Читать книгу Showdown unter Banditen: Super Western Bibliothek 10 Romane - Pete Hackett - Страница 24
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ОглавлениеZehn Minuten später lag ich in einer Mulde am Fuß einer Klippe und wartete auf Bob Clinton und seine Reiter. Ich hatte ein höllisch flaues Gefühl im Bauch. Einer gegen fünf oder zwei gegen fünf. So groß war der Unterschied nun auch wieder nicht. Ich schwitzte, dass mir das Wasser nur so übers Gesicht strömte. Nicht nur die Sonnenglut, die hundertfach von den glatten, schwarzen Felsen gespiegelt wurde, war daran schuld. Ein mit Felsbrocken bedeckter Hang senkte sich vor mir. Drüben, zweihundert Schritte entfernt, stieg das Gelände wieder an. Dort hatte der Sergeant sich zwischen den Felsen unsichtbar gemacht. Gut und schön. Bei jedem anderen Gegner als Bob Clinton hätte ich gehofft, dass die Falle zuschnappen würde. Aber Clinton war ein Wolf, misstrauisch, wachsam und wie mit einem sechsten Sinn für drohende Gefahr ausgestattet. Sobald er dieses Teufelslabyrinth erreichte, würde er auf alles gefasst sein. Genau darauf würde es hinauslaufen.
Ich hielt die Winchester bereit. Fünfzehn Schuss im Röhrenmagazin, dazu die Patrone, die schon im Lauf steckte. Das Metall war so heiß, dass ich mir die Finger dran verbrannte. Ich hatte mich vorhin mit einem Schluck aus der Canteenflasche gestärkt, aber meine Kehle war schon wieder wie ausgedörrt. Doch von dem Augenblick an, als ich den Hufschlag hörte, zählte das alles nicht mehr. Ich hatte nur mehr den Wunsch, dass sie endlich kamen, dass es so oder so entschieden wurde.
Dieses letzte zermürbende Warten zerrte an meinen Nerven. Ich spähte zu den Felsblöcken hinüber, zwischen denen Donovan verschwunden war. Nichts. Die Hufe klapperten nur lauter. Ja, sie hielten unsere Spur. Aber es dauerte noch einige Zeit, bis sie an einer Biegung auftauchten. Zu weit entfernt für einen sicheren Schuss. Etwas ganz anderes fuhr mir in die Knochen: Es waren nicht fünf, sondern nur drei Mann.
Der hagere, bärtige Clinton und zwei Kerle in zerschlissener, verstaubter Reitertracht. Einer ein Mexikaner. Ein Kugelloch „zierte“ seinen spitzkronigen Sombrero. Staubverfilzte Zotteln quollen unter der Krempe hervor. Der andere hatte anstelle eines Huts ein buntes Tuch zum Schutz gegen die mörderische Sonne um den Kopf geschlungen. Clinton besaß seinen Stetson noch. Die Silbermünzen am Hutband schimmerten matt. Die Farbe seines altmodischen Prinz-Albert-Rocks war unter der Staubschicht nicht mehr zu erkennen. Clinton saß ab und beugte sich über die Stelle, wo mein Schecke mit einem Huf die glasige Felskruste durchbrochen hatte. Seine hagere Gestalt wirkte so angespannt und reaktionsbereit wie damals im Indian Hole. Ein Wolf, der die Jäger wittert!, durchfuhr es mich. Aber wo waren die beiden anderen?
Es war so verflucht heiß, dass man auf den Felsen Eier hätte braten können. Clinton machte die Hitze jedoch anscheinend nichts aus. Geschmeidig schwang er sich wieder in den Sattel. Sie zogen ihre Gewehre aus den Scabbards, bevor sie weiterritten. Der Schatten dicht stehender Felskegel nahm sie auf. Wenn sie ihn verließen, würden Donovan und ich sie vor unseren Waffen haben. Das Hufgeklapper näherte sich. Dann klirrten Sporen. Sie waren also abgestiegen und führten ihre Pferde. Vorsichtig tasteten sie sich vor. Kein Zweifel, sie ahnten, dass wir da waren.
Dann sah ich sie wieder. Der mit dem Kopftuch stand plötzlich neben einem schwarzen Lavablock nicht weit von der Stelle, wo ich den Hang heraufgeklettert war. Er hielt sein Pferd am Zügel. Seine Rechte umspannte die Winchester. Der Mexikaner tauchte vor einer Felsgruppe auf, zwischen der ein tief eingeschnittener Spalt verlief. Und Clinton? Als zwanzig, dreißig Sekunden verstrichen, ohne dass von ihm etwas zu sehen und zu hören war, wusste ich, dass der Oberhalunke irgendwas im Schilde führte. Nur – was?
