »Ist Ihnen der Name James Sheridan ein Begriff, Sir?«

»Colonel James Sheridan? Sicher. Der alte Haudegen hat sich von der Front zurückgezogen. Sitzt in Washington und schickt jüngere Männer und Frauen an seiner Stelle in den Kampf.«

»Nun, so ungefähr. Colonel Sheridan arbeitet eng mit der Alamo-Organisation zusammen. Einige seiner Abgesandten wurden bereits mehrfach mit zum Teil recht heiklen Aufträgen betraut.«

»Und was geht mich das an? Soll ich etwa einem von Sheridans Burschen das Laufen beibringen? Ohne mich. Ich bin kein Kindermädchen.«

Cutler hatte sich in einen Sessel fallen lassen und die Stiefel auf eine Ecke des Schreibtischs gelegt. Tolliver tippte die Stiefelspitze mit dem Zeigefinger an und schubste Cutlers Beine vom Tisch.

»Es geht um eine junge Frau, die hin und wieder für Sheridan arbeitet und ihm anscheinend sehr am Herzen liegt. Sie heißt Prudence McDowell. Miss McDowell hat es in den vergangenen Jahren verstanden, uns mit wichtigen Informationen zu versorgen.«

»Uns?«

»Nun, äh, die Alamo-Organisation. Oder besser gesagt, Colonel Sheridan. Nun scheint sie aber in eine Sache verwickelt worden zu sein, die Miss McDowell, um es so auszudrücken, den hübschen Kopf kosten kann.«

»Und ich soll ihr Köpfchen aus der Schlinge ziehen?«

»Nun ja, Miss McDowell ist sehr wohl in der Lage, selbst auf sich aufzupassen. Das hat sie mehrfach bewiesen. Allerdings hatte sie es da nicht mit solchen Burschen wie den Deakons zu tun.«

Cutler wollte eben wieder die Füße auf den Schreibtisch legen, als er innehielt. »Bradford Deakon und seine Brüder?«

Nicken.

»Da hat die Lady aber bis über die Ellbogen in die Scheiße gelangt.«

»Ich stimme Ihnen zu.«

»Und Sie glauben, ich riskiere Kopf und Kragen, um die Lady zu retten?«

»Nun, Sir, Colonel Sheridan glaubt es. Er setzt große Hoffnungen in Sie.«

Cutler strich über sein raues Kinn. Es war an der Zeit, dass er sich rasieren ließ. Auf jeden Fall, bevor er Miranda Latimer besuchte.

»Die Deakon-Brüder sind Ihnen also nicht unbekannt.«

»Hab genug von ihnen gehört, um mir über diese Schwerverbrecher ein erstes Urteil erlauben zu können. Die Kerle sind grausam und gerissen. Jeder Staatenreiter, der dumm genug ist, sich auf ihre Fersen zu heften, hat sicherlich vorher sein Testament gemacht. Die Kerle schlagen aus heiterem Himmel zu. Wer ihnen auch nur den geringsten Widerstand entgegen setzt, den legen sie um. Wie kommt diese Prudence an die Teufels-Brüder?«

»Sie sollte oben im Norden gegen einen gewissen Ashford Lyndon ermitteln. Nur Nachforschungen anstellen und Hinweise sammeln, sonst nichts. Lange hatte Sheridan nichts mehr von ihr gehört, bis ihn ein Telegramm erreichte. Aus dem Text ging nur hervor, dass Miss McDowell befürchtete, von den Deakon-Brüdem enttarnt zu werden. Mehr nicht.«

»Ziemlich dürftig, die Hinweise, finden Sie nicht?« Cutler erhob sich müde. »Sheridan hat Glück, dass ich keine Lady in den Händen solcher Halsabschneider lassen kann. Wie sieht diese Prudence denn aus? Ich meine, wie erkenne ich sie?«

Tolliver zuckte mit den Schultern. »Miss McDowell war darauf spezialisiert, in verschiedenen Rollen aufzutreten. Falls sie sich nicht verkleidet hat, kann ich sie folgendermaßen beschreiben: Mitte zwanzig, hübsch, langes, schwarzes Haar. Sie ist sehr wohlerzogen und legt dementsprechendes Benehmen an den Tag.« Tolliver ließ seinen Blick über Cutlers verstaubte Kleidung wandern. »Sie würde beispielsweise niemals Männerkleidung tragen und bestimmt nicht so verschmutzt herumlaufen wie Sie, Mister.«

»Nun erlauben Sie mal. Das war doch nicht meine Schuld. Hätte ich vielleicht tatenlos zuschauen sollen, wie Ihre Freundin Miranda auf der Straße zertrampelt wird?«

»Sie ist nicht meine – äh ...«

»Ist doch auch völlig egal, was sie ist. Jedenfalls werde ich der Dame mal gehörig die Meinung geigen, bevor ich ihr auch nur einen Dollar bezahle.«

Er wandte sich ab, kehrte dann aber zum Schreibtisch zurück und bekam Tolliver am Kragen zu fassen. »Freundin hin oder her, Hiram. Ich sehe nicht ein, warum Sie sich nicht an dem Schadensersatz beteiligen sollten.« Er kramte in Tollivers Taschen herum, zog eine Brieftasche heraus und entnahm ihr einige Dollarnoten. »Setzen Sie es auf die Spesenrechnung, Hiram. Und überarbeiten Sie sich nicht. Vor allem nicht bei Miranda. Was sollen die Grenzsteinversetzer und Truthahndiebe ohne Sie machen?«

Tolliver stierte Cutler hilflos nach, schaute zu seinem großen Idol auf und nahm Haltung an. »Stimmt genau, Mister«, murmelte er. »Ohne mich wären sie völlig aufgeschmissen.«

Aber da war der große Mann schon längst in der Nähe des General Stores, wo eine Querstraße abzweigte und zu einem hell getünchten Haus führte.

*

Die Faust raste auf ihn zu.

John Cutler konnte gerade noch ausweichen. Der Schlag wischte so nah an seiner Wange vorbei, dass die Fingerborsten seine Haut kitzelten.

Er packte mit beiden Händen zu, wirbelte den muskulösen Schläger herum und ließ ihn gegen die Wand krachen. Sofort setzte er nach, schob den Hombre zur Tür und pflanzte ihm die geballte Rechte in den Leib.

Hinter ihm stand die rothaarige Lady und beobachtete schreckerstarrt, wie Cutler mit ihrem Besucher verfuhr.

»Ich wollte Ihnen nicht die Braut ausspannen, Mister. Ich bin hier, um einen Schaden zu begleichen. Aber wenn ich mir die Lady so anschaue, werde ich wohl meine Meinung ändern müssen...«

Mit einem Wutgebrüll fuhr der Hombre hoch, als Cutler die Rothaarige anerkennend musterte.

Sie trug nur noch Unterwäsche. Ein schwarzes, spitzenbesetztes Mieder und einen hauchzarten Unterrock, unter dem sich weiße, mit Rüschen verzierte Hosen um ihre Hüften schmiegten.

Ihre Brüste drückten aufreizend gegen den dünnen Stoff des Mieders. Cutler stellte sich unweigerlich die Frage, ob das Kleidungsstück dazu diente, die Brüste zu bändigen oder den männlichen Betrachter zu verführen.

Er hielt sich nicht mit einer Antwort auf. Als der Bursche hinter ihm seine Arme wie Windmühlenflügel wirbeln ließ, schnappte er sich das ruinierte Kleid, das über dem Bettgestell hing, und warf es dem Prügelknaben über die Schultern.

Der Hombre kämpfte mit dem Gewand, das sich um seinen Kopf gelegt hatte. Er verlor völlig die Orientierung, bis Cutler ihn herumdrehte und aus dem Zimmer schob. Der Hombre knallte mit dem verhüllten Kopf gegen die Wand des Korridors, suchte nach einem Halt und rutschte langsam zu Boden.

Cutler drückte die Tür ins Schloss und wandte sich um. »Nun zu uns beiden Hübschen ...«

»Sie ruinieren ein sündhaft teures Kleid und wagen es, in mein Zimmer einzudringen? Was erlauben Sie sich, Mister?«, fauchte Miranda Latimer erbost.

»Eine ganze Menge. Ich denke, ich werde Ihnen eine Weile Gesellschaft leisten, Schätzchen.«

»Sie gehen entschieden zu weit!«

»Oh, ich gehe noch viel weiter, Lady. Was sagen Sie dazu?«

Er nahm sie in die Arme und küsste sie stürmisch.

Sie wehrte sich, erwiderte aber bald seinen Kuss.

Seine kundigen Hände streichelten ihren Nacken, ihren Hals und legten sich schließlich auf ihre Brüste.

Sie atmete heftig. Auch ihre Finger gingen auf Wanderschaft, glitten über seinen Körper und landeten zwischen seinen Beinen, wo sich die Hose schon bedrohlich spannte.

Miranda drückte zu. »So, mein Verehrtester, jetzt wollen wir mal hübsch das Kleid bezahlen, und dann werden wir dieses Haus verlassen und nie wieder herkommen.«

Hastig zog Cutler die Dollars aus der Tasche, die er Hiram Tolliver abgenommen hatte, und warf sie auf das Bett.

»Das genügt nicht, Mister.«

»Den Rest bezahle ich in Naturalien. Arbeite ich ab.«

Bei diesem Angebot musste sie grinsen. Und wie von allein öffnete sich ihr Mieder.

Prall und wogend sprangen ihn ihre herrlichen Brüste an. Die großen, dunklen Brustwarzen stellten sich auf, als sie so unvermittelt ins Freie gelangten.

Miranda war sprachlos, wie sie sich vor dem großen Mann aufführte. Cutler wartete nicht, bis sie ihre Fassung wiedergefunden hatte. Er hob sie hoch und legte sie auf das Bett.

Unwillkürlich spreizte sie die langen Beine und schob sich hinderlichen Stoff vom Leib. Cutler konnte sich nicht länger zurückhalten. Fordernd bedeckte er ihren Körper mit heißen Küssen. Und dann sah er es. Sie war eine echte Rothaarige!

Er hatte sie tatsächlich für eine Lady gehalten. Ein livrierter, farbiger Diener hatte ihn empfangen. Das Haus war nobel ausgestattet. Eine grell geschminkte Hausdame hatte ihn begrüßt und nach seinen Wünschen gefragt. Dabei wurde sie von vier reizenden, spärlich bekleideten Grazien unterstützt.

Erst allmählich war ihm klar geworden, dass er sich hier in einem der nobelsten Puffs befand, die er je besucht hatte. Nur fünf Liebesdienerinnen boten ihre Dienste an, und die rote Miranda war eine von ihnen. Kein Wunder, dass sich Hiram Tolliver gescheut hatte, seine Bekanntschaft mit der Lady öffentlich zuzugeben ...

Miranda lehnte sich zurück und schloss die Augen. Dieser Mann war anders als die meisten Freier, die sie gehabt hatte. Er verstand es, ihr Freude an ihrem Job zu bereiten, und das kam selten genug vor.

Sie ließ sich von ihm verwöhnen, gab sich seinen Zärtlichkeiten völlig hin. Ihre Brüste bebten. Sie strich über ihre harten Nippel, atmete heftig. Ihr Körper bäumte sich auf. Heiße Wogen der Lust durchströmten und erfüllten sie.

Cutler brachte sie dem Höhepunkt nahe. Sie vergrub ihre Finger in seinem Haar, bewegte seinen Kopf zwischen ihren zitternden Schenkeln und gab ihm kaum Gelegenheit zum Atmen.

»Genug!«, hauchte sie. »Zieh dich aus!«

Cutler ließ sich von ihr helfen. Hastig zerrte sie an seiner Kleidung.

»O mein Gott!«, entfuhr es ihr, als sie den Prachtkerl zum ersten Mal sah. »Du bist aber mehr als bereit! Lass uns keine Zeit mehr mit Reden verschwenden.«

Ungestüm drang er in sie ein.

Miranda kommentierte jeden seiner Stöße lautstark, bis die rundliche Hausdame an die Tür klopfte. »Miranda, Schätzchen, alles in Ordnung?«

»Jaaaa ...!«, kam die lustvolle Antwort.

»Halt dich ein wenig zurück, Schätzchen. Man hört euch bis unten. Die anderen Mädchen werden schon richtig neidisch. Muss ja ein wahrer Hengst sein...«

»Jaaaahaaaa ...!«

Die Dicke trollte sich. Cutler hielt inne, drehte Miranda um und nahm sie von hinten. Sie verbiss sich im Kopfkissen, das ihre Rufe dämpfte. Cutler bekam ihre schaukelnden Brüste zu fassen und spielte mit den harten Nippeln.

»Wenn du auf deinem Hengst reiten willst, bekommst du gleich die Gelegenheit dazu«, versprach er, bescherte Miranda einen gewaltigen Höhepunkt und kam gleichzeitig mit ihr.

*

»So was wie dich kriegt man selten, Großer«, lobte sie, kniete sich neben ihn und reichte ihm ein Glas mit feinstem Kentucky Whiskey. »Wenn alle Freier so wären wie du, würde die Arbeit wenigstens Spaß machen. Aber so muss ich mich mit Schlappschwänzen wie Hiram rumärgern. Lauter Schlappschwänze, denen schon nach zwei Minuten die Luft ausgeht.«

»Sei doch froh. Du brauchst dich nicht abrackern, um dein Geld zu verdienen.«

»Hast du eine Ahnung, wie man sich mit den Schlappschwänzen abrackern muss, bis sie endlich stehen.« Sie streichelte Cutler, nahm seine Hand und legte sie auf ihre Brust. »Bei dir hab ich diese Schwierigkeiten nicht. Da könnte sich sogar noch der geile Ash ein Beispiel nehmen, und der hat es faustdick hinter den Ohren.«

»Wer ist das denn?«

»Och, ein Stammkunde. Kommt jeden Monat hierher und treibt es gleich mit zwei oder drei Mädchen. Wenn er den ersten Druck losgeworden ist, verbringt er eine Nacht mit mir. Der Kerl ist unersättlich, aber viel zu brutal. Du bist noch stärker und trotzdem zärtlich.«

»Hoffentlich zahlt er gut.«

»In dieser Hinsicht wirst du es wohl kaum mit ihm aufnehmen können. Er hat Geld wie Heu. Wirft mit den Dollars nur so um sich. Macht den weiten Weg vom Norden runter niemals ohne eine Horde Leibwächter. Der schwimmt im Geld. Hast vielleicht schon von ihm gehört. Lyndon heißt er. Ashford Lyndon.«

Cutlers Blut wurde zu Eiswasser. Das Jagdfieber packte ihn. Der Name Lyndon hing mit seinem neuen Auftrag zusammen. Es sah ganz danach aus, als hätte er eine erste Spur zu Prudence McDowell gefunden, und das ausgerechnet in einem Hurenhaus.

»Wann ist Lyndon denn wieder fällig?«, erkundigte er sich beiläufig.

»In knapp zwei Wochen.« Miranda kam ein Gedanke. »Du könntest ja hier auf ihn warten und ihn würdig vertreten. Die anderen Mädels wollen auch mal wieder etwas Zärtlichkeit erleben. Wenn Ash dann kommt, mache ich euch miteinander bekannt. Vielleicht hat er einen Job für dich. Als Leibwächter.« Sie knabberte an seinem Ohr. »Du kannst ihn dann jedes mal begleiten, wenn er uns besuchen kommt ...«

Cutler zog sie über sich. »Das würde mir gefallen. Den Geldsack zu bewachen, allerdings weniger.«

»Überleg’s dir, Großer.«

»Wo, sagtest du, wohnt dieser Lyndon?«

»Idaho. Nicht weit von der Grenze nach Montana. Dort oben kennt ihn jeder. Warum fragst du? Willst du ihn besuchen?«

Statt einer Antwort küsste er sie. Ihr Mund und ihre Zunge waren warm und verführerisch. Sie küsste jeden Zoll seines Körpers, konzentrierte sich aber auf eine ganz bestimmte Stelle, um zu signalisieren, dass sie für die nächste Runde bereit war. Und er war es schon längst.

»Ab in den Sattel, Lady. Zeig mal, wie du reiten kannst!«

Und wie sie reiten konnte, als sie ihn tief in sich spürte! Sie massierte ihn durch, bis seine Säfte kochten und die Lenden vor Verlangen schmerzten.

Er knetete ihre Brüste. Als sie sich zu ihm hinabbeugte, berührten ihre Nippel zuerst seine Brust, dann seine Lippen. Er saugte an ihnen, bis sie hart wie Holz waren. Dann legte er seine Hände auf ihre Hinterbacken, beschleunigte ihre Bewegungen und bockte unter ihr wie ein Mustang.

Das war mehr, als Miranda ertragen konnte. Sie hopste wild auf ihm herum. Ihr rotes Haar hatte sie längst gelöst. Es fiel in weichen Wellen über ihre Schultern und wirbelte vor ihrem Gesicht herum. Ihre Haut glänzte feucht. Fasziniert betrachtete Cutler einen Schweißtropfen, der zwischen ihren Brüsten entlangkullerte.

Er spürte, dass die Explosion kurz bevor stand. Miranda würde gleichzeitig mit ihm zum Höhepunkt kommen, so, wie er es beabsichtigt hatte.

»Jetzt! Komm, gib es mir! Gib mir alles ...!«

Cutler legte noch einen Zahn zu, da klopfte es an der Tür.

»Jetzt nicht!«

Es klopfte wieder, härter, fordernder.

»Jetzt nicht, hab ich gesagt!«, brüllte Miranda.

Die Tür öffnete sich trotzdem, und Hiram Tolliver steckte sein Spitzmausgesicht durch den Spalt. Sein Schnurrbärtchen zuckte nervös, als er die nackte Miranda auf Cutler herumhüpfen sah.

»Es ist mir äußerst unangenehm, Sir, aber gerade habe ich ein Telegramm erhalten, das Sie interessieren dürfte.« Der Anwalt wedelte mit einem Papierfetzen herum wie mit einer Unterhändlerfahne.

»Später«, brachte Cutler mühsam heraus.

»Die Sache duldet keinen Aufschub, Mister. Denken Sie daran, dass sich Miss Prudence offensichtlich in Gefahr befindet.«

Miranda hielt keuchend inne. »Prudence? Wer ist denn das?«

»Ich kenne jemanden, der mehr Schwierigkeiten bekommt, als Prudence jemals haben wird, wenn er sich nicht sofort verkrümelt!«

Tollivers Kopf zuckte zurück. Die Tür schloss sich.

Cutler bewegte sich in Mirandas Schoß. »Weiter, Schätzchen. Wir sind noch nicht am Ziel.«

»Ich zupfe ihm seine Schnurrbarthaare einzeln aus!«, zischte Cutler zwischendurch.

»Und ich stopfe ihm die Seiten seiner Bücher in den Rachen und werfe ihn meinen Freundinnen vor!«, schwor Miranda.

Endlich lag Miranda erschöpft in ihren Kissen und bot ihren nackten Körper seinen Blicken dar, als er in seine Kleider stieg, sich hastig einen Drink eingoss und ihn auf einen Zug leerte.

»Wir sehen uns bestimmt wieder.« Er stand bereits an der Tür, als sie sich aufrichtete. Cutler riss die Tür auf und entdeckte Hiram Tolliver, der ihm ein zerknittertes Telegramm reichte. Cutler nahm es an sich und verließ das ehrenwerte Haus.

*

»Mister, Sie sollten endlich reden! Was führt Sie nach Rosebud? Und was bringt Sie dazu, ein halbes Dutzend Männer über den Haufen zu knallen?«

Cutler lag auf der Pritsche, hatte die Beine übereinander geschlagen und die Arme im Nacken verschränkt. Den durchlöcherten Stetson hatte er auf sein Gesicht gelegt. Er nahm die Worte des Sheriffs kaum wahr, denn er dachte mit größtem Vergnügen an Miranda Latimer und den heißen Ritt, den sie miteinander vollführt hatten.

Sheriff Mortimer kratzte sich am Hinterkopf. Dieser Gefangene war halsstarrig wie kein anderer vor ihm. Er war sturer als ein Maultier.

»Mister, wenn Sie nicht reden, wird der Richter Sie zum Tode verurteilen. Ist Ihnen das klar?«

»Und was ist, wenn ich aussage? Dann wird mich der Richter trotzdem aufknüpfen lassen.«

»Jeder Gefangene, der bereit ist, mit der Justiz zusammenzuarbeiten, hat Milde zu erwarten.«

»Das mag in Boston so sein, Sheriff. Aber nicht hier im Westen. Ihr Richter hat keine Wahl. Ich habe einige Männer erschossen, und er wird mich dafür büßen lassen.«

»Ich kann ein gutes Wort für Sie einlegen ...«

»Bei wem? Ein Bundesrichter ist unbestechlich und lässt sich von Ihrem Wort bestimmt nicht beeinflussen.«

»Judge Adams ist doch kein ...«

Mortimer verschluckte den Rest des Satzes.

Cutler nahm den Hut ab. »Soll das heißen, ich werde von einem hiesigen Richter abgeurteilt? Haben Sie wenigstens eine Jury?«

»Zwölf ehrenwerte Bürger von Rosebud.«

»Na, wunderbar. Die Geschichte gefällt mir immer besser. Da kann ich mich ja gleich am Zellengitter aufhängen.«

»Das werden Sie hübsch bleiben lassen, Mister! Hier geht alles seinen ordentlichen Gang, genau, wie es die Vorschriften verlangen.«

Cutler trat an das Gitter. »Das hier ist doch lächerlich. Sie wissen genauso gut wie ich, dass ich niemals in dieser Zelle hätte landen dürfen. Die Kerle, die mir im Mietstall aufgelauert haben, waren Killer. Ich habe mich nur verteidigt.«

»Ah, jetzt kommen wir der Sache schon näher. Ich bin froh, dass Sie zur Einsicht gelangt sind.« Mortimer stolzierte vor der Zelle auf und ab. »Sieben Männer. Bewaffnet. Ein paar mal unangenehm aufgefallen, weil sie im Saloon randaliert hatten. Dafür bekannt, dass sie sich nichts gefallen lassen. Allesamt raue, aber herzliche Burschen und Mitglieder dieser Gemeinde. Das sind die bedauernswerten Opfer dieses Zwischenfalls.«

»Sparen Sie sich die Lobeshymne für die Beerdigung.«

»Und ein Fremder. Hier nicht bekannt. Kommt in die Stadt, stellt sein Pferd im Mietstall unter und hinterlässt dabei sieben Tote. Das ist der Täter.«

Mortimer wirbelte herum und streckte sein bärtiges Kinn vor. »Sieben Männer, die sich zu wehren verstanden. Die sich in jedem Faustkampf behaupten konnten und ihre Waffen nicht nur zur Zierde mit sich herumschleppten. Sie waren leidliche, wenn nicht gar gute Schützen. Wieso sind sie tot? Sind Sie ein Revolverheld, Mister? Einer jener zauberhaft schnellen Schützen, von denen man sich Legenden erzählt? Ich glaube es nicht. Nein, Mister, Sie machen mir nicht den Eindruck eines Revolverschwingers. Soll ich Ihnen verraten, wie ich die Sachlage sehe?«

»Nur zu, ich sterbe vor Neugierde.«

»Sie kommen in die Stadt und hegen einen Groll gegen jene sieben Männer. Niemand weiß, wieso Sie diesen Männern gram sind, aber es ist nun mal so.. Sie begeben sich in den Mietstall und wissen, dass man Ihre Ankunft bemerkt hat. Sie warten seelenruhig ab, bis die Männer ebenfalls den Stall aufsuchen, und - bumm. Einen nach dem anderen knallen Sie ab. Kaltblütig. Ein paar können das Feuer erwidern, aber Sie haben die Überraschung auf Ihrer Seite. Danach gehen Sie zum Barbier und nehmen ein Bad, als sei nichts geschehen.« Mortimer hatte sich in Wut geredet. »Sie sind ein verdammt kaltschnäuziger Hund!«, brüllte er.

Cutler erwiderte nichts.

»Das war eiskalter Mord, Mister! Dafür werden Sie hängen!«

»Sag ich doch ...«

»Haben Sie denn überhaupt nichts zu Ihrer Entlastung zu sagen?«

»Würde es mir etwas nützen?«

Mortimer hob die Schultern und nahm seinen Marsch wieder auf.

»Na, bitte.«

»Sind Sie nur wegen dieser Männer nach Rosebud gekommen?«

Cutler schwieg.

»Himmeldonnerwetter noch mal, nun machen Sie endlich ihr verdammtes Maul auf!«

»Sie sollten sich nicht so aufregen. Das schadet der Gesundheit.«

»Was geht Sie verdammt noch mal meine Gesundheit an?«

»Nichts.«

»Das will ich meinen. Ich kann mich aufregen, so lange und worüber ich will. Und im Augenblick sind Sie der Grund, warum ich nachts nicht ruhig schlafen ...«

Mortimer hielt inne. »Wieso diskutiere ich meine Schlafgewohnheiten mit Ihnen?«

»Möchte ich auch gerne wissen.«

Der Sheriff deutete mit dem Zeigefinger zwischen den Gitterstäben hindurch. »Ich kriege es raus! Ich werde Sie zum Reden bringen, verlassen Sie sich drauf!«

»Wollen Sie es aus mir rausprügeln?«

»Wenn es sein muss ...«

»Sheriff, Sie legen so viel Wert darauf, dass in Ihrer lieben kleinen Stadt Ruhe und Frieden herrschen, und wollen bei einem Gefangenen Gewalt anwenden? Das passt nicht zusammen.«

»Das weiß ich selbst, Mister. Aber die anderen wissen es nicht.«

»Wen meinen Sie?«

»Ach, das ist nicht von Belang.«

»Etwa Willie Boy? Wenn er mir zu nahe kommt, kriegt er was auf seine Blumenkohl-Lauscher. Halten Sie mir den Burschen vom Leib, wenn Sie Wert darauf legen, Ihren Deputy zu behalten.«

»Willie ist zu impulsiv. Er lässt sich zu Dummheiten hinreißen ...«

»Das will ich meinen. Aber das kann ihn eines Tages das Leben kosten, Mister. Wer könnte mir also noch was auf die Mütze geben wollen?«

Mortimer senkte nachdenklich den Kopf. Cutler merkte, wie es in ihm arbeitete. Doch die Antwort auf seine Frage erhielt er nicht von dem Sternträger, sondern von den Männern, die in das Sheriffs Office polterten.

Die Tür knallte an die Wand. Drei große, muskelbepackte, grobschlächtige Burschen drängten in den Raum. Sie waren wie Cowboys gekleidet, aber bis an die Zähne bewaffnet. Ihre Gesichter zeigten die Spuren harter Faustkämpfe. Zwei Männer hatten Kerben in die Walnussgriffe ihrer Colts geschnitten. Einer trug eine zusammengerollte Bullpeitsche und ließ den Lederriemen in seine Handfläche klatschen.

Sie fächerten auseinander und warfen finstere Blicke zu Mortimer und seinem Gefangenen hin. Der größte unter den Männern stampfte an dem Sheriff vorbei und baute sich breitbeinig vor dem Zellengitter auf, stemmte die Fäuste in die Hüften und griente Cutler an. »Du bist also das Bürschchen, das so verdammt fix mit der Kanone ist.«

»Es gibt bestimmt schnellere«, stapelte er tief.

Das Grinsen fror auf der Schlägervisage ein. »Stimmt. Du hast gerade einen kennen gelernt.«

»Angeber.«

Die Fäuste des Muskelpakets krallten sich um die Gitterstäbe. »Du hast zwei Freunde von mir umgenietet, Sonny. Du verstehst sicher, dass du mir damit keine Freude gemacht hast. Ich möchte dich liebend gern aus diesen Käfig holen und mich ein wenig mit dir unterhalten.«

»Wollen wir nicht alle etwas, das wir niemals kriegen können?«

Der Schläger rüttelte in verzweifelter Wut am Gitter. »He, Sheriff, dieser wild gewordene Affe demoliert Ihre Zelle. Das dürfen Sie nicht zulassen!« Der Bursche schrie seinen Zorn hinaus und langte zwischen den Stäben hindurch, um Cutler zu erhaschen.

Cutler sprang hoch und trat dem Schläger gegen die Hand. Der Kerl heulte vor Schmerz, zog den Arm zurück und klemmte die Finger zwischen die Beine.

»Ich leg dich dafür um!« Er richtete sich zu voller Größe auf. »Gib mir die Peitsche, Cully! Ich haue diese Kanaille in Fetzen!«

»Garland!«

Der Ruf ließ ihn erstarren, als er bereits weit zum Hieb ausgeholt hatte.

Der Mann, der das Büro betreten hatte, war ebenso groß und wuchtig wie die drei Schläger, aber sichtlich um einen gewissen Stil bemüht.

Er mochte Ende vierzig sein und trug einen maßgeschneiderten, sandfarbenen Anzug aus feinstem Tuch. Eine weinrote, mit goldenen Stickereien verzierte Samtweste spannte sich um seinen massigen Leib. Das mit silbergrauen Strähnen durchzogene Blondhaar war kurz geschnitten und straff zurückgekämmt. Die blauen Augen unter dichten Brauen blickten kalt. Die Flügel der leicht gekrümmten Nase bebten. Ein unsympathischer Ausdruck lag um die ausgeprägten Lippen. Der Mann hob den kantigen Schädel und reckte sein Doppelkinn nach vom.

Ohne dass er eine Anordnung erteilen musste, zog sich Garland vom Zellengitter zurück und rollte die Peitsche auf. Man sah ihm an, dass er über die Unterbrechung nicht sehr erfreut war.

»Mr. Mortimer?« Der Neuankömmling drehte einen breitkrempigen, sandfarbenen Hut in den Händen.

»Nichts, Sir. Er hat nicht ausgesagt. Ich weiß nicht, wer er ist und was er hier will. Und vor allem, warum er diese Männer erschossen hat. Ich befürchte, wir werden es auch nicht erfahren.«

»Oh, ich bin da etwas anderer Ansicht.«

Cutler harrte der Dinge, die da kommen sollten, obwohl er eine gewisse Ahnung hatte.

»Mr. Garland«, sagte der Mann im hellen Anzug. »Täusche ich mich, oder habe ich gerade Schüsse gehört?«

Die Augen des Schlägers blitzten auf. »Nein, Sir, Sie irren sich nicht. Cully, schau mal nach.«

Der Angesprochene sauste nach draußen und kam gleich darauf zurück. »Scheint am anderen Ende der Straße zu sein. Kann nichts sehen, aber da stimmt was nicht.«

»Sie sollten Ihres Amtes walten, Mr. Mortimer. Wir wollen doch nicht, dass es in diesem beschaulichen Ort so schnell wieder einige Tote gibt ...«

»Äh, nein, Sir. Ich meinte, jawohl, Sir.« Mortimer eilte zur Tür. »Der Gefangene, Sir. Mein Stellvertreter ist noch nicht da, und ich muss ja eigentlich den Häftling bewachen ...«

»Das übernehmen wir für Sie, Mr. Mortimer. Sie werden sicherlich nicht allzu lange wegbleiben. In der Zwischenzeit unterhalte ich mich ein wenig mit dem Gentleman. Bin gespannt, ob er nicht doch etwas redseliger wird.«

»Äh, jawohl, Sir. Viel Erfolg, Sir.«

Der Ordnungshüter drückte sich an einem der Männer vorbei nach draußen und hastete den Bohlensteig entlang.

»Komisch. Entweder hab ich was mit den Lauschern, oder Sie und Ihre Freunde haben sich die Knallerei nur eingebildet. Ich hab jedenfalls nichts gehört«, meinte Cutler.

»Der Sheriff auch nicht. Aber er ist nicht so dumm, mir zu widersprechen.«

»Verstehe. Sie sind also die Leute, die mir an die Wäsche wollen.«

»Na, na. Wer wird denn gleich das Schlimmste denken? Obwohl ich guten Grund dafür hätte. Aber ich bin ein gutmütiger Mensch, Mister. Sie haben sich nach mir erkundigt, und ich wollte herausfinden lassen, wer nach mir fragt. Ich weiß es immer noch nicht. Trotzdem habe ich bereits sieben gute Männer verloren.«

»Es hat sie nicht die Bohne interessiert, wer ich bin und was ich von Ihnen will. Sie hatten entschieden, dass das auch nicht sonderlich wichtig war.«

»Befriedigen Sie meine Neugier, Mister.«

»Ich war vor ein paar Tagen unten in Utah. Hab dort eine Lady namens Miranda getroffen, die in den höchsten Tönen von Ihnen schwärmte. Sie meinte, der mächtige und reiche Ashford Lyndon hätte einen Job für mich.«

Lyndon zeigte mit keiner Miene, ob er die Geschichte glaubte oder nicht. Er blickte auf Cutler und spielte mit seinem Hut. »Die liebe Miranda«, sagte er schließlich. »Ein richtiges Plappermäulchen.« Ein grausamer Schimmer trat in seine Augen. »Diese Stadt, Mister, habe ich zu dem gemacht, was sie heute ist. Ein Ort des Friedens und der Ruhe. Wenn hier geschossen wird, dann sind es meine Leute, die dies tun. Denn diese Stadt gehört mir. Sie haben sich erdreistet, den Frieden zu stören, Mister! Der letzte Mann, der frech genug war, hier Unruhe zu stiften, liegt auf dem Stiefelhügel. In einem namenlosen Grab. Wir wollen nicht, dass es Ihnen genauso ergeht.«

»Wir wollen wissen, wen wir begraben«, fügte Garland hämisch hinzu.

»Mr. Garland, ich bitte Sie!«

»Verzeihung, Sir.«

»Sie werden mir Ihren Namen verraten, Mister. Danach werden Sie von einem ordentlichen Gericht abgeurteilt, und ich werde mir in der Zwischenzeit überlegen, wie das Urteil lauten wird.«

»Wunderbar. Der Sheriff, der Richter, die Jury - alle leben von Ashford Lyndons Geld. Und deshalb werden sie so entscheiden, wie Sie es gerne hätten. Heben Sie den Daumen, lebe ich. Falls nicht, wird ein Galgen gebaut.«

»Ach, Mister, die Mühe werden wir uns diesmal wohl sparen. Es kostet Zeit und Geld, ein Gerüst zu fertigen. Falls Sie zum Tode verurteilt werden, hängt man Sie entweder an einem Baum vor dem Friedhof auf, oder Sie werden erschossen.«

»Sie haben sich alles wunderbar zurechtgelegt, wie ich sehe. Eigentlich hatten Sie ja damit gerechnet, dass ich von Ihren Leuten erledigt werde. Sie müssen mächtig Angst haben, wenn Sie jedem, der sich nach Ihnen erkundigt, eine Killerhorde auf den Hals hetzen.«

»Man muss vorsichtig sein, Mister. Ich bin nicht unvermögend, wie Sie wissen.«

»Ist jedenfalls eine komische Art, Besucher zu empfangen. Ich war doch nur auf der Durchreise.«

»Und wo sollte Sie Ihr Weg hinführen?«

»Rüber nach Montana.«

»Was wollten Sie denn dort?«

»Geschäfte.«

»Welcher Art?«

Cutler hob die Schultern.

»Unser Gespräch hatte einen vielversprechenden Anfang genommen, Mister, aber ich muss leider sehen, dass Sie immer noch sehr verstockt sind. Das ist höchst bedauerlich.« Lyndon wandte sich ab. »Mr. Garland, kümmern Sie sich doch ein wenig um unseren Gast. Vielleicht zeigt er sich bei Ihnen gesprächiger. Sie werden mir dann berichten.«

Cutler schnellte von der Pritsche. »Das können Sie nicht tun, Lyndon. Wenn Sie mich von Ihren Schlägern verprügeln lassen, erfahren Sie nichts. Gar nichts!«

»Walten Sie Ihres Amtes, Mr. Garland.«

Cutler wich zurück, als der Muskelprotz den Zellenschlüssel vom Schreibtisch des Sheriffs holte und sich langsam näherte. Rasend schnell entschied er sich, alles auf eine Karte zu setzen. Nicht, dass er sich vor den Prügeln gefürchtet hätte, aber er wollte versuchen, Lyndon neugierig zu machen. Vielleicht ließ man ihn dann sogar frei ...

»Okay, ich erzähle Ihnen alles!«

Lyndon wandte den Kopf. »Ich höre ...«

»Ich suche eine Lady. Wir sind schon lange befreundet. Ich erfuhr, dass sie mit Ihnen bekannt ist, deshalb bin ich hier. Ich wollte sie nur wiedersehen, das ist alles.«

»Ich habe einen großen Bekanntenkreis, Mister.«

Der Schlüssel klapperte im Schloss. »Prudence McDowell.«

Lyndon legte nachdenklich die Stirn in Falten. »Nie gehört. Tut mir außerordentlich Leid, Mister, aber Sie haben mir wohl schon wieder einen Bären aufgebunden. Mr. Garland, fahren Sie fort ...«

Cutler befand sich bereits in Bewegung, als die Gittertür aufschwang. Mit beiden Füßen traf er Garland vor der mächtigen Brust und stieß ihn nach hinten. Sofort setzte er nach und rammte seine Faust gegen Garlands Hals.

Cutler kämpfte wie ein Puma, gewandt, hart, verbissen. Gegen Garland hätte er wohl noch eine Chance gehabt, aber gegen drei Schläger gleichzeitig konnte er in dieser Situation nicht ankommen.

Ashford Lyndon hatte das Sheriff’s Office bereits verlassen und fing Mortimer auf dem Gehsteig ab, als die Schläge auf Cutler niederprasselten.

Sie waren Meister ihres Fachs und verstanden es, den Willen eines Mannes zu brechen. Aber bei Cutler hatten sie kein Glück. Sie erfuhren nichts von ihm und ließen erst von ihm ab, als sie ihn zweimal bewusstlos geschlagen und wieder zur Besinnung gebracht hatten.

Er lag halb unter der Pritsche. Garland versetzte ihm einen gemeinen Tritt in die Rippen, als er mit seinen Kumpanen die Zelle verließ.

»Wir sind noch nicht fertig, Mister. Du bist ganz schön hart im Nehmen, aber wir kriegen dich klein ...«

Lachend verließen sie das Büro.

Cutler regte sich nicht.

*

»Findet mir das verdammte Luder!«

Bradford Deakon war außer sich vor Wut. Er stampfte durch die düstere Gaststube und schwenkte eine halbvolle Brandyflasche.

Dean schreckte zusammen. Er lag schon wieder - oder noch immer - auf der drallen Lucy. Sie hatte ihre dicken Schenkel um seine Hüften geschlungen. Sein Kopf lag zwischen ihren großen Brüsten, die ihn zu ersticken drohten. Vor dem dunklen Hintergrund sah man deutlich sein nacktes Hinterteil, das sich zwischen Lucys Schenkeln eifrig hob und senkte.

»Ich will dieses verdammte Miststück haben!«, wetterte Bradford, setzte die Flasche an und ließ die scharfe Flüssigkeit in seine Kehle gluckern. Er rülpste laut und vernehmlich, als er die Flasche absetzte.

»Reg dich ab«, brummte Clyde, der jüngste Bruder. Er hatte einiges über die junge Lady erfahren, das ihm und besonders Bradford nicht gefallen hatte. Vor ihm auf dem Tisch lagen Kopien von Telegrammen, deren Texte sehr aussagekräftig waren.