Seine beiden Begleiter bewegten sich nicht. Sie verharrten geduckt und ließen ihre Blicke argwöhnisch über die Hänge und Grate schweifen. Ich dachte wieder daran, dass sie ja eigentlich zu fünft gewesen waren. Die Sache gefiel mir immer weniger. Ich konnte bald nicht mehr ruhig auf dem harten Fels liegen. Donovan wartete anscheinend ebenfalls darauf, dass Clinton zum Vorschein kam. Zum Teufel, wo steckte der Schuft bloß?
Vorsichtig hob ich den Kopf ein bisschen höher über den Muldenrand.
Da knallte es. Ein Splitterwirbel fauchte über mich weg. Einer dieser „Felsenscherben“ schlitzte mir die rechte Wange auf. Ich hatte mich schon geduckt. Alles ging so schnell, dass ich nicht mitbekam, von wo der Schuss fiel. Clintons Kumpane sprangen in den Schatten zurück. Der mit dem Kopftuch schaffte es nicht mehr ganz.
Donovans Spencer und meine Winchester peitschten noch in Clintons Detonation hinein. Der breitschultrige Bandit prallte gegen den schwarzen Quader. Er brachte noch eine Kugel in meine Richtung aus der Waffe, dann rutschte er an dem glatten Fels nieder. Sein Pferd wieherte, schnellte herum und floh.
Der Mexikaner hatte sich zu Boden geworfen. Mein nächster Schuss verfehlte ihn. Geschmeidig rollte er sich zwischen die Felsen. Gleichzeitig musste ich mich wieder unter den Muldenrand ducken und mein Gesicht vor den messerscharfen Splittern schützen, die Clintons Kugel auf mich schleuderte.
„Pass auf, Carringo, er hockt auf der Felskanzel schräg rechts vor uns!“, drang Sergeant Bulls Löwenstimme zu mir herüber. Für einen Moment sah ich einen dünnen Pulverdampfschleier über der von Donovan bezeichneten Stelle.
Da knallte es abermals, und ich duckte mich fluchend so tief es ging. Diese verflixten Felssplitter waren fast ebenso gefährlich wie Clintons Blei. Der Bandenboss hatte sich einen noch besseren Schießplatz ausgesucht als Donovan und ich. Von der an einen Steilhang hingeklebten „Kanzel“ hatte er einen prima Überblick. Donovan empfing nun ebenfalls Bleigrüße von ihm. Und auch Donovan blieb nichts anderes übrig, als sich hinter seiner Deckung so klein wie nur möglich zu machen. Kein einfaches Problem für einen Kerl, der wie ein Kleiderschrank gebaut war.
Clinton ließ sich durch meine Schüsse nicht beeindrucken. Er lag da oben flach auf dem Bauch. Ein Wall von Geröllbrocken, zwischen denen die Mündung seines Karabiners hervorlugte, schützte ihn. Plötzlich schwieg Clintons Waffe.
Der Nachhall eines gellenden Schreis zitterte zwischen den glutheißen Lavafelsen. Er kam von dort, wo der Mexikaner verschwunden war. Ein Poltern und Prasseln folgte. Da begriff ich alles: Der Bandit war dem Riss im Felsboden zu nahe gekommen. Morsch wie das Gestein hier war, war die Kante weggebrochen. Ein paar Felsbrocken lösten sich noch. Ihr dumpfer Aufschlag verriet die Tiefe des Abgrunds, in die der Mann gestürzt war.
Ich schluckte. „Es gibt keinen besseren Platz, um es mit ihnen auszukämpfen!“ So ähnlich hatte Joe Donovan es ausgedrückt. Von Anfang an hatte der Sergeant auf einen entscheidenden Trumpf gesetzt: die Wüste. Keine Minute lang hatte er sie als Feind, immer nur als Verbündeten betrachtet. Genau wie die Apachen es taten.
Zuerst schien es, als würde der Schrei von eben ein spätes, verlorenes Echo bekommen. Die Stimme klang jetzt dünn und kraftlos. „Hilfe!“, verstand ich dann. „Hol mich da raus, Bob! Hilf mir! Ich kann mich nicht mehr rühren!“
Ich spürte ein Kribbeln im Genick. Himmel, es wär‘ besser gewesen, eine Kugel hätte den Mexikaner erwischt, als dass er jetzt da unten lag! Allein. Ohne Hilfe. Denn Bob Clinton dachte natürlich nicht daran, seinen Platz zu verlassen. Eine Weile war es still, so als müsste der Abgestürzte neue Kraft sammeln. Dann rief er wieder. Es waren keine Worte mehr, nur ein langgezogenes, schmerzerfülltes Schreien. Es ging mir durch und durch.