Bradford hämmerte mit der Faust auf den roh gezimmerten Tisch, dass Gläser und Flaschen tanzten. »Dieses Dreckstück hat uns ausspioniert und ist drauf und dran, uns än den Galgen zu liefern, und ich soll mich nicht aufregen? Dein Gemüt möchte ich haben, Kleiner.«

Clyde erhob sich zu voller Größe von über sechs Fuß, holte tief Luft und schaute fast mitleidig auf seinen älteren Bruder hinunter.

»Schon gut, Clyde, hab’s kapiert.«

Aus der Ecke klang heftiges Keuchen und Stöhnen herüber.

»Sieh zu, dass du fertig wirst, Dean. Ich will nicht den ganzen Tag hier versauern und dir beim Vögeln zuschauen müssen.«

Clyde trat hinter den Schanktisch und zapfte sich ein Bier. Gierig schlürfte er den Gerstensaft und schenkte sich nach. Der Wirt, der auch einen kleinen Handelsposten betrieb, kümmerte sich um den Laden.

»Sie ist bestimmt noch nicht weit gekommen. In Billings ist sie jedenfalls nicht. Wir holen sie ein. Wo soll sie auch hin? Sie kennt sich hier nicht aus und geistert bestimmt irgendwo durch diese Scheißberge.«

Bradford ließ wieder einen lauten Rülpser hören. »Und wenn nicht? Was ist, wenn sie sich einen Gaul besorgt hat und zum nächsten Sheriff unterwegs ist? In ein paar Tagen wimmelt es hier von Staatenreitern, Jungs. Wir müssen sie finden, bevor sie auspacken kann. Dieses gottverdammte Luder! Wie konnte ich ihr nur auf den Leim gehen?«

»Das wäre jedem anderen auch passiert. Die Lady versteht es eben, einen Mann um den kleinen Finger zu wickeln.«

Bradford schwenkte die Flasche in Deans Richtung. Billiger Fusel ergoss sich in hohem Bogen über den Boden und traf auch Deans Kehrseite. »Sie ist keine Lady! Sie ist ein verdammtes Dreckstück, dem ich eigenhändig den Hals umdrehen werde!«

»Aber zuerst überlässt du sie mir, Bruderherz. Ich wollte sie wirklich schon lange mal ausprobieren ...«

»Schwätzer. Du wirst ja nicht mal mit dieser alten Vettel fertig ...«

Dean verdoppelte seine Anstrengungen.

»Wir können bei den Cotters nachfragen. Die Schlampe hat sich doch mit Amy ziemlich gut verstanden. Und zu holen gibt es dort sicherlich auch was«, schlug Clyde vor.

Bradford stierte ihn an, rülpste ihm eine Schnapsfahne ins Gesicht. Er tätschelte die Wange seines Bruders. »Du bist gar nicht so dumm, wie du aussiehst, Kleiner.«

Clydes Augen funkelten wütend. Die Flügel seiner breiten Nase zuckten. Seine riesigen Hände ballten sich zu Fäusten. Er stemmte sich hoch.

»Ist schon gut, Clyde. Ich hab’s nicht so gemeint. Aber der Vorschlag ist gut.« Bradford stand auf und zog seine Hose hoch. »Wenigstens gebrauchst du deinen Grips. Im Gegensatz zu deinem Bruder, der nur mit dem Schwanz denkt!«

Er stampfte zu Dean hinüber und versetzte ihm einen heftigen Tritt in den Hintern. Der Bursche gab einen Schmerzensschrei von sich, was das Finale weiter verzögerte.

Bradford musste noch etliche Züge aus der Flasche nehmen, bevor Dean laut grunzte und zu zittern begann. Wenig später rollte sich der drahtige Bandit von seiner Bettgenossin herunter, die sich nicht die Mühe machte, ihre Blößen zu bedecken. Ihre gewaltigen Brüste hingen schlaff herab, und Speckfalten verbargen das dichte schwarze Dreieck ihrer Scham.

Sie spreizte die dicken Schenkel noch weiter und zeigte Bradford und Clyde mit einem breiten Grinsen ihre Zahnlücken. »Na, wer will noch mal und hat noch nicht?«, fragte sie einladend.

Clyde wandte sich angewidert ab. Bradford verschluckte sich am Fusel. Dean fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. »Ich würde ja noch mal, Schätzchen, aber ich glaube, meine Brüder wären damit nicht so ganz einverstanden.«

Bradford packte Dean hastig am Kragen und schleifte ihn zur Tür. »Wenn du jetzt nicht endlich die Finger von den Weibern lässt, schneide ich ihn dir ab, klar?«

Dean zog die Machete, legte den kühlen Stahl an seine Wange und schloss die Augen. Er liebte das Gefühl des Metalls auf seiner Haut.

Clyde versetzte ihm einen derben Stoß in den Rücken. Das Messer rutschte ab. Ein Schnitt zog sich über Deans Wange. Blut schoss hervor und rann bis zum Kinn.

Mit einem heiseren Wutschrei wirbelte Dean zu dem Hünen herum. »Ich schlitze dich auf!«, brüllte er und schwang die blitzende Klinge.

Bradford fuhr dazwischen und verpasste Dean ein paar Faustschläge, die ihn nach draußen beförderten. »Eure ewige Streiterei geht mir auf den Sack!«, brüllte er.

*

Sie standen auf dem steinigen, tief ausgefahrenen Weg, der sich zwischen den wenigen windschiefen Hütten der Bergsiedlung dahinwand. Außer ihnen ließ sich keine Menschenseele blicken.

Bradford dachte an die schöne Prudence, die ihm den Kopf verdreht hatte. Seit sein alter Freund und Sattelpartner Ash Lyndon sie ihm vorgestellt hatte, war er verrückt nach dieser feinen Lady gewesen. Sie hatte ihm Hoffnungen gemacht, war ständig zwischen Rosebud, Billings und der Bergsiedlung hin und her gependelt. Sie hatte sich mit Amy Cotter, einer Rancherstochter, angefreundet und übernachtete auf ihren Trips oft bei den Cotters.

Nach und nach hatte sie das Trio des Teufels ausspioniert, und sie hatten es nicht gemerkt. Bradford hätte sich selbst dafür in den Hintern treten mögen, dass er wie ein blinder, liebeshungriger Grizzly diesem durchtriebenen Luder auf den Leim gegangen war.

Nun gab es nur noch ein Ziel für das Trio des Teufels: Prudence McDowell musste gefunden und kaltgestellt werden ...

Auf verschlungenen Pfaden jagten sie ins Tal. Zur Ranch von Arnos Cotter.

Gemächlich ritten die Brüder auf den Ranchhof. Einige Männer und Frauen waren zu sehen. Ein junges Mädchen fütterte die Hühner. Ein alter, hinkender Stallknecht versorgte Pferde im Corral.

»Ich will Amy Cotter sprechen«, sagte Bradford leise. »Mit den anderen könnt ihr machen, was ihr wollt. Clyde, du siehst nach, ob du Geld oder Schmuck findest.«

Schritte polterten auf der Veranda. Amos Cotter kam aus dem Haus. Sein Hemd war halb geöffnet, die Ärmel hochgewickelt. Darunter bedeckte der helle Stoff seines Unterhemdes die dicken Arme.

»Was führt Sie her, Mister?«

»Wir suchen Prudence McDowell.«

»Kann Ihnen da leider nicht helfen. Sie war schon eine ganze Weile nicht mehr hier.«

Clyde trampelte die Verandastufen hoch und schob den Rancher beiseite.

»He, Mister, bleiben Sie von der Tür weg!«, bellte Cotter und legte seine Hand auf Clydes Schulter, um ihn zurückzuhalten.

Ein Mann im Hof wurde aufmerksam und ging zum Mannschaftshaus, wo er eine Schrotflinte ergriff und sich drohend näherte.

Bradford nickte Clyde zu. »Gehen wir’s an, Jungs.« Er zog den Colt und jagte dem Flintenträger zwei Kugeln in die Brust.

Die Schüsse gingen im Klirren einer Fensterscheibe unter. Clyde hatte den Rancher mehrmals wuchtig gegen einen Verandabalken gedonnert und ihn anschließend durch ein Fenster geworfen.

Der Hüne polterte ins Haus und fegte mühelos die Männer und Frauen zur Seite, die sich ihm in den Weg stellten.

Auf dem Hof bellten Schüsse. Bradford feuerte auf alles, was sich bewegte.

Das Mädchen schrie gellend auf, als Dean in den Hühnerstall geritten kam und mit gezückter Machete aus dem Sattel sprang. Sie drängte sich in den hinteren Teil des Stalls. Federvieh flatterte aufgeregt davon. Dean ließ die Klinge durch die Luft sausen. Blutige Federn und zuckende Körper wirbelten herum.

Zwei Männer tauchten an der Tür auf, um dem Mädchen zu Hilfe zu eilen.

Dean bewegte sich mit tänzerischer Leichtigkeit. Ehe es sich die beiden Gegner versahen, hatte ihnen die Klinge fürchterliche Wunden beigebracht.

Das Trio des Teufels machte seinem Namen alle Ehre.

Clyde schleifte Amy Cotter aus dem Haus. Sie taumelte wie eine Marionette neben seiner riesigen Gestalt. Ihr Kleid war zerrissen. Halbnackt brach sie vor Bradfords Pferd in die Knie.

»Wo ist Prudence, Miss?«, fragte Bradford leise.

»Ich weiß es nicht.«

»Sie hat dir nicht gesagt, wo sie sich verborgen hält? Was sie vorhatte? Sie wird doch keine Geheimnisse vor ihrer Freundin gehabt haben ...«

»Prudence war schon lange nicht mehr hier, glauben Sie mir. Ich habe keine Ahnung, wo sie sich aufhält.«

Bradfords Augen funkelten böse. »Das ist schade, Miss. Wirklich schade.«

Amy schrie und weinte beim Anblick der barbarischen Grausamkeiten.

Clyde durchstöberte das Haus. Er zwang den Rancher, den Tresor zu öffnen, ehe er den Verletzten seinem Schicksal überließ. Mit einer Geldkassette und einer Schmuckschatulle kehrte Clyde auf die Veranda zurück.

Wenig später loderten die ersten Flammen aus den zersplitterten Fenstern des Ranchhauses. Auch der Hühnerstall, Scheune und Mannschaftshaus gingen in Flammen auf.

Bradford brach mit einem wohlgezielten Schuss das Schloss der Geldkassette. »Sechstausend Dollar«, murmelte er, nachdem er den Inhalt gezählt hatte. »Nicht übel.«

»Aber die Lady haben wir damit immer noch nicht«, gab Clyde zu bedenken.

»Sie ist keine Lady, verdammt!«, brüllte Bradford. »Dann werden wir die Berge eben absuchen müssen. Zoll für Zoll. Und mit den Weidehütten fangen wir an. Jeder Cowboy, der uns begegnet, beißt ins Gras!«

»Was ist mit ihr?«, fragte Dean und deutete mit seiner Machete auf Amy, die immer noch am Fuß der Verandastufen kauerte.

Ohne zu antworten, hob Bradford den 44er und drückte ab.

Mit heiseren Schreien trieben sie ihre Pferde an und preschten durch das Ranchtor.

Die schwarzhaarige Frau, die sich kurz darauf aus der Deckung eines Wäldchens arbeitete und zum Ranchhaus eilte, bemerkten sie nicht mehr.

Die Tränen strömten über das Gesicht der Frau, als sie den leblosen Körper ihrer Freundin in den Armen hielt und die Spuren sinnloser Zerstörung betrachtete. In diesen Augenblicken schwor sich Prudence McDowell, dass die Deakon-Brüder für ihre Grausamkeiten bezahlen würden. Wenn kein Sheriff und kein Gericht dieser Welt diese Irren stoppen konnten, dann würde sie es eben tun!

*

Aber im Augenblick war sie weit davon entfernt, ihren Schwur zu erfüllen, denn sie steckte bis zum Hals in anderen Schwierigkeiten.

Eine flache Hand klatschte in ihr Gesicht. Ihr Kopf sauste herum. Sie wankte und stützte sich an einer Kommode ab.

»Was will der Kerl von dir?«, dröhnte Ashford Lyndons Stimme durch den Raum.

»Wie soll ich dir eine Antwort geben, wenn ich nicht mal weiß, von wem du sprichst?«

»Der Bastard, den Mortimer eingelocht hat. Er hat sieben meiner besten Männer umgelegt und sagt, dass er dich sucht.«

»Wie heißt er denn?«

Lyndon hob die Schultern.

»Woher soll ich dann wissen, was er von mir will?«

Lyndon beruhigte sich nur mühsam. Er goss sich einen Drink ein und leerte das Glas in einem Zug.

Prudence trat hinter ihn und häng te sich an seinen Arm. Sanft streichelte sie seine Wange, kraulte seinen Nacken. Der Kerl widerte sie zwar an, aber im Augenblick war er ihre einzige Hoffnung.

Auf der Cotter-Ranch hatte sie sich einen Wagen genommen und war direkt hierher gefahren. Aus Angst, den Deakons zu begegnen, hatte sie Billings gemieden. Hier in Rosebud fühlte sie sich vorerst sicher. Sie wollte noch die letzten Beweise gegen Lyndon finden und dann so rasch wie möglich die Gegend verlassen.

Lyndon packte Prudence am Kinn. »Wenn ich erfahre, dass du etwas mit dem Kerl oder mit einem anderen hast ...«

Prudence versuchte etwas zu sagen, brachte aber kein klares Wort hervor.

»Hast du noch in der Stadt zu tun?«, fragte sie scheinheilig, als Lyndon sie freigab. »Oder gehen wir nachher essen?«

Lyndon brummte etwas Unverständliches.

»Ich werde mich noch ein wenig ausruhen und mich frisch machen, wenn du erlaubst. Holst du mich ab? So gegen acht?«

Lyndon antwortete nicht. Er kippte sich einen weiteren Brandy hinter die Binde.

»Ich betrüge dich nicht, Ash«, versicherte sie leise.

»Warum fährst du dann immer rüber nach Montana?«

»Wegen Amy Cotter.« Der Blick der jungen Frau verschleierte sich, als sie daran dachte, dass sie ihre Freundin nicht mal hatte beerdigen können. »Es gibt vieles, was ich ihr beibringen kann. Sie kommt doch kaum weg von ihrer Ranch. Ich erzähle ihr vom Leben in den Städten, wie das Freundinnen nun mal tun.«

Der massige Geschäftsmann stapfte zur Tür und drehte sich nicht mehr um.

Wie Prudence es sich gewünscht hatte, ließ er sie abholen. Sie hatte sich dezent geschminkt. Ihr Gesicht wirkte etwas fahl, aber wunderschön. Das dichte, schwarze Haar hatte sie hochgesteckt. Ihre Rundungen hatte sie in ein eng anliegendes, schwarzes Kleid gezwängt.

Als an die Tür geklopft wurde, öffnete sie und prallte zurück, als sie den Leibwächter Garland vor sich sah. »Wo ist Ash?«

»Später, Lady!«

Prudence konnte gerade noch ein Pelzcape ergreifen, bevor Garland sie aus dem Zimmer zerrte.

»Sie tun mir weh, Garland!«

»Lady, das ist nichts im Vergleich zu den Schmerzen, die Sie bald verspüren werden.«

In Prudence schrillten sämtliche Alarmglocken. Irgendetwas war schief gegangen. Sie fühlte sich wie eine Maus, die man in eine Ecke gedrängt hatte, während der Kater bereits die Krallen schärfte ...

»Hättest du die Güte, mir zu erklären, warum du mich wie eine Gefangene behandeln lässt?«, fauchte sie, als Garland sie zu seinem Boss brachte.

Sie bemerkte die Wut und den Hass in Lyndons Augen. Er kramte ein Blatt Papier aus der Innentasche seines Jacketts und stieß es in ihre Hand. »Ich denke, du bist mir eine Erklärung schuldig, meine Liebe.«

Sie überflog den Inhalt des Schreibens. Eigentlich hätte es genügt, die Unterschrift zu lesen.

Es war ein Telegramm. Abgeschickt in Billings, Montana. Unterzeichnet mit Bradford.

Ihre Lippen bebten. »Du vertraust mir nicht mehr? Ist dir dein Freund Bradford wichtiger als ich?«

Sein Gesicht war ganz nah vor ihr. »Ich habe dir vertraut, meine Liebe. Bedingungslos. Du hast dieses Vertrauen ausgenützt. Du steckst mit dem Kerl, der meine Leute abgeknallt hat, unter einer Decke. Ich glaube sogar, dass du ihn hierher beordert hast. Für wen arbeitest du? Für die Pinkertons? Ist auch egal. Du wolltest einen schönen Abend verbringen, und das wirst du auch. Ich weiß einen wunderschönen Ort, wo du zur Besinnung kommen wirst, mein Schatz. Bis dich meine Freunde aus Montana abholen.«

»Das kann nicht dein Ernst sein ...«

»Du hast Angst? Dazu hast du doch keinen Grund, meine Liebe. Ich dachte, du hast nur Freunde in Montana besucht. Oder hast du mich etwa doch belogen? Na, mein alter Sattelpartner Bradford wird es schon aus dir rauskitzeln.«

»Das darfst du nicht, Ash. Bedeute ich dir denn nichts mehr?«

»Schaff sie mir aus den Augen, Garland.«

*

Die Zelle, in die man sie brachte, lag im Dunkeln. Von draußen drang kein Licht herein. Die Verbindungstür zum Büro des Sheriffs war geschlossen.

Die Zellentür knallte hinter ihr ins Schloss. Entmutigt ließ sie sich auf die Pritsche sinken, fuhr aber gleich wieder hoch, als sie unter sich einen weichen Körper spürte.

Vorsichtig ließ sie ihre Hände über die Beine, den straffen Bauch und die Brust gleiten, bis sie ein Gesicht berührte.

»Sie können ruhig weitermachen, Lady«, sagte Cutler leise. »Hätte nicht erwartet, dass man mir eine so angenehme Gesellschaft gönnt.«

Hastig zog sie ihre Hand zurück. »Sie müssen der Mann sein, der Ashs Männer ...«

»Bin ich.«

»Man wird Sie dafür töten.«

»Möglich.«

»Das macht Ihnen überhaupt nichts aus, Mister?«

»Ich werde versuchen, es zu verhindern. Falls es nicht klappt, habe ich eben Pech gehabt.«

Prudence marschierte auf und ab. »Wie können Sie nur so ruhig bleiben, wenn man Sie jeden Augenblick aufknüpfen oder abknallen kann?«

»Lyndon ist ein ziemlicher Kotzbrocken. Aber ich glaube nicht, dass er Lynchjustiz zulässt. Er will den Schein wahren. Ich werde eine ordentliche Verhandlung bekommen und als Mörder hingestellt werden. Bis dahin habe ich genug Zeit, mir etwas einfallen zu lassen.«

»Die haben Sie eben nicht, Mister. Hier geht es nämlich nicht nur um Sie, sondern mittlerweile auch um mich. Drei Männer sind auf dem Weg hierher. Und wenn sie hier eintreffen und mich in dieser verdammten Zelle finden, werden sie mich töten. Und Sie, Mister, wird man kaum als Zeugen am Leben lassen. Also strengen Sie gefälligst Ihr Hirn an und bringen Sie uns hier raus!«

Cutler grinste belustigt, aber das konnte sie nicht sehen. »Ich wüsste nicht, was mich Ihre Probleme angehen, Lady. Ich hab selbst genug am Hals.«

Prudence verlor die Fassung. Sie stürzte sich auf ihn und trommelte mit ihren kleinen Fäusten auf seiner Brust herum. »Sie unverschämter Mistkerl! Sie haben sich doch nach mir erkundigt. Ich kenne Sie nicht, aber offenbar liegt Ihnen etwas daran, mich kennen zu lernen. Holen Sie mich hier raus, Mister, dann widme ich Ihnen alle Zeit, die Sie wollen.«

»Werfen Sie sich immer so schnell wildfremden Männern an den Hals? Wundert mich kein Bisschen, dass Sie in brenzlige Situationen geraten. Wenn das Colonel Sheridan wüsste ...«

»Was haben Sie mit Sheridan zu tun?«

»Er wünscht, dass ich ein Auge auf Sie werfe, Prudence.«

»Dann tun Sie das doch!«

»Geht nicht.«

»Wieso denn nicht, um Himmels Willen?«

»Zu dunkel. Ich sehe nichts.«

Bevor Prudence ihrer Entrüstung Luft machen konnte, wurde die Tür zum Zellengang aufgerissen. Im Laternenschein sah Cutler, dass er die Zelle mit einer atemberaubend schönen Frau teilte.

Deputy Willie schlurfte heran und entzündete zwei Lampen, die an Wandhalterungen angebracht waren. Hinter ihm drängten Ashford Lyndons Leibwächter heran.

»Mr. Lyndon wünscht, dass wir uns noch mal unterhalten, Mister. Aber nicht nur mit Ihnen, sondern auch mit der hübschen Lady. Sie haben Mr. Lyndon schwer enttäuscht, Prudence. So was schätzt er überhaupt nicht. Er ist ein Mann mit Prinzipien. Und sein oberstes Prinzip lautet, wenn jemand seine Mitmenschen hintergeht, dann ist er es. Was ging nur in Ihrem hübschen Kopf vor, Prudence? Mr. Lyndon hat einige Fragen, und Sie werden sie mir beantworten.«

Cutler kam auf die Füße und baute sich vor Prudence auf.

»Aus dem Weg, Großer. Um dich kümmern wir uns nachher. Du hast uns deinen Namen noch nicht verraten.«

Cutler wartete, bis Willie die Zelle aufgeschlossen hatte. Mit einem Satz stand er an der Tür und versetzte Garland einen gewaltigen Schwinger, der ihn aus dem Weg fegte.

Aber er hatte es noch mit zwei anderen Muskelprotzen zu tun. Garland zog den Revolver und rammte Cutler den Lauf in den Leib. Und dann hagelten wieder die Fausthiebe auf ihn nieder, trieben ihn quer durch die Zelle und gegen die Wand.

Die Schläger verschonten sein Gesicht. Die Bürger und der Sheriff von Rosebud sollten keine Spuren von Lyndons Brutalität entdecken.

Keuchend und hustend krümmte sich Cutler neben der Pritsche zusammen. Er brauchte mehr Platz, um sich die Burschen vorzunehmen. In dieser engen Zelle konnte er nichts gegen sie ausrichten.

Garland beachtete ihn nicht weiter, sondern näherte sich Prudence, die verängstigt zurückwich.

»Mein Boss meint, du arbeitest für jemanden. Er glaubt, es gibt einen bestimmten Grund, warum du seine Aufmerksamkeit erregt hast. Er will, dass du uns diesen Grund verrätst.«

»Gehen Sie zum Teufel!«

»Das ist aber nicht nett, Lady. So kenne ich dich gar nicht. Die feine Lady, die immer so viel Wert auf gute Umgangsformen legte, entpuppt sich als billiges Flittchen.«

Die Ohrfeige knallte in das hübsche Gesicht. Prudence stieß einen wilden Schrei aus und stürzte sich auf Garland. Ihre Fingernägel zogen blutige Striemen durch seine Wange.

»Ah, die Katze zeigt die Krallen!« Garland bekam Prudence zu fassen, sprang auf die Pritsche und hielt sie mit dem Kopf nach unten. »Was würdest du sagen, wenn ich dich auf dein hübsches Köpfchen fallen lasse, Lady?«

Prudence streckte die Arme aus, holte Schwung und warf sich nach vorn. Ihr Kopf prallte zwischen Garlands gespreizte Beine.

Garland fiel mit einem schrillen Aufschrei gegen die Wand. Prudence konnte sich aus seinem Griff befreien und spuckte aus.

Garland schrie und jammerte. Tränen schossen aus seinen Augen. Er presste beide Hände vor seine malträtierte Männlichkeit. Unter unsäglichen Schmerzen gelangte er von der Pritsche herunter und hinkte breitbeinig zur Tür.

»Was machen wir mit den beiden?«, wollte Cully wissen und fingerte nach seiner Bullenpeitsche.

»Später. Oh, sind das Schmerzen ...«

Willie schloss die Gittertür ab, ließ die Lampen brennen und folgte den Schlägern nach draußen.

*

Als Garland und seine Kumpane das Office verlassen hatten, kehrte der Deputy zurück.

»Pech für euch, dass Sheriff Mortimer die Stadt verlassen hat.« Willie freute sich richtig. »Mister Garland und seine Freunde werden noch eine Menge Spaß mit euch haben. Und ich auch!« Er schlug den selbst gefertigten Schlagstock gegen die Gitterstäbe. »Würde mich mächtig interessieren, wieso Mister Lyndon Sie eingesperrt hat, Lady. Vielleicht könnte ich mir ein paar Dollar zusätzlich verdienen, wenn ich ihm die Informationen verschaffe, die er haben will. Was glauben Sie?«

»Sie sind nur eine kleine, miese Ratte, die ihrem Herrn in den Arsch kriecht, Willie. Gehen Sie nach Hause zu Ihrer Mutter. Der Job ist nichts für kleine Jungs!«

Willie wurde rot bis zu den Haarwurzeln. Wild hieb er auf das Gitter ein, verausgabte sich, bis ihm der Speichel über die Lippen blubberte. »Ich krieg dich klein, Lady. Du riskierst deine große Lippe nicht mehr lange! Wart’s ab! Ich mach dich fertig!«

Er verließ den Zellengang und verschwand im Büro. Wütend rammte er die Tür ins Schloss.

Cutler erhob sich mühsam, stieß keuchend den Atem aus. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Sein Leib schmerzte höllisch.

»Wir müssen hier raus. Wenn die Kerle wiederkommen, kann ich nichts mehr für Sie tun«, stieß er heiser hervor.

»Toll. Auf die Idee bin ich auch schon gekommen. Und was, bitteschön, haben Sie denn schon für mich getan?«

»Ich habe Sie gefunden, und ich bin hier.«

»Dem Schicksal sei gedankt. Soll ich jetzt vor Glück schreien?«

»Kein schlechter Gedanke. Aber vorher ziehen Sie sich aus.«

»Ich soll was? Sagen Sie mal, Garland hat nicht zufällig Ihren Kopf getroffen, oder?«

»Runter mit den Fetzen, wenn Sie hier rauswollen!«

Seine Stimme duldete keinen Widerspruch. Sie streifte das Cape ab, schälte sich aus ihrem Kleid und entblößte schwarzrote Unterwäsche.

Cutler legte sich auf das Bett. »Nun zeigen Sie mal, ob Sie reiten können!«

»Lyndon hatte Recht. Sie sind ein verdammter Bastard!«

»Beeilung! Garland und seine Freunde können jeden Augenblick zurückkommen!«

Missmutig schwang sie sich über ihn. Er berührte ihre Schenkel unter den hauchdünnen, schwarzen Seidenstrümpfen, spürte den weichen Stoff ihres Mieders.

Sie saß auf ihm und errötete, als sie seine Erregung bemerkte.

»Stöhnen Sie! So laut Sie können!«

Die ersten Laute kamen heiser, dann immer heftiger.

Cutler bockte unter ihr. Die Pritsche ächzte und knarrte. Er schaute zur Tür und gab Prudence zu verstehen, dass sie sich mehr anstrengen sollte.

Es dauerte lange, bis Willie aufmerksam wurde.

Er riss die Tür auf, starrte zu ihnen hinüber.

Schlagartig verstummte das Stöhnen. Cutler griente ihn an, winkte ihm. Prudence lag neben Cutler und lächelte Willie an.

Der Deputy runzelte die Stirn und kehrte in das Büro zurück, wo er vor einem Damebrett saß und sich vergeblich das Gehirn nach neuen Zugvarianten zermarterte.

Kaum hatte er Platz genommen, begann das Stöhnen von neuem.

Mit eiligen Schritten war er bei der Tür, und wieder bot sich ihm das Bild der einträchtig nebeneinander liegenden Gefangenen, die ihm freundlich winkten.

Ein drittes Mal wiederholte sich das Spiel.

Willie war es satt. Er überlegte, ob er Mr. Lyndon Bescheid geben sollte, entschied sich dafür und war bereits an der Tür, als ein gellender Schrei ertönte.

Wie der Blitz sauste Willie in den Zellengang.

Sein Mund klappte weit auf, als er Prudence auf der Pritsche kauern sah. Das Mieder hatte sich gelöst. Ihre festen Brüste lagen frei und schwangen bei jedem Stoß mit.

Willie leckte sich über die Lippen. Der Anblick dieses wunderbaren Körpers ließ ihn beinahe die Beherrschung verlieren.

»Er ist weg. Er wollte mich ... Und als ich geschrien habe, ist er einfach verschwunden!«

Ihre Stimme riss Willie aus seinen lüsternen Gedanken. Er ließ seine Blicke durch die Zelle wandern. Von Cutler war keine Spur zu entdecken.

Panischer Schrecken durchzuckte ihn. Er schloss die Zelle auf und zerrte den Revolver aus dem Holster. »Weg!«, rief er. »Ihr haltet mich wohl für total behämmert! Der Kerl versteckt sich unter dem Bett und wartet nur darauf, dass ich dir an die Titten gehe. Von wegen! Nicht mit Willie!«

Er richtete den Colt auf die Pritsche. »Komm raus, Mister, oder du kriegst ein paar Kugeln ab!«

Nichts regte sich.

»So glauben Sie es doch. Er ist weg!«, beteuerte Prudence und bemühte sich, ihre Brüste wieder einzupacken.

»Den Scheiß kannst du Mr. Lyndon erzählen oder dem Sheriff, aber nicht mir!« Willie beugte sich nieder und starrte unter das Bett.

Da war niemand.

»Das gibt’s doch nicht!«, murmelte er und drehte den Kopf, als etwas auf seinen Schädel tropfte.

Über ihm hatte sich Cutler lang an der Zellendecke ausgestreckt und stemmte sich mit Händen und Stiefelspitzen an den Wänden ab. Ein breites Grinsen lag auf seinem schweißüberströmten Gesicht.

»Alles Gute kommt von oben, Willie.«

Der Deputy konnte nicht mehr ausweichen und auch die Waffe nicht in Anschlag bringen. Cutler krachte mit seinem ganzen Körpergewicht auf ihn und schlug wohlgezielt zu. Benommen sackte Willie weg.

Der große Mann zerrte ihn hoch, nahm ihm die Waffe ab und warf Prudence das Pelzcape zu. Im selben Augenblick klarte sich Willies Blick. Er tastete nach seinem Schlaginstrument und holte zum Hieb aus.

Cutler rammte ihm den Ellbogen in die Magengrube. Prustend entwich Willie der Atem. Cutler bekam ihn an den Schultern zu packen und zerrte ihn mit Schwung gegen die Gitterstäbe.

Cutler schob Prudence nach draußen, schloss die Zelle ab und winkte Willie zu, der sich abmühte, seinen Kopf zwischen den zwei. Gitterstäben wieder hervorzuziehen. Dabei behinderten ihn seine abstehenden Ohren, die wie Widerhaken wirkten.

Der Deputy brüllte, dass die Wände wackelten.

Cutler brachte ihn mit einem Faustschlag zum Schweigen. Aus dem Schreibtisch des Sheriffs nahm er den Revolvergurt mit dem Remington und schlang ihn um die Hüften. Er griff sich eine Winchester und eine kurzläufige Schrotflinte aus dem Gewehrregal.

»Zum Mietstall«, raunte er Prudence zu. Er hätte sich liebend gern mit Lyndon befasst, fühlte sich aber im Moment nicht in der körperlichen Verfassung dazu, es mit den Leibwächtern aufzunehmen.

*

Unauffällig verließen sie das Büro, gingen den Gehsteig entlang, überquerten die Straße und hatten den Stall schon fast erreicht, als Prudence mit einem Mann zusammenrempelte, der sich im Schatten eines Vorbaus eine Zigarette angesteckt hatte und sich qun umdrehte.

»... zeihung, Ma’am«, murmelte der Hombre, wandte sich ab und erstarrte. »He!«, rief er, »Sie sind doch das Kätzchen vom Boss!«

»Richtig, Sonny. Und ihren Kater hat sie auch gleich mitgebracht!«

Der Kolben der Schrotflinte kollidierte mit den Kinn des Leibwächters. Er sank in die Knie, griff aber noch zum Revolver.

Cutler und Prudence tauchten im Dunkel des Stalles unter. Mit dem Gewehrlauf kitzelte Cutler den Stallknecht wach.

»Nicht doch!«, stieß der Alte erschrocken hervor. »Die Knallerei und die Sauerei, die Sie vor ein paar Tagen in meinem .Stall hinterlassen haben, reicht mir.«

»Satteln Sie mein Pferd, und suchen Sie eines für die Lady aus.«

»Schon gut! Solange Sie hier nicht rumballern ...«

»Beten Sie, dass die anderen nicht anfangen.«

Der Stallbursche humpelte zur Tür, steckte eine Laterne an und starrte durch den Türspalt in die Mündung eines Colts. »Heilige Mutter Gottes!«, entfuhr es ihm. Er brach in die Knie, sah es grell aufblitzen und spürte, wie die Kugel dicht über seinem Schädel entlangfuhr.

Cutler zerrte ihn auf die Beine, streckte den Lauf der Schrotspritze durch den Spalt und zog den Stecher durch. Die Wucht der geballten Ladung hob den Leibwächter von den Beinen und fegte ihn quer über die Straße.

»Satteln!«

Der Stallknecht beeilte sich. Mit zitternden Fingern hantierte er mit Zaumzeug und Sattel.

Schritte polterten herbei. Garlands Stimme war zu hören. Er schrie Kommandos. Irgendwie erschien Cutler die Stimmlage einige Oktaven höher.

»Sie haben ihn ganz schön zugerichtet, Lady.«

»Er ist ein ungehobeltes Schwein ohne jegliche Manieren. Er hat es verdient.«

»Dann möchte ich nicht wissen, wie Sie reagieren, wenn Ihnen ein Kerl ernsthaft an die Wäsche will.«

»Probieren Sie es aus ...«

Draußen wurde aus allen Rohren gefeuert. Cutler schickte einige Gewehrkugeln zu den Gegnern hinüber, knallte die Tür zu und hetzte zu den Pferden.

»Können Sie mir mal verraten, wie wir rauskommen sollen?«

»Überhaupt nicht.«

»Ich bin nicht zum Scherzen aufgelegt, Mister!«

»Wieso sollen wir raus, wenn die anderen reinkommen können?«

»Das ist nicht Ihr Ernst ...«

Der Stall wurde gestürmt. Die Tür krachte auf. Männer sich drängten im Eingang. Cutler holte einige von ihnen von den Beinen.

Ashford Lyndon erschien zwischen seinen Leuten. »Geben Sie auf, Mister! Sie können sich höchstens eine Kugel einfangen. Oder lassen Sie wenigstens Prudence aus dem Spiel. Sie ist eine Frau, Mister.«

»Eben. Und was für eine!«

Sheriff Mortimer galoppierte auf einem abgehetzten Pferd heran und beugte sich aus dem Sattel. »Ich weiß, wer er ist, Mr. Lyndon. Ich habe alte Unterlagen eingesehen. Der Revolver, den er trägt. Die Art, wie er gekämpft hat. Dieser Mann ist John Cutler!«

Ungläubiges Gemurmel brandete auf. Manche Angreifer hatten von Cutler gehört und überlegten sich ernsthaft, ob sie weiter ihren Hals riskieren sollten.

Er ließ ihnen keine Zeit, sich zu entscheiden.

Mit einem wilden Schrei trieb er sein Pferd an, dicht gefolgt von Prudence. Sie preschten schießend auf den Eingang des Stalles zu, rissen die Pferde zurück, jagten zum anderen Ende des Stallganges und wirbelten genug Staub und Strohhalme auf, um ein schlechtes Ziel abzugeben.

Auch durch die Rückseite des Stalles brachen Lyndons Schießer. Cutler deckte sie mit Kugeln ein, riss den Falben herum, entdeckte eine schmale Futtertraufe, die zu einer Luke führte.

Er trieb das Pferd über die Traufe und krachte durch die dünne Luke. Mit schrillem Wiehern sprang das Tier ins Freie und stieß gegen Mortimers Pferd, das entsetzt auf die Hinterhand stieg.

Der Sheriff kämpfte verzweifelt darum, sein Tier zu beruhigen. Verdutzt blickte er Cutler nach, der die Straße entlangpreschte.

Er hob seinen Revolver, zielte sorgfältig und hätte Cutlers Falben wohl getroffen, wenn nicht Prudence McDowell mit einem gellenden Schrei durch die Luke gekommen wäre. Auch ihr Fuchswallach prallte gegen Mortimers Tier. Der Colt wurde dem Sternträger aus der Hand geprellt. Sein Pferd drehte sich im Kreis und bockte.

Mortimer flog in hohem Bogen aus dem Sattel und stürzte in einen Wassertrog.

Prustend erhob er sich und stierte Prudence nach, die Cutler in einer Staubwolke folgte. »Für eine Lady mit Manieren war dieses Betragen aber höchst ungewöhnlich, Miss McDowell!«, rief er ihr nach. »Sehen Sie sich meinen Anzug an. Er ist ruiniert! Ich hasse es, wie ein Satteltramp herumzulaufen! Ich hasse es, Miss McDowell!«

»Ach, halt die Klappe, Lackaffe!«, brummte Garland und stieß Mortimer ins Wasser zurück, als er an der Seite von Ashford Lyndon die Straße entlangschritt.

Sie würden nicht weit kommen, das hatte sich der bullige Leibwächter geschworen. Er würde diesen Cutler und die Frau zurückbringen.

Und dann würde er sich eingehend mit beiden beschäftigen.