Clinton feuerte wieder. Das Peitschen seiner Schüsse hallte weit in die Wüste hinaus. Es war sicher nur mehr eine Frage der Zeit, bis die beiden restlichen Kerle, die zum Verfolgertrupp gehört hatten, hier auf der Bildfläche erschienen. „Ihr Bastarde! Ihr Hundesöhne!“, beschimpfte uns der Banditenhäuptling. „Ihr werdet euch noch in der Hölle für alles verfluchen!“
Blut sickerte über meine rechte Wange. Aber ich spürte keinen Schmerz. Ohnmächtige Wut tobte in mir. In den Pausen zwischen Clintons Schüssen hörte ich die Stimme in dem Felsspalt. Ich visierte die Felskanzel an, versuchte den Höhenunterschied zu berechnen. Doch mein erster Schuss lag zu tief, und bevor ich den nächsten besser platzieren konnte, deckte mich Clinton mit einem solchen Bleihagel ein, dass ich dachte, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Vom gegenüberliegenden Hang hatte Donovan noch schlechtere Chancen, den Schuft mit einem gezielten Schuss zu erwischen.
Ich wartete darauf, dass Clintons Karabiner leer gehämmert war. Mein Entschluss stand fest: Ich wollte hinab. Das Pferd des Mexikaners stand noch irgendwo zwischen den Felsen. Ich hatte ein Lasso an seinem Sattel gesehen. Wenn es noch Hilfe für den Mann im Felsspalt gab, dann sollte er sie bekommen. Er war jetzt kein Feind mehr, der mir an den Kragen wollte. Er war ein Mensch in höchster Not. Eine gequälte Kreatur.
Ich schob die Winchester weg. Bei dem, was ich vorhatte, würde sie mich nur behindern. Clintons Gewehr peitschte noch ein-, zweimal, dann schwieg es. Die Entfernung für einen sicheren Coltschuss war zu groß. Mir blieb keine Zeit mehr zum Nachdenken.
„Mensch, Carringo, bist du verrückt? Bleib, wo du bist, Mann!“, brüllte Donovan erschrocken, als ich hoch sauste.
Ich sprang aus der Mulde. Steine rutschten unter meinen Stiefeln. Ich kam vier Schritte weit, dann glitt ich aus, stürzte. Vielleicht war das meine Rettung. Clintons Schuss ging wie ein Peitschenhieb über mich weg. Ich hörte das Pfeifen der Kugel. Sein nächster Bleigruß rasierte brennend über meinen linken Oberschenkel. Ich glaub‘, ich bin noch nie so schnell auf die Füße gekommen. Mit einem Panthersatz war ich wieder bei der Mulde und ließ mich hineinfallen. Ich schnappte nach Luft, während seine dritte Kugel über mir gegen die Klippe schmetterte und als Querschläger davonjaulte. Dieser Höllenhund! Er hatte ein zweites Gewehr dort oben. Er konnte uns so mit Blei versorgen, dass wir nicht mal mehr die Nase aus unserer Deckung streckten durften.
Als mein Atem sich etwas beruhigt hatte und sein Gewehr erneut schwieg, war von dem Mann im Felsspalt nichts mehr zu hören. Der Gedanke, dass er noch immer lebte, ließ mich nicht los. Einen so qualvollen Tod hätte ich nicht mal Clinton gewünscht. Clinton wartete jetzt. Wir waren zwar zu zweit gegen ihn, aber er war noch immer der Jäger, der kaltblütig darauf spekulierte, dass ihm sein „Wild“ vor die Mündung kam.
Die Minuten dehnten sich. Ich war wütend auf mich selbst, weil ich die Wasserflasche am Sattel gelassen hatte. Die Sonne übergoss die schwarzen Felsen wie mit flüssiger Glut.
„Was ist, ihr Hundesöhne? Wollt ihr es nicht nochmals versuchen?“, reizte uns Clinton.
„Klar doch!“, antwortete Donovan mit einer Stimme, die nichts von ihrer Ruhe und Entschlossenheit eingebüßt hatte. „He, Carringo, bist du in Ordnung?“
„Mir geht‘s großartig!“, krächzte ich.