Ob es Mr. Lyndon gefiel oder nicht …

*

»Halt! Warten Sie!«

Cutler warf einen Blick über die Schulter und bemerkte, dass Prudence ihren Fuchs gezügelt hatte. Der große Mann rollte mit den Augen und lenkte sein Pferd zu ihr zurück. »Was gibt es denn?«

»Ich möchte wissen, wohin wir reiten. Wollten wir nicht nach Süden fliehen? Nevada? Utah? Dort könnten wir die Bahn nehmen und ...«

»Wir würden niemals an eine Bahnstation gelangen, Lady.«

Sie stemmte die Fäuste in die Hüften. »Verstehe ich Sie richtig, Mister, dass wir in dieser Gegend bleiben?«

»Nicht unbedingt. Aber südlich von hier ist flaches Land. Dort suchen sie uns zuerst. Garland würde Ihnen ohne zu zögern den Gaul unter Ihrem hübschen Hintern wegschießen, und das wäre es dann gewesen. Wir verstecken uns am besten in unwegsamem Gelände, da stöbern sie uns nicht so leicht auf.«

»Mr. Cutler. So war doch Ihr Name, wenn ich mich nicht irre? Da, wo ich herkomme, Mr. Cutler, fragt ein Gentleman eine Lady nach ihrer Meinung. bevor er eine Entscheidung trifft. Da wird nicht einfach über den Kopf einer Dame hinweg entschieden! Sie, Mr. Cutler, haben nicht den Funken von Anstand. Sie zwingen mich zu wolllüstigen Handlungen in einer Gefängniszelle, Sie zwingen mich, halbnackt vor den Augen eines lüsternen Hilfssheriffs und vor Ihnen herumzuhüpfen, Sie bringen mich mit Ihrer halsbrecherischen Flucht durch eine Bretterwand in Lebensgefahr und reiten einfach in die Berge, ohne mich auch nur ein einziges Mal zu fragen, ob ich mit all dem einverstanden bin!«

»Ich hatte keine Zeit für lange Diskussionen, Lady. Sie waren drauf und dran, Ihren hübschen Kopf zu verlieren!«

»Immerhin ist es mein Kopf!«

»Colonel Sheridan hat mich beauftragt, Sie zu befreien, und diesen Auftrag führe ich aus. Er hat nichts davon gesagt, dass ich Sie wie eine verdammte Prinzessin behandeln soll!«

»Er hätte mir zumindest einen Menschen mit Anstand schicken können, und keinen ungehobelten Holzfäller oder Kuhtreiber, der keine Ahnung von Etikette hat!«

»Dann ist es Ihnen also lieber, diesen Coyoten in die Hände zu fallen, solange die Regeln der feinen Gesellschaft gewahrt bleiben? Sie sind verrückt.«

»Mag sein. Aber das gehört zu meinem Beruf dazu.«

»Die Deakons werden wohl kaum Rücksicht auf Sitte und Anstand nehmen. Die schneiden Ihnen die hübschen Ohren ab, Lady, und ziehen Ihnen die Haut in Streifen vom Körper. Und sie fragen ganz gewiss nicht erst nach, ob Sie damit einverstanden sind.«

»Hören Sie auf!«

»Schreien Sie noch lauter, damit man gleich weiß, wo wir stecken!«

»Sie schreien doch, nicht ich! Außerdem brüllt man eine Lady nicht an!«

»Ihre Etikette interessiert mich einen Dreck! Ich will unsere Haut retten!«

»Warum tun Sie es dann nicht, anstatt hier das große Wort zu führen?«

»Ich soll ...?«

Cutler riss in ohnmächtiger Wut den Falben herum.

Das Wummern des Schusses klang ohrenbetäubend durch die Dunkelheit. Heißes Blei zischte dicht vor Cutlers Nasenspitze vorbei.

»Das haben Sie nun von Ihrem verdammten Benehmen, Lady!«

*

Sie ritten den Rest der Nacht und gönnten den erschöpften Pferden erst im Morgengrauen eine Rast. Cutler hatte eine Felsregion ausgesucht, die für die Pferde schwer zugänglich war. Während Prudence bei den Tieren blieb, kletterte er den Hügel hinauf, verschwand zwischen den zum Teil mannshohen Felsen und blieb lange weg.

Die Sonne tauchte die Gegend in goldenes Licht, als er zurückkehrte. »Es geht weiter«, sagte er. »Wir müssen die Pferde führen.«

Mühsam erklommen sie den Hang. Kleinere Gesteinsbrocken polterten hinunter. Die Pferde scheuten und schnaubten wild, aber Cutler gab nicht nach.

Es dauerte lange, bis sie den Kamm erreicht hatten. Vor ihnen breitete sich ein Canyon aus, der eine weite, sichelförmige Biegung beschrieb.

Cutler deutete hinunter und ging zu seinem Pferd. Als sich Prudence anschickte, aufzusitzen, trat er hinzu und wollte ihr behilflich sein. Sie ignorierte ihn und schwang sich behende in den Sattel. Ihr Kleid rutschte nach oben und spannte sich um die Schenkel.

»Ich hatte leider keine Gelegenheit, einen Damensattel für Sie auszusuchen, Mylady«, feixte Cutler. »Wenn Ihnen diese Art zu reiten nicht genehm ist, müssen Sie sich eben Ihres Kleides entledigen.«

»Das würde Ihnen wohl gefallen ...«

»Sicher. Oder erfreuen sich die Gentlemen an der Ostküste nicht am gar lieblichen Anblick einer nackten Schönheit?«

»Reden Sie nicht so geschwollen daher.«

»Das sind Sie doch gewöhnt, oder?«

»Aus Ihrem Mund klingt das wie blanker Hohn.«

»Wie wahr, wie wahr ...«

Sie erreichten die Schlucht, folgten der Biegung und mussten einen weiteren Hügel erklimmen.

»Wieso sind wir ausgerechnet hierher geflohen? Ich hasse die Berge!«

»Ich hab’s Ihnen doch schon mal erklärt. Im Süden ist flaches ...«

»Niemand hat Sie um Ihre Erläuterungen gebeten, Mister!«

Cutler schüttelte den Kopf. »Und so was gehört zu Sheridans besten Leuten. Sie haben den Alten bestimmt so lange vollgequatscht, bis er kapituliert hat ...«

Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. »Nicht ganz. Ich musste nur drei, vier Sätze sagen und ein wenig mit dem Hintern wackeln, wie Sie es ausdrücken würden, Mister.«

Prudence verstummte, als sie unter sich sattes Grün und einige Bäume und Büsche zwischen schroffen Felswänden aufragen sah. Der Weg zu diesem winzigen, gut verborgenen Paradies führte durch eine Felsspalte, die kaum zu erkennen war. Cutler war nur durch Zufall darauf gestoßen, als er sich umgesehen hatte.

Sogar eine kleine Quelle gab es, deren Wasser zwischen großen Felsen aufsprudelte. Gierig trank Prudence von dem kühlen Nass. Auch die Pferde labten sich daran. Cutler nahm ihnen die Sättel ab und ließ sie an dem frischen Gras knabbern.

Prudence war in einen erschöpften Schlaf gesunken. Cutler trug sie in den Schatten und breitete das Pelzcape über sie. Hier würden sie eine Weile bleiben, bis das Aufgebot die Suche aufgegeben hatte.

Prudence verschlief den ganzen Tag. Manchmal schreckte sie auf, schloss aber sofort wieder die Augen. Längst war es wieder dunkel geworden, und Cutler starrte zu den Sternen hinauf, als sie zu ihm kam. Sie legte sich neben ihn, breitete ihr Cape über sie beide aus und schmiegte sich an ihn.

»Bringt man euch das in den Mädchenpensionaten im Osten bei?«

»Ich suche Schutz und Geborgenheit. Sie sollen mich beschützen. Also ist das erlaubt.«

»Befürchten Sie nicht, dass ich die Situation ausnützen könnte?«

»Würden Sie es tun?«

»Bei Ihnen jederzeit, Prudence.«

»Dann würde es Ihnen so ergehen wie Garland. Er wird wohl lange Zeit keine Frau mehr anfassen.«

»Sie verstehen sich zu wehren.«

»Nicht wirklich. Ich konnte mir Lyndon zwar mit Mühe und Not vom Leib halten, aber lange hätte ich es nicht mehr geschafft. Er war völlig vernarrt in mich. Es war höchste Zeit, dass ich ihm entkommen bin.«

»Warum hat man Sie auf ihn angesetzt?«

»Er macht Geschäfte, die einigen Leuten in Washington sauer aufgestoßen sind. Grundstückspekulationen, Waffenschieberei, Hehlerei, Menschenhandel. Lyndon hat seine gierigen Finger in so ziemlich jedem schmutzigen Geschäft. Nur beweisen konnte man ihm nie etwas. Nachdem er sich mit Rosebud eine Art Musterstadt aufgebaut hatte, wollte man der Sache auf den Grund gehen. Man versprach sich etwas davon, eine Frau auf Lyndon anzusetzen. Anfangs lief auch alles glatt. Ich spielte das verträumte Mädchen aus dem Osten, das sich das große Glück erhofft. In Sheriff Mortimer fand ich einen Fürsprecher. Nach und nach konnte ich Lyndons Vertrauen gewinnen und fand dann heraus, dass er auch drüben in Montana Geschäfte macht. Und so kam ich zu einer Freundschaft mit dem Rancher Cotter und seiner Tochter Amy und auf die Spur der Deakon-Brüder. Leider hat sich Bradford Deakon in den Kopf gesetzt, mich Lyndon sozusagen auszuspannen ...«

»Sie suchen sich nicht gerade die leichtesten Brocken aus, Lady.«

Tränen wallten in ihren Augen hoch. »Deakon kam mir auf die Schliche. Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe. Vielleicht war ich zu oft in Billings. Er hat rausgefunden, dass ich für die Regierung arbeite. Das hat er jedenfalls Lyndon telegrafiert. Ich konnte fliehen, aber sie haben die Cotter-Ranch vernichtet und alle abgeschlachtet ...«

Cutler legte seinen Arm um ihre zitternden Schultern.

»Ich hätte nie für möglich gehalten, dass Menschen zu solch bestialischen Morden fähig sind, Mr. Cutler. Ich habe mir geschworen, ihnen das Handwerk zu legen. Ich zähle auf Ihre Hilfe.«

»Könnte es sein, dass Lyndon und die Deakons zusammenarbeiten?«

»Wie kommen Sie darauf? Ich hatte auch diesen Verdacht, aber ich habe keine Beweise gefunden. Obwohl Bradford mehrmals Andeutungen in dieser Richtung gemacht hat.«

»Lyndon erwartet die Deakon-Brüder in Rosebud. Sie haben also bestimmt nicht zum ersten Mal miteinander zu tun ...«

»Wenn sie uns finden, Cutler ... Nach dem, was sie mit den Cotters angestellt haben ... Ich habe Angst.«

Cutler drückte zuversichtlich ihre Schultern. »Wir werden es schaffen.«

»Ich habe von Ihnen gehört, Cutler. Sie sollen gut sein, verdammt gut sogar. Aber wird es für die Deakons und Lyndon reichen?«

Er küsste sie, ohne ihr zu antworten. Zuerst zuckte sie zurück, erwiderte dann aber seinen Kuss, wurde immer leidenschaftlicher.

Ihre Hände gingen auf Wanderschaft, befreiten ihn von seinen Kleidern, strichen über seine Brust. Vergessen schien die vornehme Zurückhaltung, die Etikette der feinen Gesellschaft. Nur noch die Leidenschaft zählte. Das Verlangen nach Sicherheit und Geborgenheit, das sie in seinen Armen zu finden hoffte, war übermächtig.

Als er nackt vor ihr lag und seine Männlichkeit vor ihr aufragte, saugte sie hörbar die Luft zwischen die Lippen. Sie berührte ihn zuerst zaghaft, massierte ihn fordernder und brachte das Blut in seinen Lenden zum Kochen.

Er half ihr mit dem Kleid und dem Korsett. Eine Gänsehaut bildete sich auf ihren Armen und den festen Brüsten. Ihre Nippel wurden hart, als sie mit der kühlen Nachtluft in Berührung kamen. Doch es war nicht die kühle Nachtluft allein, die sie so inniglich berührte ...

Er ließ seine Hände über ihren wunderbaren Körper gleiten. Sanft spielte er mit ihren Brustwarzen, knetete das feste, junge Fleisch ihrer Brüste. Er saugte an den Nippeln, bedeckte ihren Körper mit Küssen und glitt abwärts, zum Zentrum ihrer Lust.

Er spreizte ihre Beine, vergrub sein Gesicht im dichten Flaum ihrer Scham, genoss die feuchte Wärme ihres Körpers. Gekonnt verwöhnte er sie, brachte sie der Erfüllung nahe. Sie hatte ihre Finger in seinem Haar vergraben und bewegte seinen Kopf zwischen ihren Beinen, bäumte sich heftig atmend auf, reckte sich ihm entgegen, schrie ihre Lust hinaus.

Er drang sanft in sie ein, entzog sich ihr jedoch wieder. Es war nur ein Vorgeschmack gewesen, der ihre Lust und ihr Begehren steigern sollte. Sie bedeckte nun ihn mit heißen Liebesküssen, brachte ihn mit Lippen und Zunge zu neuer Größe, wollte ihn endlich in sich aufnehmen.

Er erfüllte ihren Wunsch.

Nie gekannte Gefühle durchliefen ihren Körper, als er fordernd, dennoch sacht in sie drang und sie mit langsamen, schneller werdenden Stößen einem gemeinsamen Höhepunkt entgegen trieb.

Sie schrie und wand sich unter ihm, als er sie weit über den Gipfel der Lust hinaushob und sich in ihr verströmte.

Lange lagen sie nebeneinander. Sie hatte den Kopf auf seine Brust gebettet. Er spielte mit ihrem Haar, das sie jetzt lang trug. In weichen Wellen fiel es über ihre Brüste.

»Wirst du weitermachen, wenn du wieder in Washington bist?«

»Sicherlich.«

»Nichts anderes hab ich erwartet.«.

»Höre ich versteckten Tadel aus deiner Stimme?«

»Nur Besorgnis. Es wäre schlimm, wenn dir etwas zustoßen würde.«

»Und wenn ich dir hoch und heilig verspreche, kein unnötiges Risiko mehr einzugehen?«

»Damit kann ich leben.«

»Noch sind wir Lyndon und den Deakons nicht entkommen.«

»Vertrau mir.«

Sie küsste ihn und schwang sich auf ihn. Diesmal tat sie es gern, nahm ihn ganz in sich auf, spürte ihn tief in sich, und setzte zu einem Liebesritt an, der ihnen alles abverlangte. Seine Hände legten sich auf ihre wippenden Brüste und hielten sie im Zaum.

So gelangten sie zu einem weiteren explosiven Höhepunkt, der sie erst gegen Morgen in einen erquickenden Schlaf fallen ließ.

*

Das Aufgebot wurde von Ashford Lyndon persönlich angeführt. Er ließ sich in einer zweispännigen Kutsche fahren. Garland hielt sich ständig neben ihm.

Zwei Tage hatte man nun schon versucht, Cutler und Prudence McDowell aufzuspüren. Sie schienen wie vom Erdboden verschluckt.

»Wenn Sie mich fragen, Sir, stecken die beiden in den Bergen«, ließ sich Garland vernehmen. Er setzte eine Feldflasche an die Lippen und trank in langen Zügen.

»Es fragt Sie aber niemand, Garland«, kam die bissige Antwort des Geschäftsmannes.

»Sir, wir haben die Ebenen im Süden abgesucht und keine Spur von ihnen gefunden. Sie müssen dort oben sein!«

Lyndon betrachtete die schneebedeckten Gipfel. Falls Garland Recht behielt und dieser verteufelte Cutler mit dem Mädchen in die Berge geflüchtet war, würde es verdammt schwierig werden, sie aufzustöbern.

»Also gut, versuchen wir es bei den Hügeln«, entschied Lyndon. »Falls wir auf ihre Spuren stoßen, setzen wir die Suche fort. Falls nicht, warten wir, bis sie sich irgendwo blicken lassen.«

»Sie könnten nach Billings unterwegs sein.«

»Das wäre glatter Selbstmord. Da könnten sie sich genauso gut von einem Felsen stürzen oder sich eine Kugel in den Kopf jagen. Sie werden nicht so verrückt sein und sich in Bradford Deakons Revier wagen!«

»Nach allem, was ich über diesen Cutler gehört habe, ist der Kerl mit allen Wassern gewaschen. Es wäre genau das, womit niemand rechnet ...«

Lyndon schürzte nachdenklich die wulstigen Lippen. »Allein könnte er es wagen. Aber nicht mit dem Mädchen. Er würde sie einer zu großen Gefahr aussetzen. Machen wir weiter.«

Der Wagen verließ den ausgefahrenen Weg und rumpelte querfeldein, über ausgedehnte Grasflächen, deren Halme sich im Wind bogen. Lyndon musste seinen Hut festhalten, sonst wäre er ihm vom Kopf geweht worden.

Garland reichte ihm ein Tuch. »Binden Sie es über Ihren Hut, Sir.«

Lyndon sah aus wie jemand, der von furchtbaren Zahnschmerzen geplagt wurde. Dabei waren es die Sorgen, die ihm den schmerzlichen Gesichtsausdruck verliehen.

Prudence McDowell hatte sein Vertrauen schändlich missbraucht, das stand für ihn zweifelsfrei fest. Er fragte sich nur, was sie wusste. Was hatte sie über seine Geschäfte herausgefunden? Wusste sie, dass er mit den Deakon-Brüdern zusammenarbeitete? Hatte sie in Erfahrung bringen können, dass er seine Widersacher auf heimtückische Art aus dem Weg räumen ließ? Konnte sie seine verbrecherischen Machenschaften beweisen? Konnte sie ihn am Ende gar an den Galgen liefern? Und was war mit den Deakon-Brüdem? Hatte sie auch genügend Beweise gesammelt, um ihnen einen Strick zu drehen?

Viele Fragen, die an ihm nagten und auf die der keine Antwort wusste.

Nie zuvor hatte er einer Frau so viele Gefühle entgegengebracht, wie Prudence McDowell. Sie vereinigte Schönheit, Stil und Eleganz. Wie hatte sie ihn derart hintergehen können?

Sie hatte seinen Stolz verletzt. Es schmerzte ihn ungemein, dieser Schlange ins Nest gefallen zu sein.

Lyndon gab sich seinen Gedanken hin, bis der Wagen an einen Bachlauf gelangte, den er unmöglich überqueren konnte. Wohl oder übel musste Lyndon sein Pferd besteigen. Er hasste es zu reiten.

Garland schickte den brutalen Cully mit einigen Männern nach vorn, um nach Spuren zu suchen.

»Ich verspreche mir nicht allzu viel davon, Mr. Garland.«

»Abwarten, Sir. Ich bin recht zuversichtlich.«

Sie hatten die Hügelkette schon fast erreicht, als drei Reiter aus einer Senke kamen und auf sie zuhielten.

Garland zügelte sein Pferd. Seine Hand legte sich auf den Revolvergriff. »Das sind keine von Cullys Männern.«

»Lassen Sie die Finger von der Kanone, Garland, sonst leben Sie nicht mehr lange«, warnte Lyndon, der die Reiter erkannt hatte.

*

»Wie kannst du nur so dämlich sein und etwas mit dieser Schlampe anfangen, Ash?«, brüllte Bradford Deakon, als er nahe genug heran war. Seine Brüder ließen Lyndons Begleiter nicht aus den Augen.

»Nun gib mir nicht die ganze Schuld, Bradford«, widersprach Lyndon. »Dir hätte doch auch auffallen können, dass sie eine falsche Schlange ist. Wie hast du es rausgefunden?«

Deakon schleuderte einige gefaltete Schriftstücke zu Lyndon hinüber. »Abschriften von Telegrammen, die sie nach Washington geschickt hat, Ash. Das Miststück kann uns allesamt an den Galgen liefern. Sie kennt unseren Schlupfwinkel und kann jedem verdammten Staatenreiter eine genaue Wegbeschreibung geben. Ich will die Kleine.«

»Und den Kerl, der bei ihr ist. Er hat einige meiner Leute erledigt.«

»Der interessiert mich nicht.«

»Das sollte er aber.«

Bradfords Kopf ruckte zu Garland herum. »Hat Ihnen jemand erlaubt, hier mitzureden, Mister?«

Garland erwiderte den Blick des Banditen. »Es ist Cutler.«

»Ist das sicher?«

»Sehr wahrscheinlich.«

»Wenn das stimmt, wundert es mich kein verdammtes bisschen, dass er deine Leute umgelegt hat. Der Kerl hat es faustdick hinter den Ohren. Trotzdem, die Kleine ist mir wichtiger.«

Lyndon leckte über seine Lippen. »Sie gehört mir.«

Bradford beugte sich zu Lyndon hinüber und kriegte ihn am Kragen zu fassen. »Hör mal gut zu, Ash. Du hast uns die Scheiße eingebrockt. Das genügt doch wohl. Dass sie dich verscheißert hat, kann ich gerade noch verstehen. Du hast dich aufgeführt wie ein verliebter Gockel. Das war schon immer dein Fehler, dass du mit Gewalt nach der Frau fürs Leben gesucht hast. Aber mit. mir spielt man nicht ungestraft ein falsches Spiel, Ash. Sie wird dafür bezahlen, dass sie sich mit einem Deakon angelegt hat ...«

»Mit drei Deakons!«, verbesserte Dean. »Ich will auch, dass sie ihre Strafe erhält. Aber von mir.«

»Klappe, Dean.«

»Du hast es versprochen...«

»Dean denkt schon wieder mit seinem Schwanz.«

Der Messermann riss sein Pferd herum und rammte Clyde, der im Sattel wankte. »Noch so eine Bemerkung, und du hast keine Zunge mehr, Kleiner!«

Clydes Gebrüll ließ die Männer um Ashford Lyndon zusammenfahren. Der Hüne zauberte beide Colts aus dem Leder und legte auf seinen Bruder an.

Bradford zog Clydes Winchester Büchse aus dem Scabbard und hieb mit dem langen Lauf zu. Schmerzhaft traf er die Hände des Riesen. Clyde jaulte und ließ die Colts fallen.

»Ich sollte euch beide zum Teufel schicken, ihr Hornochsen!«, polterte Bradford. »Wir müssen verhindern, dass uns dieses Flittchen durch die Lappen geht was ihr gelingen kann, wenn sie diesen Cutler auf ihrer Seite hat. Und ihr Schwachköpfe habt nichts Besseres zu tun, als euch gegenseitig die Augen auszukratzen. Verdammt, reißt euch gefälligst zusammen!«

»Ich bin nicht klein«, erklärte Clyde.

»Dafür hast du nichts zwischen den Beinen«, feixte Dean.

Bradford rastete aus. Er trieb sein Pferd nach vom und ohrfeigte Dean. »Ich schwör dir, Brüderchen, wenn das hier vorbei ist, stutze ich dich zurecht. Du provozierst ständig Streit. Zum letzten Mal - lass den Kleinen in Ruhe, kapiert?«

Clyde schrie gellend seine Wut hinaus.

Bradford wirbelte im Sattel herum und stopfte dem Hünen den Lauf der Winchester in den weit aufgerissenen Mund.

Clyde verstummte schlagartig.

»Wo habt ihr nach ihnen gesucht?«, wandte sich Bradford an Lyndon.

»Nach Süden sind sie nicht geflohen. Und bisher haben wir auch hier keine Spur gefunden. Garland meinte, sie könnten nach Billings unterwegs sein.«

»Das traue ich ihnen nicht zu. Könnten sie sich noch in Rosebud verstecken?«

»Ausgeschlossen. Meine Männer haben jeden Winkel der Stadt durchsucht. Sheriff Mortimer achtet darauf, dass sie dort nicht unbemerkt auftauchen.«

Bradford starrte zu den Hügeln hinauf. »Dann sind sie irgendwo da oben.«

Laute Schreie erklangen. Alle Aufmerksamkeit richtete sich auf Cully, der in gestrecktem Galopp heranfegte.

»Wir haben die Stelle gefunden, wo sie in die Hügel geritten sind.«

»Das übernehmen wir«, erklärte Bradford und zog seinen Falben herum. »Du kannst in dein hübsches Nest zurückreiten. Wir schleifen sie dir an einem Strick in die Stadt.«

Ashford Lyndon schaute dem Trio des Teufels nach, wie es in die bizarre Felslandschaft eintauchte. Insgeheim war er froh, dass ihm die Deakon-Brüder die Jagd auf Cutler abnahmen. Am Ende hätte er sich noch eine Kugel von diesem verdammten Kerl eingefangen, und das war das Letzte, was sich Ashford Lyndon wünschte.

*

Sie hatten den fruchtbaren Einschnitt verlassen und sich ihren Weg in der bizarren Felsregion gesucht. Es würde leicht sein, den Verfolgern unbemerkt zu entkommen. Sie hatten keinen blassen Schimmer, wo sich Cutler und Prudence verborgen hielten. Sie konnten nur vermuten, dass sie sich noch in dem Bergmassiv aufhielten. Solange sie nicht sicher waren, wo sie suchen sollten, konnte man ihnen ausweichen oder sie in die Irre führen und dann nach Billings reiten.

Prudence ahnte nicht, dass Cutler sie ihren Häschern vor die Nase führen wollte. Es war auch besser so. Er hatte keine Lust, ihr seine Pläne lang und breit zu erläutern.

Vorsichtig setzten die Pferde ihre Schritte. Immer wieder klapperten die Hufe leise auf Felsplatten oder traten Gesteinsbrocken los, die polternd in die Tiefe kullerten.

An besonders steilen Stellen stieg Cutler ab und führte den Falben. Prudence tat sich besonders schwer. Ihre Schnürstiefel waren nicht zum Klettern geschaffen. Das lange Kleid wies manchen Riss auf und war mit Staub bedeckt. Selbst das Pelzcape war in Mitleidenschaft gezogen worden.

»Wie weit ist es noch?«

Obwohl Prudence geflüstert hatte, klang ihre Frage ungewöhnlich laut.

Cutler gab ihr noch keine Antwort. Er zerrte den Falben das letzte Stück einer Steigung hinauf. Keuchend und zitternd verharrte das Tier auf einem breiten Pass, der sanft anstieg. Voraus konnte Cutler riesige, seltsam geformte Felsen erkennen. Der Weg wand sich zwischen diesen stummen Mahnmalen entlang zu einer Art Gasse, die an einem Ende durch einen gewaltigen Felsenbogen in eine breite Schlucht gelangte.

Ringsum ragten gigantische Felsmassive auf. Es gab nur diesen einen Weg aus dem Felslabyrinth heraus. Am Ende der Schlucht würde ein Pfad erkennbar sein, der sie ins Tal und in die Stadt bringen sollte.

»Verrätst du mir jetzt endlich, wohin du willst?« Prudence keuchte und schnaufte. Ihre Brüste hoben und senkten sich unter heftigen Atemzügen.

»Zunächst in die Schlucht da hinten. Und von dort nach Billings.«

Prudence, die sich vorgebeugt und ihre Hände an den Schenkeln abgestützt hatte, fuhr erschrocken in die Höhe. »Das meinst du nicht ernst!«

»Hörst du mich lachen?«

Sie erging sich in einer Reihe von Flüchen und Verwünschungen, die einer wohlerzogenen Lady überhaupt nicht ziemten.

»Anscheinend lernt man auf den Schulen im Osten doch nicht nur gutes Benehmen.«

»Du hast die ganze Zeit nur daran gedacht, deine eigene stinkende Haut zu retten«, fauchte Prudence. »Ich bin dir völlig gleichgültig. Du weißt, dass mein Leben keinen Cent mehr wert ist, wenn du mich nach Billings schleppst, aber das ist dir ja egal. Du hattest deinen Spaß, und jetzt kannst du mich den Wölfen zum Fraß vorwerfen, ja?«

»Red keinen Unsinn.«

»Oh, du machst mir nichts mehr vor. Ihr Männer seid wirklich alle gleich. Lyndon wollte mich besitzen und war sogar bereit, mir seine Stadt zu Füßen zu legen. Bradford Deakon hätte alles getan, um eine Nacht mit mir zu verbringen. Du hast mich aus dem Gefängnis geholt und hierher geschleppt, nur um mit mir zu schlafen. Und jetzt bin ich nur noch Ballast für dich! Verdammte Mistkerle, alle miteinander!«

»... ander … der … der … der...!«, wurde ihre Stimme als Echo von den Felswänden zurückgeworfen.

»Sei still!«, zischte Cutler. »Du hetzt uns Lyndons Männer auf den Hals!«

»Und wenn schon! Es ist ohnehin egal, ob ich hier sterbe oder erst unten in der Stadt! Geliefert bin ich auf jeden Fall! Und es ist deine Schuld, du Schwein.«

Cutler war bereits einige Yards geritten, als ihr Schrei ihn einholte. Er knirschte verbittert mit den Zähnen, riss den Falben herum und jagte zu ihr zurück.

Erschrocken wich Prudence zur Seite aus, als sie Cutler herandonnern sah. Sie stand dicht am Rand des Passes und streckte Cutler abwehrend die Hände entgegen. »Komm mir nicht zu nahe! Ich warne dich! Ich kann mich wehren. Aahh!«

Der Boden bröckelte unter ihren Füßen ab. Ihre Stiefel traten ins Leere. Ihr gellender Angstschrei erfüllte die Bergwelt.

Ehe Cutler sie erreichen konnte, verschwand sie in der Tiefe.

Sie schaute nach unten. Eisiger Schrecken durchzuckte sie. Tief unter sich erkannte sie das blaue Band eines Gebirgsbaches. Die Felswände fielen schroff ab. Sie würde auf einen Vorsprung prallen und mit zerschmetterten Gliedern in diesen Bach fallen oder als blutiges Bündel in einer Felsspalte enden.

Nie war sie dem Tod so nahe gewesen. Ihre Gedanken jagten sich. Sie hatte noch so viele Pläne für ihr Leben gehabt. Die Träume von Heirat und Familie waren in weite Feme gerückt. Seltsamerweise sah sie in diesem Augenblick, des drohenden Todes Colonel Sheridans gütiges Gesicht vor sich. Er war immer wie ein Vater zu ihr gewesen. Er würde sie nie wiedersehen.

Tiefe Trauer erfüllte sie. Nichts hatte sie sich sehnlicher gewünscht, als dem Alten gegenüberzutreten und das erfolgreiche Ende ihrer Mission zu melden.

Ein harter Ruck ging durch ihren Körper. Ein scharfer Schmerz breitete sich in ihrer Schulter aus und strahlte bis zum Nacken.

Ihr Fall war zu einem abrupten Ende gekommen.

Sie schaute wieder in die Tiefe, baumelte über dem Abgrund, ruderte mit dem rechten Arm und schlenkerte mit den Beinen.

»Hier oben spielt die Musik, Lady!«

Langsam hob sie den Kopf und starrte in Cutlers stahlblaue Augen. Er lag am Rand des Passes, hatte sich weit hinuntergebeugt und hielt ihre Hand gepackt.

»Du tust mir weh!«

»Bitte vielmals um Vergebung, Ma’am, aber das ist immer noch besser, als mit gebrochenen Knochen da unten zu liegen. Sei froh, dass du noch Schmerzen spüren kannst.«

»Willst du mir jetzt Vorträge halten oder mich raufziehen, Mister? Ein echter Gentleman hätte längst die Zügel seines Pferdes zu mir herabgelassen, um mich zu retten.«

»Was glaubst du, woran ich hänge?«

Panik flackerte in ihren dunklen Augen. »O nein! Du willst mir doch nicht erzählen, dass unser Leben nur an einem Lederriemen hängt!«

Sie forschte lange in seinen Augen und nickte. »Du willst es mir erzählen ...« Sie holte tief Luft. »Bist du noch zu retten? Wie willst du mich denn aus dieser Lage befreien, verdammt, wenn du selbst kurz davor bist, hier runterzufallen! Ich kann mir nicht vorstellen, wie du in deinem Job so lange überlebt hast! Verdammt, bring mich endlich ... Aahh!«

Sie zappelte in seinem Griff. Ihre schmale Hand rutschte aus seinen harten Fingern.

»Halt still, verflucht noch eins!«

»Ich falle!«

»Das merke ich! Hör auf zu zappeln!«

»Ich will nicht sterben!«

»Das wirst du nicht.« Er streckte ihr seinen anderen Arm entgegen. »Fass meine Hand.«

»Ich kann nicht!« ’

»Vertrau mir!«

Schlagartig wurde sie ruhig. Sie war aschfahl. »Der letzte Mann, der das zu mir gesagt hat, war Lyndon.« Ein heiseres Lachen drang aus ihrer Kehle. »Ich sollte ihm vertrauen, und jetzt will er mich umlegen lassen. Unser beider Leben hängt an einem seidenen Faden, und du verlangst, dass ich dir vertraue. Du hast vielleicht Nerven!« Sie geriet in Panik, war dem Wahnsinn nahe. »Ich will hier weg ...!«

»Wir hängen an einem Lederzügel.«

»Klugscheißer!«

»Das ist ein himmelweiter Unterschied zu einem Seidenfaden, oder?«

»Spar dir deine Reden. Tu was!«

»Ich denke nach.«

»Toll. Glaubst du, das bringt etwas?«

»Fass endlich meine Hand!«

Prudence streckte zögernd den rechten Arm hoch. Dabei glitt ihre linke Hand weiter aus Cutlers Griff.

»Ich schaff’s nicht ...«

»Rasch, pack zu!«

Mit einem tiefen Stöhnlaut warf sie sich hoch, bekam Cutlers Hand zu fassen, glitt ab und rutschte gleichzeitig aus Cutlers Griff. Sie versuchte, nachzufassen, berührte wieder seine Hand, doch es war zu spät.

Cutler konnte sie gerade noch kurz fassen und zur Felswand schwingen, bevor sie ihm völlig entglitt und mit einem gellenden Schrei in die Tiefe sauste.

Er schloss gequält die Augen, wartete auf den Aufprall und hörte statt dessen ein lautes Ratschen.

Vorsichtig schielte er nach unten.

Ihr Schrei war verstummt. Wie ein Häuflein Elend hing sie an einer spitzen Felsnase, an der sich das Kleid verfangen hatte. Ein langer Schlitz klaffte im Stoff und enthüllte ihre Unterwäsche. Ein Seidenstrumpf war zerrissen. Das Mieder hatte sich verschoben.

»Bedaure, dass du nicht mehr zu sehen bekommst!«, rief sie erbost. »Lass dir lieber etwas einfallen, wie du mich aus dieser beschissenen Lage befreist! Ich komme mir vor wie Lady Godova.«

»Die ist aber nackt auf einem Schimmel geritten, wenn ich mich recht erinnere ...«

»Cutler! Du verdammter Schweinehirte!«

»Nach deinem Mundwerk zu urteilen, hast du den Sturz gut überstanden.«

»O ja, mir geht es fantastisch! Ich werde mir ernsthaft überlegen, ob ich nicht jedes Wochenende einen Ritt in die Berge unternehmen sollte. Es ist so wunderbar, hier halbnackt herumzuhängen und darauf zu warten, dass mir ein edler Retter zu Hilfe kommt ... Würdest du endlich deinen Arsch in Bewegung setzen und mich nach oben ziehen?« Sie trommelte wutentbrannt gegen die Felswand.

Cutler arbeitete sich mühsam nach oben, löste das Zaumzeug von dem Fuchs und verknüpfte es mit den Zügeln des Falben. Er führte das starkknochige Tier dicht an den Rand des Abgrunds, wartete, bis Prudence nach unten schaute und warf die Riemen zu ihr hinunter. Sie klatschten ihr in den Nacken und veranlassten sie zu einem neuen Wutausbruch. Beinahe hätte sie ihren Halt verloren.

»Du mieser kleiner ...« Als Prudence nach den Zügeln greifen wollte, riss das Kleid weiter auf, und sie rutschte tiefer.

»Halt dich gut fest!«, rief Cutler. Er schwang sich in den Sattel und ließ den Falben langsam rückwärts gehen. Das Pferd zögerte, als es das außergewöhnliche Gewicht spürte, doch Cutler verstärkte seine Bemühungen und redete dem Tier gut zu.

Langsam wurde Prudence nach oben gezogen. Es dauerte lange, bis ihre Arme und ihr Kopf über dem Rand des Abgrunds auftauchten.

Sofort war Cutler bei ihr und brachte sie in Sicherheit. Ihre nackten Brüste bedeckte er mit den Händen. Prudence entzog sich ihm zeternd und brachte ihr Mieder wieder in Ordnung. Sie entfernte die traurigen Reste ihres Kleides und ließ sie in die Tiefe flattern.

»Wenn Madam dann soweit ist, können wir weiter.«

»Schinder! Ich bin gerade erst dem Tod entronnen!«

»Neue Aufgaben warten auf dich!«

Cutler hatte dumpfen Hufschlag vernommen. Er spähte zu dem Felsbogen hin, unter dem drei Reiter zu erkennen waren, die von seinem Anblick überrascht schienen.

»Das sind sie!«, brüllte eine heisere Fistelstimme. Die Reiter schwangen ihre Winchestergewehre hoch und kamen rasch näher.

Cutler riss den 38er aus dem Leder und feuerte rasend schnell. Das Bellen der Schüsse brach sich tausendfach an den Felswänden.

Gesteinssplitter spritzten hoch. Eines der heranpreschenden Pferde strauchelte und stürzte.

Cutler hetzte zu Prudence und zerrte sie auf die Beine. »Dort rauf!«, befahl er harsch und schob sie zu einem Hang, den man unter großen Mühen erklimmen konnte.

Gewehrschüsse wummerten. Hinter Cutler schrammten die Kugeln über den Boden. Der Falbe wieherte erschrocken auf und stob den Pass entlang, floh vor den heranpreschenden Reitern.

Eine Kugel schrammte über Cutlers Rücken. Er hievte Prudence den Hang empor, spürte einen harten Schlag an seinem Fuß, als ein Gesteinssplitter seinen Absatz traf, und folgte ihr.

Hastig kletterten sie nach oben, drückten sich in eine schmale Spalte.

»Ich komme nicht weiter«, stieß Prudence hervor.

»Schhh!«, machte Cutler und stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen sie. Drückte sie durch den Spalt. Die rauen Felswände schrammten ihnen die Haut an den Armen und Beinen auf, aber sie waren vorerst in Sicherheit.

»Verdammt, sie können sich nicht in Luft aufgelöst haben!«, donnerte Bradford Deakons Stimme. »Gerade waren sie doch noch hier.«

Cutler bedeutete Prudence, keinen Ton von sich zu geben. Sie kletterten auf der Rückseite der Hangwand weiter und gelangten auf ein schmales, mit Felsbrocken übersätes Plateau.

Prudence lehnte sich erschöpft gegen einen Felsen. Das Pelzcape bot ihr nur unzureichend Schutz vor dem kühlen Gebirgswind, der hier oben pfiff.

Cutler schob sich nach vorn und beobachtete die Deakon-Brüder, die unter ihm auf dem Pass herumritten und nach einer Stelle suchten, an der sich ihre Opfer verborgen haben konnten.

Der hünenhafte Clyde ging zum Rand des Abgrundes und linste vorsichtig nach unten. Von hinten näherte sich Dean und setzte seinem riesigen Bruder die Spitze der Machete ans Hinterteil, dass dieser einen erschrockenen Satz machte und um ein Haar in der Tiefe verschwunden wäre.

Mit einem Wutgeheul stürzte sich Clyde auf seinen Peiniger, der ihm lachend auswich und ihn immer wieder reizte, bis Bradford die Streithähne trennte.

»Verdammt, hört auf mit dem Blödsinn! Sucht lieber Cutler und dieses Miststück!«

Cutler ließ seinen Blick in die Runde schweifen. Ein Gedanke begann sich zu formen. Ein Grinsen lag auf seinen Lippen.

Behutsam machte er sich daran, die größten Felsbrocken an den Rand des Plateaus zu schleppen. Er türmte sie auf einem gewaltigen Quader auf, schob einen weiteren Brocken hinter den Turm und hielt keuchend und schweißgebadet inne.

»Kannst du mir mal verraten, was das werden soll?«

»Vertrau mir.«

»Schon wieder?«

Er drückte sie hinter dem Felsturm nieder, spähte noch mal über den Rand des Plateaus und stemmte sich mit aller Kraft gegen den Sockel des Turms. Prudence unterstützte ihn nach besten Kräften.

Die Felsen gerieten fast unmerklich ins Wanken.

Prudence rutschte ab. Ihr Fuß stieß gegen einen faustgroßen Stein und kickte ihn weit über den Rand der Felsplatte.