Clintons höhnisches Lachen verriet, was er davon hielt. Aber es verging ihm, als Donovan wieder das Wort ergriff. „All right, Amigo, dann nimm mal deine Knarre und gib mir Feuerschutz! Ich werd‘ mir diesen Oberdreckskerl jetzt ein bisschen vornehmen!“
„Wahnsinn!“, lag mir auf der Zunge. Doch das hatte ich ihm schon mal vorgehalten. Es würde ihn auch jetzt nicht beeindrucken.
„Komm nur, du Büffel!“, schrie Clinton. „Was glaubst du, wie ich drauf warte, dass du endlich bezahlst!“
„Deine Rechnung ist eher fällig, Clinton!“, rief Donovan zurück. „Denk an die Toten, die euer verfluchter Überfall auf den Waffentransport gekostet hat! Einer von ihnen war mein Bruder! Nun weißt du, Clinton, weshalb du hier und jetzt in die Hölle fahren wirst, du verdammter Bandit!“
Das also war‘s! Das hatte ihn die ganze Zeit getrieben! Ich erinnerte mich flüchtig daran, dass Major Wilburn eine Namensliste der Opfer des Überfalls dem Schreiben an den Kommandanten von Camp Stonehill beigefügt hatte. Donovans Bruder … Ich kam nicht dazu, mir ein neues Urteil über den Sergeant zu bilden. Ich hab es auch später nicht mehr versucht. Einen Mann wie Donovan musste man nehmen, wie er war, mit seinen Fehlern, mit seinen Stärken. Das ist mir hinterher, als alles vorüber war, aufgegangen. Und wenn mich heute jemand nach ihm fragt, dann sag‘ ich: „Er war mein Partner! Ich vergesse ihn nie!“
Ich seh‘ alles wieder vor mir, wie er aufspringt, wie er losrennt, einen Schwall klirrender, rutschender Steine unter den Sohlen. Aber dieser Bulle bleibt auf den Füßen und rennt auf die Felskanzel zu. Dort blitzt und qualmt es. Steine spritzen neben ihm hoch, aber er hetzt weiter, Zickzack jetzt. Ein Wahnsinniger? Einer, der sich für unverwundbar hält? Das Krachen schmerzt in meinen Ohren. Die Winchester liegt in meinen Fäusten. Der Repetierbügel zuckt. Blitz auf Blitz peitscht aus dem Lauf. Droben auf der Felskanzel fliegen nun ebenfalls die Steinbrocken herum. Es dröhnt, als würden die Felsen zusammenstürzen.
„Deckung, Serg, Deckung!“, brüllte ich verzweifelt. Aus voller Kehle brüllte ich es. Gleich würde meine Winchester leergeschossen sein. Und dieser wild gewordene Kerl stürmte noch immer an dem mit Felsbrocken übersäten Hang entlang, als könnte keine Kugel ihm etwas anhaben. Er war unheimlich schnell. Ich entdeckte eine Bewegung auf der Kanzel, jagte meine beiden letzten Kugeln dorthin und sah dann Donovan gerade noch am Fuß des schroff aufragenden Felsens hinter einigen Quadern verschwinden. Unverletzt! Es war kaum zu glauben! An der Kante über ihm rührte sich nichts mehr. Clinton hätte sich jetzt aufrichten müssen, um auf ihn zu schießen. Das riskierte er nicht – falls er überhaupt noch da oben war. Hastig lud ich mein Gewehr nach. Mein Herz hämmerte.
„Clinton!“, rief der Sergeant heiser. „Du kommst ja doch nicht mehr ungeschoren weg! Stell dich, dann tragen wir es von Mann zu Mann aus!“
„Schrei nicht so in der Gegend herum, Blaujacke!“ Die harte Stimme kam von den Felskegeln, wo auch der Mexikaner und sein Kumpan zuvor aufgetaucht waren. „Es könnte sonst sein, dass ich nervös werde, du Bastard. Das würde dein Freund hier nicht überleben.“
Mein Kopf ruckte herum. Der Atem blieb mir weg. Es waren die beiden Kerle, über deren Ausbleiben ich mir Gedanken gemacht hatte. Zwei bärtige, verwilderte Typen. Nur ihre Waffen wirkten gepflegt. Sie blinkten wie poliert. Im Dröhnen der Schüsse war kein Hufschlag zu hören gewesen. Ihre Pferde standen jetzt. Sie hatten Meritt zwischen sich. Seine Hände waren vorn zusammengebunden. Der Bandit rechts von ihm zielte mit seinem Colt auf ihn.