Um Haaresbreite segelte der Brocken an Clydes Schädel vorbei.

Der Hüne stieß einen überraschten Ruf aus, fuhr herum und starrte seinen Bruder an, der sich diesmal völlig unschuldig zeigte.

Clyde Deakon legte den Kopf schief und lauschte. Langsam glitt sein Blick nach oben. Er vernahm das leise Knirschen, bemerkte, wie sich einige Felsbrocken zu bewegen schienen und begriff.

»Vorsicht!«, brüllte er und brachte die Winchester hoch. Die Brüder deckten den Rand des Plateaus mit Kugeln ein. Cutler duckte sich. Prudence schrie. Der Bleihagel pfiff und jaulte um sie herum.

Eine letzte gewaltige Anstrengung. Der Turm geriet ins Wanken und war nicht mehr aufzuhalten.

Clyde stieß einen schrillen Schrei aus, als sich die Felsbrocken nach unten neigten. Die Pferde wieherten und stiegen auf die Hinterhand.

Dean stürzte aus dem Sattel. Clyde versuchte sein Pferd zu beruhigen, schaffte es aber nicht. Mit einem Satz war er auf dem Boden und wollte in den toten Winkel der Felswand hetzen, doch die Steinlawine war schneller.

Hart erwischte ihn ein Brocken an der Brust, fegte ihn über den Rand des Abgrunds.

Bradford Deakon blieb als einziger im Sattel, wurde jedoch ebenfalls von Steinbrocken getroffen. Blut lief ihm aus einer Schramme über das Gesicht. Das Gewehr wurde ihm aus der Hand geprellt. Mühsam hielt er sich im Sattel. Das Pferd trug den benommenen Banditen in wildem Galopp den Pass entlang.

Es war vorbei.

Cutler fand eine Stelle, an der er mit Prudence den Abstieg wagen konnte. Es ging leichter vonstatten als der Aufstieg.

Prudence schob sich an Dean Deakons reglosem, halb unter Felsbrocken begrabenen Körper vorbei. Cutler hielt den Revolver schussbereit in der Hand.

»Da war’s nur noch einer«, murmelte Cutler. Langsam näherten sie sich den Pferden der beiden jüngeren Deakon-Brüder. Er half Prudence in den Sattel, stieg selbst auf und ritt zügig zu dem Felsbogen, der sich wie ein gewaltiges Tor über den Weg spannte.

Lange regte sich nichts auf dem Passweg. Längst waren Cutler und Prudence in einer Staubwolke verschwunden, als sich zwei riesige, zerschrammte Hände am Rand des Abgrunds festklammerten.

Bald darauf fühlte sich Dean emporgehoben. Die Felsbrocken fielen von ihm ab. Er stöhnte und schüttelte den Kopf, um einen klaren Blick zu bekommen.

»War verdammt knapp«, meinte Clyde.

Dean zog die Machete und strich mit der flachen Klinge über seine Wange. »Ich hol mir dieses Aas«, versprach er. »Ich werde mir ganz besonders viel Zeit mit ihm lassen, und die Schlampe wird dabei zusehen. Ich krieg dich, Cutler!«

Sein Gebrüll verklang ungehört in der Einsamkeit der Berge.

Sie warteten auf ihren Bruder.

Sie stritten sich nicht. Ausnahmsweise.

Sie mussten lange warten, aber er kam.

Und das Trio des Teufels kannte nur noch ein Ziel: grausame Rache.

*

Wenige Kerosinlampen erhellten die Main Street.

Die Geschäfte hatten geschlossen. Die Menschen hatten sich in ihre Häuser zurückgezogen.

Nur im Queen Of Hearts, dem größten Saloon am Ort, herrschte reger Betrieb. Ein automatisches Klavier klimperte immer dieselben Melodien, weil niemand die Klangrolle auswechselte. Der Wirt kam mit dem Gläserputzen nicht nach. An der Theke drängten sich Cowboys.

An zwei Tischen wurde gepokert. Im Hintergrund vergnügten sich einige, spärlich bekleidete Girls mit ihren Freiem. Der Wirt hatte eine prächtige Auswahl getroffen und achtete darauf, nur die schönsten Mädchen bei sich anzustellen.

Auf der Straße fand der Lärm, der aus dem Saloon drang, wenig Beachtung. Dumpfe Schritte hallten auf dem Bohlensteig, wenn der Sheriff und sein Deputy ihre Runden drehten.

Ein verspäteter Cowboy trabte langsam zum Mietstall.

Sonst war alles ruhig.

Der Sheriff rüttelte gewohnheitsmäßig an den Türen der Geschäfte, um zu prüfen, ob sie verschlossen waren.

Die Straßenlaternen warfen spärliches Licht durch die Schaufenster. Das Innere der Geschäftsräume lag im Dunkeln.

Und so konnte auch kaum jemand auf die zusammengekrümmte Gestalt aufmerksam werden, die unter einem Waschtisch lag und sich in ihren Fesseln wand.

Ein breites Tuch war um den Mund des Mannes geschlungen worden und diente als Knebel. Man hatte ihn wie ein Weihnachtspaket verschnürt. Die Arme waren mit den Beinen zusammengefesselt worden, sodass sich der Mann kaum bewegen konnte.

Aus einem Nebenraum drang leises Kichern und Plätschern.

Cutler und Prudence vergnügten sich in einem mit dampfendem Wasser gefüllten Zuber. Cutler hatte sie eingeseift und ließ nun seine mit Seifenschaum bedeckten Hände über ihre Brüste gleiten, massierte ihren schönen, anschmiegsamen Körper. Seine Erregung konnte und wollte er nicht verbergen. In gewaltiger Vorfreude rieb er sich an ihrem wohlgerundeten Hinterteil.

»Na, ist das genug Entschädigung für den ausgestandenen Schrecken?«, flüsterte er und knabberte an ihrem Ohr.

»Mmh«, machte sie und berührte wie zufällig seine harte Männlichkeit.

»Warte«, hielt er sie zurück und drückte sie in die Lauge. Er stieg aus dem Zuber, öffnete das Zuführungsventil und ließ heißes Wasser aus dem Kessel nachlaufen.

»Oh, ist das wunderbar ...«

»Es wird noch viel schöner werden«, raunte er und beugte sich über sie, küsste sie und ließ seine Hände über ihren straffen Bauch zu dem zarten Flaum zwischen ihren Schenkeln gleiten.

»Das glaube ich allerdings weniger«, sagte eine wohlmodulierte Stimme, die von dem metallischen Klicken eines Revolvers begleitet wurde.

Cutler verzog das Gesicht. Sämtliche Muskeln versteiften sich.

Prudence stieß einen spitzen Schrei aus. Ihre Hände glitten zu den Brüsten, um sie zu bedecken, obgleich sie unterhalb der Wasserlinie lagen.

»Eines muss Ihnen der Neid lassen, Mr. Cutler. Niemand hätte auch nur vermutet, dass Sie sich hierher zurückwagen würden. Das war ein hervorragender Schächzug. Doch immer noch nicht clever genug.«

»Ich dachte, Sie spielen Dame ...« Cutler schaute zu dem rothaarigen Deputy hin, der breitbeinig vor dem Zuber stand und seinen improvisierten Schlagstock schwang. »Wie ich sehe, sind die Ohren noch dran, Willie.«

Der Rotschopf fauchte wütend und stampfte nach vorn.

Cutler ließ sich nach hinten fallen, prallte gegen Sheriff Gregory B. Mortimer und nutzte den Schwung aus. Zusammen knallten sie gegen den Heizkessel.

Sofort kreiselte Cutler herum, drückte die Hand des Sheriffs gegen die heiße Wand des Kessels. Mortimer schrie, hielt aber eisern den Colt fest.

»Wirst du wohl die Kanone fallen lassen?«, stieß Cutler hervor.

Mortimer hatte die Lippen zusammengepresst, um nicht noch mal zu schreien, und deshalb konnte er nicht antworten.

Prudence hingegen ging mit einem Schrei auf Tauchstation und rammte gleichzeitig Willie beide Beine in den Leib. Der Deputy krümmte sich japsend zusammen.

Die schwarzen Haare klebten in dem hübschen Gesicht der Agentin, als sie sich aufrichtete und Willie das Tauende abnahm.

Vergessen waren die Schmerzen und die Atemnot, als der Rotschopf zu dem seltenen Vergnügen kam, eine bildschöne, splitternackte, pudelnasse Frau vor sich zu sehen.

Prudence bemerkte seine begehrenden Blicke zunächst nicht. Sie war damit beschäftigt, ihr Haar aus dem Gesicht zu streichen. Als sie endlich Willies Gesicht sah, ließ sie ihrer Wut freien Lauf. »Mr. Mortimer, Sie haben Ihren Gehilfen schlecht erzogen. Ein Gentleman dreht sich um, wenn er eine Lady beim Baden überrascht!«

Sie verpasste Willie einen weiten Schwinger mit dem Seilende, der ihn von den Beinen riss.

»Weg mit der Kanone!«, stieß Cutler hervor, drosch auf den Stemträger ein, der sich im Augenblick nichts sehnlicher wünschte, als von dem heißen Kessel wegzukommen.

»Raus!«, schrie Cutler und zerrte seinen Gegner nach vorn.

Prudence konnte sich mit knapper Not aus dem Zuber verflüchtigen, als der Sheriff mit einem ängstlichen »Nicht schon wieder ...!« kopfüber in die Seifenlauge platschte.

»Zieh dich an. Wir haben einen Anstandsbesuch vor uns«, sagte Cutler unterkühlt.

Willie war wieder auf die Beine gekommen und fummelte mit seinem Revolver herum.

Cutler hielt seinen Patronengurt in der Hand und schwang ihn wie eine Peitsche durch die Luft. Er traf damit den Deputy. Willie taumelte gegen den Zuber, in dem Mortimer gerade auftauchte. Der Revolver fiel Willie aus der Hand und versank in dem Bottich.

Hastig suchte er danach und stieß dabei mit dem Sheriff zusammen.

Cutler stieg in seine Stiefel, schnallte den Revolvergurt um und schob Prudence zur Tür. »Wir empfehlen uns, Gentlemen. Und nicht vergessen - Augen zu, wenn Ladies baden!«

»Sie gehen nirgendwo hin, Cutler. Außer zum Gefängnis!«

Mortimer hatte endlich seinen Revolver hochgebracht.

»Genau«, pflichtete ihm Willie bei, dem das Wasser aus den Ohren schoss. Auch er hielt seine Waffe in der Hand.

»Nicht doch, Sheriff. Sie sind schon wieder so unhöflich. Dabei lege ich gar keinen Wert auf Ihre Gastfreundschaft,«

Cutler hieb gegen eine Halterung, die ein Zuflussrohr des Heizkessels stützte. Das Rohr senkte sich knirschend, das Ventil öffnete sich, und ein breiter Strahl heißen Wassers und der dazugehörige Dampf sprudelten hervor und in die Gesichter der beiden Ordnungshüter.

Wie der Blitz war Cutler bei ihnen, nahm Mortimer den Revolver ab und schickte beide Männer mit wohlgezielten Schlägen ins Reich der Träume.

Auf dem Weg nach draußen tätschelte er dem Barbier die pomadisierten Haare. »Immer schön locker bleiben, mein Freund. Sparen Sie sich Ihre Kräfte für die beiden da drin. Die brauchen morgen einen neuen Haarschnitt.«

*

Wenig später huschten zwei Gestalten über die ruhige Straße. Ihre Schritte waren kaum hörbar, als sie den Bohlensteig entlangschlichen und sich dabei immer im Schatten der Fassaden hielten.

»Bleib hier«, flüsterte Cutler und schob Prudence in eine dunkle Gasse neben dem Saloon. »Ich gehe da allein rein.«

»Hör mal, du hast mich hierher geschleppt, obwohl ich viel lieber nach Billings geritten wäre und die nächste Kutsche nach Süden genommen hätte. Also werde ich hübsch bei dir bleiben.«

»Viel zu gefährlich. Außerdem kannst du nicht halbnackt in einen überfüllten Saloon spazieren. Die Kerle da drin würden über dich herfallen wie eine Meute hungriger Wölfe.«

»Vielen Dank für das Kompliment.«

Cutler betrat den Vorbau, drückte sich aber gleich wieder an die Wand, als zwei angetrunkene Cowboys aus dem Saloon schwankten.

Niemand nahm das leise Quietschen der Pendeltüren wahr. Der Lärm im Schankraum war ohrenbetäubend. Blaue Rauchschaden waberten in Augenhöhe durch den Raum.

Die Girls lachten und kicherten schrill. Ihre Verehrer grölten.

Männer unterhielten sich am Tresen.

Chips klapperten, als die Pokerspieler ihre Einsätze machten.

Der wuchtige Garland blickte auf und schaute einen Moment lang in ein sonnengebräuntes, freundlich lächelndes Gesicht. Keine seiner Bewegungen entging den stahlblauen Augen.

Der Leibwächter wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Karten zu, war aber sichtlich irritiert.

Sein Blick schweifte ab, kehrte zu dem großen Mann zurück.

Cutler griente ihn an.

Garlands Augen flirrten. Er starrte sein Blatt an, wandte dann ruckartig den Kopf.

Cutler nickte ihm grinsend zu.

Garland legte das Blatt hin und schob seinen Stuhl zurück.

Als er Cutler diesmal anschaute, war das Grinsen verschwunden. Eine tödliche Kälte lag in den stahlblauen Augen.

»Ich schulde Ihnen noch was, Garland.«

Der Leibwächter erhob sich langsam. Er stand noch nicht richtig, als Cutlers Faust ihn hart unter dem Kinn traf und in die Höhe riss.

Garland taumelte, und Cutler setzte sofort nach. Hart und unnachgiebig kamen seine Hiebe. Er trieb den massigen Kerl durch den Schankraum. Saloongirls schrien, Männer wichen zur Seite.

Cutler bewies Garland, dass auch er mit den Fäusten umzugehen wusste. Die Nase des Schlägers brach knirschend. Blut spritzte. Ein Auge war bereits zugeschwollen, ehe Garland zum Gegenangriff überging.

Cutler duckte sich unter den Schwingern hindurch, rammte seinen Kopf in Garlands Gesicht. Die Lippen platzten auf. Zähne knirschten.

Cutler versetzte seinem Gegner zwei harte Hiebe gegen die Schläfen.

Der Muskelprotz schüttelte benommen den Kopf. Cutler kreiselte herum und traf ihn empfindlich mit dem Stiefel in der Körpermitte.

Der Leibwächter hatte erkannt, dass er gegen Cutler nicht mit den Fäusten ankam. Er griff zum Revolver.

Cutler schlug ihm die Waffe aus der Hand. Sofort hagelten brutale Schläge auf Garland nieder, der völlig in die Defensive gedrängt wurde. Cutler hatte sich in unzähligen Prügeleien bewährt und ließ ihm keine Chance. Mühelos durchbrach er Garlands Deckung und holte ihn schließlich mit einem Doppelschwinger von den Beinen.

Garland krachte auf einen Tisch, der unter der Wucht des Aufpralls zusammenbrach. Stöhnend wand sich Garland in den Trümmern.

Cutler packte ihn an der Hemdbrust und stieß ihn gegen den Tresen. »Wo ist dein Boss?«, fragte er leise.

Garland röchelte und spuckte Blut.

»Ich hab dich nicht verstanden, Hombre. Wenn du deine Zähne behalten willst, beantwortest du meine Frage. Wo ist Lyndon?«

»Hier!«

Cutler erstarrte.

Die Stimme des Geschäftsmannes war über ihm erklungen. Er wandte den Kopf und sah Lyndon, der auf einer Galerie über dem Schankraum stand.

In seinem Griff wand sich Prudence McDowell.

Lyndon hielt die Agentin mühelos fest. Er hatte ihr das Pelzcape heruntergerissen. Prudence war nur noch mit ihrem Korsett bekleidet.

»Wieso legen Sie sich mit mir an, Cutler? Ich bin ein friedliebender Mensch!«

»Das habe ich gemerkt, als Sie mir ihre Killer auf den Hals hetzten, Lyndon. Nur weil ich mich nach Ihnen erkundigt hatte. Spätestens da wusste ich, dass Ihre Weste nicht so weiß ist, wie Sie Ihren Mitmenschen Glauben machen wollen.«

Die Zuhörer im Gastraum murmelten aufgeregt.

»Können Sie die Männer zählen, die Sie auf dem Gewissen haben, Mister? Unschuldige Menschen müssen sterben, damit Sie Ihre Geschäfte abwickeln und einen gewaltigen Profit einstreichen können. Diese ach so friedliche Stadt ist reine Augenwischerei. Der Sheriff frisst Ihnen aus der Hand, vor den Bürgern treten Sie als der große Wohltäter auf, und in Wirklichkeit begehen Sie als Biedermann skrupellose Verbrechen. Sie handeln mit allem, was Geld bringt, von Waffen bis Rauschgift.«

»Und Mädchen«, fügte Prudence hinzu. »Er hat es mir selbst ...«

Lyndon packte ihre dichte, schwarze Haarpracht und riss ihren Kopf zurück. »Halt den Schnabel, Täubchen, oder ich breche dir deinen hübschen Hals!«, zischte er.

Diese grobe Behandlung einer Lady waren die Männer von Rosebud nicht gewohnt. Ärger zeichnete sich in ihren Gesichtem ab. Sie raunten aufgeregt.

»Und Sie scheuen sich nicht, sogar mit den Deakon-Brüdern gemeinsame Sache zu machen. Aber damit ist jetzt Schluss. Sie werden sich vor einem Bundesgericht verantworten, Lyndon. Und es wird kein von Ihnen bezahlter Richter den Vorsitz haben!«

Lyndon wurde zusehends nervöser.

»Sie verdammter Bastard!«, brüllte er. »Sie erdreisten sich, hier aufzutauchen und mir alles streitig zu machen, was ich mir mühevoll aufgebaut habe. Das lasse ich nicht zu! Niemals! Diese Stadt gehört mir. Ihre Menschen gehören mir! Niemand wird sie mir wegnehmen!«

»Diese Stadt war Ihr großer Fehler, Lyndon. Sie haben damit geprahlt, hier ein friedliches Paradies geschaffen zu haben. Aber in Washington weiß man genau, dass es in jeder Stadt auch schwarze Schafe und Unruhestifter gibt. Die perfekte, friedvolle Gemeinde, in der niemals etwas passiert, kann es nicht geben. Man wurde aufmerksam. Als Prudence an Ihrer glänzenden Fassade kratzte, kam rasch der Schmutz zum Vorschein.«

Lyndon schüttelte wütend seine Gefangene.

»Sie war Ihr zweiter Fehler, Mister, der Ihnen zum Verhängnis wurde. Sie wollten Prudence besitzen. Sie fehlte Ihnen noch zum Glück. Das ließ Sie jede Vorsicht vergessen. Sie waren so dumm, auch noch vor Bradford Deakon mit Ihrer Herzdame zu prahlen. Dabei kannten Sie Deakon gut genug, um damit rechnen zu müssen, dass er selbst scharf auf Prudence wurde. Und Sie wissen doch, dass die Deakons immer bekommen haben, was sie wollten ...«

Ungläubig starrte Lyndon auf die schwarzhaarige Schönheit. »Das ist nicht wahr! Sag, dass er lügt. Du hattest nichts mit Bradford! Er hat seine schmierigen Finger nicht an dich gelegt, oder?«

Prudence schwieg.

»Sie kennen die Antwort, Lyndon. Bradford hatte den Engel längst flachgelegt, als Sie noch auf rosaroten Wolken schwebten. Und sie hatte wahrscheinlich sogar Spaß daran ...«

»Das ist nicht wahr!«, rief Prudence wütend. Ihr Gesicht war bleich geworden. Ihre Nasenflügel bebten vor Wut.

Lyndon brüllte seine Wut und seine Enttäuschung hinaus. In ihm war etwas zerbrochen. Er hatte offenbar immer noch gehofft, Prudence für sich gewinnen zu können, doch Cutler hatte diese Hoffnung zerstört.

Lyndon schleuderte Prudence gegen die Wand und schüttelte sie heftig durch.

Cutler zog den Revolver und ging langsam zur Treppe, die auf die Galerie führte. Er hörte das laute Sirren, doch ehe er reagieren konnte, wickelte sich die Schnur der Bullpeitsche um sein Handgelenk. Der Revolver wurde ihm aus den Fingern geprellt.

Cutler wirbelte herum und sah sich Cully gegenüber, der breitbeinig vor den Pendeltüren stand.

»Machen Sie ihn fertig, Mr. Cully!«, dröhnte Lyndons Stimme von oben.

Der Peitschenschwinger ging sofort daran, den Befehl seines Brötchengebers auszuführen. Er sah Garlands zerschlagene Gestalt. Seine Augen blitzen hasserfüllt.

Er hob die Peitsche zum Schlag, und Cutler griff an. Er stürmte auf Cully zu und schwang die Fäuste, doch er kam dem Leibwächter nicht zu nahe.

»Diesmal bist du dran, Cutler!«, stieß Cully hervor und hieb zu.

Die Lederschnur wickelte sich um Cutlers Hals und schnitt tief in die Haut. Cutler wurde zur Seite geschleudert und prallte hart gegen den Tresen.

Die Zuschauer verfolgten fassungslos den ungleichen Kampf. Sie hielten sich heraus. Mit Lyndon und Cully wollte sich niemand anlegen.

Cully spielte mit Cutler und hieb wild auf ihn ein. Doch der gab nicht auf. Er wartete nur auf die Gelegenheit, in die Nähe des Peitschenschwingers zu gelangen.

Cully wurde übermütig. »Hast du noch nicht genug, Cutler? Ich will dich winseln hören! Bin gespannt, wie viel du noch einstecken kannst.«

Wieder schlang sich die Peitschenschnur um Cutlers Hals, aber diesmal wurde er nicht durch den Raum geschleudert, sondern Cully zog ihn zu sich heran.

Cutler hielt die Lederschnur umklammert, stemmte sich gegen den Zug, gab aber plötzlich nach und brachte Cully aus dem Gleichgewicht. Er nutzte den Schwung aus, prallte gegen den Peitschenträger und befreite sich blitzschnell von der würgenden Schnur.

Hart krachten seine Ellbogen und Fäuste in Cullys Gesicht. Der Peitschenträger schrie, bis ihm Cutler die Faust gegen die Kehle donnerte. Verzweifelt rang Cully nach Atem.

Cutler benutzte die Peitschenschnur nun seinerseits als Würgeschlinge und drehte Cully die Luft ab. Er stieß ihn vor sich her in den Schankraum hinein.

Lyndon tobte auf der Galerie, griff unter die Jacke und brachte einen kurzläufigen Revolver zum Vorschein. Wild schoss er auf Cutler, verfehlte ihn jedoch.

Lyndon deckte ihn mit Kugeln ein. Die Gäste drängten sich ängstlich in den hintersten Ecken des Saloons. Der Wirt ging hinter dem Tresen in Deckung.

Cutler wollte den Kampf nach Möglichkeit draußen beenden, wo er mehr Bewegungsfreiheit genoss. Er zog Cullys Revolver aus dem Holster und feuerte zu Lyndon hinauf, ohne jedoch die Absicht zu haben, ihn zu treffen. Prudence stand schließlich in der Schusslinie, und er wollte sie nicht gefährden. Sie war viel zu hübsch und zu verheißungsvoll, um auf sie zu verzichten.

Lyndon duckte sich erschrocken. Er war kein Kämpfer. Die Drecksarbeit überließ er anderen. Auch wenn er alle Felle davonschwimmen sah, zog er doch den Schwanz ein, wenn es hart auf hart kam.

Er schleifte Prudence in einen Korridor. Cutlers Kugeln schlugen in die Wände.

Cutler machte kehrt und rannte zur Tür, um sich nach draußen zu begeben. Er hoffte, dass ihm Lyndon folgen oder zumindest seine Männer hinterherschicken würde. Dann konnte er zurückkommen und sich den sauberen Zeitgenossen in aller Ruhe vorknöpfen.

Cutlers Rechnung ging nicht auf.

Er stieß zwar die Schwingtüren auf, verharrte aber auf der Stelle. Denn vor ihm ragte eine riesige Gestalt auf, und die beiden runden, schwarzen Öffnungen am Ende einer Schrotflinte zeigten genau auf sein Gesicht …

*

Cutler starrte in Clyde Deakons zerschrammte Visage. In den kleinen Augen lag abgrundtiefer Hass.

»Wo kommst du denn her? Hat dich der Teufel nicht haben wollen? Warst ihm wohl zu hässlich ...«

Clyde grunzte nur.

Cutler berührte ihn vorsichtig, tastete seine Arme und die breite Brust ab.

»Du bist echt! Na ja, ich hab sowieso nie an Gespenster geglaubt ...«

Sprach’s und trat Clyde mit voller Wucht auf die Plattfüße.

Tränen des Schmerzes schimmerten in den Augen des Riesen.

Cutler schob den Lauf der Schrotspritze zur Seite und pflanzte Clyde die Fäuste ins Gesicht, ohne damit irgendeine Wirkung zu erzielen.

Er nahm den Remington zu Hilfe und hieb auf Clyde ein, aber der zeigte sich überhaupt nicht beeindruckt.

»Kannst du beten?«, fragte er mit seiner Fistelstimme.

Cutler blinzelte verwirrt. »Äh, ja, doch ...«

»Dann lass mal was hören!«

Clyde stellte die Schrotflinte ab. Ehe es sich Cutler versah, wurde er von Riesenfäusten gepackt und flog durch die Luft.

»Jesus, Maria und Josef ...« Nur diese drei Namen brachte er heraus, bevor er auf den Schanktisch krachte und die polierte Fläche entlangrutschte. Gläser und Flaschen wurden hinuntergefegt und zersplitterten. Bier und Whiskey ergoss sich über seinen Kopf und sein Hemd.

Damit aber nicht genug. Schüsse peitschten auf und begleiteten seine Rutschpartie. Die Kugeln schrammten hinter ihm über den Tresen, sausten dicht über ihn hinweg und fegten ihm den ohnehin schon durchlöcherten Stetson vom Kopf.

Cutler fiel kopfüber vom Tresen und stemmte sich vorsichtig hoch.

Clyde Deakon stand am anderen Ende der Bar, ließ die rauchenden Schießeisen um die Finger wirbeln, schob sie ins Leder und brachte grinsend die Schrotflinte hoch.

»Ich hab doch noch nicht mal mit Beten angefangen ...!«, brüllte Cutler und ging auf Tauchstation. Seine Worte gingen im Dröhnen der Bleispritze unter.

Die Schrothummeln summten dicht über den Tresen und prasselten gegen die Wand.

»Jetzt hab ich aber die Faxen dicke!«

Cutler kroch zur Seite, schnappte seinen Remington und hämmerte seine Schüsse zu dem Riesen hinüber, aber Clyde Deakon bewies wieder einmal, wie gewandt und flink er sich bewegen konnte. Er stand längst nicht mehr an der Bar, sondern befand sich mitten im Raum, kniete hinter einem umgekippten Tisch und schob Patronen in die Kammern seiner Colts. Das geschah rasend schnell. Nie hatte Cutler jemanden so rasch nachladen und feuern sehen.

Clyde beharkte ihn mit seinen Schüssen. Kugeln schleuderten Cutler Holzsplitter ins Gesicht, zupften an seiner Kleidung.

Ein Projektil schrammte schmerzhaft über seinen Arm.

Zu allem Überfluss beschloss auch noch Cully, dem riesigen Schießer zu Hilfe zu eilen. Er walzte auf Cutler zu und holte mit der Peitsche zum Hieb aus.

Im letzten Augenblick ließ sich Cutler zur Seite fallen. Die Schnur verfehlte ihn und klatschte dicht über seinem Kopf gegen den Tresen.

Cutler sprang in den Raum, ging hinter einem gusseisernen Ofen in Deckung, sah Garlands Revolver nicht weit entfernt liegen und hechtete darauf zu.

Clydes Kugeln folgten ihm. Cutler spürte einen dumpfen Schlag am Schenkel, als eine Kugel eine tiefe Furche in seine Haut zog, dann hatte er die zweite Waffe erreicht und rollte herum.

Aus der Bewegung heraus feuerte er mit beiden Revolvern gleichzeitig.

Clyde Deakon, der sich aus seiner Deckung erhoben hatte, wurde voll getroffen. Vier, fünf Kugeln hieben mit voller Wucht in seinen massigen Leib und stießen ihn zurück.

Er grunzte unwillig, strich über seine blutende Brust und betrachtete die rot verfärbte Hand. Zwei, drei Schritte brachten ihn Cutler nahe, und wieder bellten Colt und Remington.

Langsam sank der Hüne in die Knie.

»Hinter dir!«

Cutler kreiselte herum, als er Prudence schreien hörte. Sofort duckte er sich.

Die blitzende Klinge der Machete sirrte über seinen Kopf und nahm einige Haare mit.

Dean Deakons Lederkleidung hatte schwer gelitten. Sie war an einigen Stellen zerrissen. Das schmale, zerfurchte Gesicht war noch blasser als sonst. Ein hässliches Grinsen verzerrte seinen Mund.

Das Hackmesser zischte heran. Cutler wich aus, doch die Klinge erwischte ihn am Arm. Die Hiebe kamen wild und präzise. Dean spielte mit ihm. Ein Streich schlitzte Cutlers Hemd auf und ritzte die Haut an seinem Bauch. Bald blutete er aus zahlreichen Wunden.

Er kam auch nicht zum Schuss, denn Dean befand sich ständig in Bewegung, und sein Messer zuckte blitzschnell heran, wie der Kopf einer Klapperschlange.

Cutler hob den Colt, um damit die Klinge abzuwehren. Metall klirrte gegen Metall. Cutler holte mit dem Remington aus, doch Deakon war darauf gefasst. Seine Linke hielt ein Messer und führte einen hässlichen Schnitt über Cutlers Handrücken.

Der Remington polterte zu Boden. Deakon tänzelte herum und fegte den Colt aus Cutlers anderer Hand.

»Ich glaube, deine Ohren werde ich behalten«, meinte er heiser. »Die kleine Hexe soll sich immer an dich erinnern, wenn ich sie mir vornehme. Wird Zeit, dass sie von einem richtigen Kerl rangenommen wird.«

»Du meinst doch nicht etwa dich«, verhöhnte ihn Cutler. »Das Einzige, was du hochkriegst, ist diese beschissene Machete.«

Deans Gesichtsfurchen gerieten in Bewegung. Ein heiserer Wutschrei löste sich aus seiner Kehle.

Cutler nahm den Kopf zur Seite. Die Klinge rasierte an seinem Ohr entlang und schnitt tief in die Kante des Schanktisches.

Cutler trat Deakon mit aller Kraft zwischen die Beine. Der Messermann wimmerte, zeigte aber sonst keine Reaktion.

»Sag ich doch. Nichts in der Hose.«

Deakon zerrte die Klinge frei und ließ sie sausen. Ein schmerzhafter Schnitt zog sich quer über Cutlers Brust.

Mit Mühe und Not konnte er den wütenden Hieben ausweichen, bis er mit dem Rücken gegen einen Stützbalken stieß, der sich in der Mitte des Raumes erhob.

»Aahh!« Deakons Schrei ließ den Raum erbeben, als er mit vorgestreckter Klinge anstürmte, um Cutler an den Balken zu nageln.

Der große Mann rutschte im letzten Moment nach unten.

Dort, wo sich sein Hals befunden hatte, bohrte sich die Machete mit Wucht in ein Astloch, drang durch den Balken und trat auf der anderen Seite wieder heraus.

Cutler nahm Deakons Beine in die Schere und brachte ihn zu Fall. Er riss ihn hoch und prügelte auf ihn ein.

Deakon zog seine Wurfmesser, doch Cutler drehte seine Hand um und rammte ihm eines der Messer in die Seite. Die andere Hand knallte er gegen die Kante des Tresens. Die Klinge wurde Deakon aus den Fingern gehebelt.

Cutler verpasste dem Hageren einen gewaltigen Schwinger, der ihn quer durch den Raum taumeln und gegen seinen riesenhaften Bruder prallen ließ, der sich schwerfällig erhoben hatte.

Die Brust des Hünen war blutbesudelt.

»Mach Platz, Kleiner! Den Bastard muss ein richtiger Kerl erledigen.«

Clydes Gesicht war eine Maske der Wut. Er bekam seinen Bruder zu fassen, hob ihn ohne sichtliche Anstrengung hoch, riss das Knie empor und ließ den hageren Körper darauf niedersausen.

Knochen knackten.

»Ich - bin - nicht - klein!«, stieß er weinerlich hervor.

Dean konnte nichts mehr erwidern. Jeder Knochen im Leib schmerzte ihn; das Atmen fiel ihm schwer. Hilflos ruderte er mit den Armen.

»He, Kleiner! Du willst doch mich, oder?«, rief Cutler.

Clyde blinzelte und schleuderte Dean von sich. Der hagere Killer stieß einen quiekenden Schrei aus, als er gegen den Balken rammte und von seiner Machete aufgespießt wurde.

Ein breiter Blutstrom quoll über seine Lippen. Dann ging ein letztes Zucken durch seinen Körper.

Clyde stampfte auf Cutler zu, der langsam zurückwich.

Doch Cutlers Chancen standen ausgesprochen schlecht, denn nun platzte auch noch Bradford Deakon in den Raum und schwang seine Revolver.

Und auf der Galerie hatte sich Lyndon zur Balustrade gewagt und zielte ebenfalls auf den großen Mann.

Dieser dreifachen Gefahr konnte selbst Cutler nicht gewachsen sein.

Mit einem gellenden Schrei stürzte sich Prudence nach unten, landete mit einem katzenhaften Satz auf Clyde Deakons breitem Rücken und umklammerte seinen Hals.

Der Riese drehte sich im Kreis, versuchte, Prudence abzuschütteln.

Sie klammerte sich an ihm fest und kickte ihre Knie in seine Nierengegend.

Clyde brüllte und kreiselte herum. Dabei beachtete er nicht, dass er seinem älteren Bruder in die Schusslinie geriet.

Bradfords Kugeln hieben in den massigen Leib des Hünen. Clyde brach wimmernd in die Knie, senkte den Kopf und starb.

Prudence purzelte von ihm herunter.

Bradford verpasste ihr einen gemeinen Tritt. »Um dich kümmere ich mich nachher, Schlampe!«

Er zielte auf Cutler, der sich mit einem Hechtsprung hinter den Bullerofen warf.

Mehrere Schüsse krachten gleichzeitig.

Bradford Deakon taumelte und blickte erstaunt nach oben, wo Lyndon mit rauchendem Revolver stand. Lyndons Kugeln hatten tatsächlich getroffen, allerdings den falschen Mann.

Bevor er sich der Situation vollständig bewusst werden und Cutler erneut aufs Korn nehmen konnte, zog Cutler die Machete frei und schleuderte sie in Lyndons Richtung.

In einem letzten Reflex taumelte der getroffene Lyndon nach vorn und brach über der Balustrade zusammen. Blut tropfte aus seiner Wunde auf den Boden.

Es war vorbei.

Das Trio des Teufels gab es nicht mehr. Und Ashford Lyndon würde sich vor einem höheren Richter verantworten müssen …

*

»O ja! Das tut so gut«, stöhnte sie verliebt und bäumte sich unter Cutler auf. Er bewegte sich tief in ihr, ließ die Wogen der Leidenschaft über ihr zusammenbrechen. Sie umklammerte ihn mitihren Schenkeln, um ihn noch tiefer in sich aufzunehmen.

»Eigentlich hast du es nicht verdient, dass ich mit dir schlafe«, stieß Cutler hervor.

»Wieso?«

»Weil du schon wieder deinen Kopf durchgesetzt hast. Ich hatte dir doch gesagt, du solltest in der Gasse bleiben.«

»Als ich Lyndon sah, dachte ich ...«

»Dein Starrsinn kostet dich eines Tages den hübschen Kopf!«

Sie lächelte zuckersüß. »Solange mir Washington einen Beschützer wie dich schickt, brauch ich mir keine Sorgen zu machen ...«

»O doch. Du wirst hoffentlich nicht gleich mit meinem Nachfolger in die Kiste steigen!«

»Eifersüchtig?«

»Nur besorgt.«

Ihre Fingernägel schrammten über seinen Rücken, und sie schnurrte laut.

Mit harten Stößen trieb er sie dem Höhepunkt entgegen. Als sie unter lautem Stöhnen kam, ließ er von ihr ab.

Diesmal atmeten sie also etwas ruhiger, als geklopft wurde und jemand Einlass begehrte.

Cutler tappte zur Tür, die mit gewaltiger Wucht aufschwang.

Sheriff Gregory Mortimer stand vor ihm. Er klemmte seine Daumen in die Ärmel der Weste und präsentierte stolz sein Sheriff-Abzeichen.

»Das trifft sich ausgesprochen gut, Sir, dass ich Sie nicht noch länger suchen muss. Mein Gehilfe wird Ihnen eine Rechnung für zwei ruinierte, maßgeschneiderte Anzüge sowie die dazugehörigen Stiefel präsentieren. Ganz abgesehen davon, dass wir uns wegen Ihnen einer Sonderbehandlung beim Barbier unterziehen mussten. Unsere Haut war völlig verbrüht!«

Willies abstehende Ohren wackelten, als er sich am Sheriff vorbeidrückte und Cutler einen Zettel entgegenhielt.

»Wissen Sie, was ich auf den Tod nicht ausstehen kann, Mister?«, fragte Cutler leise.

Willie stierte mit Stielaugen auf die splitternackte Prudence, die ihn vollends um den Verstand brachte, als sie sich in die Brust warf und beidhändig ihre Haare ordnete.

»Nun?«, fragte Mortimer.

»Wenn man mich wegen einer solchen Lappalie bei einem intensiven Gespräch mit einer Dame stört!«

Cutlers Hand zuckte vor Willies Augen. »Du hast genug gesehen, Kleiner.«

Willie verdrehte verträumt die Augen.

»Das geht entschieden zu weit, Sir. In Boston wäre dieses Benehmen völlig inakzeptabel. Sagen Sie es ihm, Miss ...!«

Prudence richtete sich auf und präsentierte ihre nackte Schönheit dem bärtigen Betrachter. »In Boston, Mister, hütet sich ein Gentleman davor, eine nackte Dame im Bett zu begaffen.«

»Ich dachte, das gilt nur fürs Baden ...«

»Man wendet sich in iedem Fall ab, Sir!«

»Oder man taucht unter ...«, fügte Cutler hinzu und schleppte Mortimer zum Fenster.

Mortimer blickte Cutler verständnislos an.

Cutler deutete nach unten.

»O nein, Sir, das werden Sie doch nicht ...« , begann Mortimer beim Anblick des Pferdetrogs. Der Rest seines Satzes verlor sich in einem Schrei und lautem Platschen.

Der große Mann schloss das Fenster und kehrte zum Bett zurück.

»Wo waren wir stehen geblieben?«

Prudence richtete ihren Blick auf sein bestes Stück, das sich rasch erholte. »Von stehen geblieben kann keine Rede sein. Ich werde wohl etwas nachhelfen müssen ...«

ENDE

Showdown unter Banditen: Super Western Bibliothek 10 Romane

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