Читать книгу Showdown unter Banditen: Super Western Bibliothek 10 Romane - Pete Hackett - Страница 22
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ОглавлениеMein Atem pfiff, meine Muskeln schmerzten, bei jedem Schritt sank ich bis über die Knöchel ein. Donovan war zehn Minuten neben dem stampfenden Pferd hergestolpert. Jetzt war ich wieder dran. Zum wievielten Mal eigentlich? Ich wusste es nicht. Es war mir auch gleich. Ich hatte genug zu tun, das Tempo mitzuhalten. Dabei lief der Braune nicht mal, er ging im Schritt, den Kopf gesenkt, ausgepumpt von den Strapazen wie wir Menschen. Ich biss die Zähne zusammen. Jeder Schritt, den wir gewannen, brachte uns weiter von Bob Clinton und seinen Killern weg. Wir mussten von der Ebene verschwunden sein, sobald die Sicht aufklarte.
Die Sonne schimmerte als blass-rote Scheibe durch. Der Sturm schwieg nun. Nicht mal mehr ein Säuseln war zu hören. Die Millionen und Milliarden Sandkörnchen, die er hochgeschleudert hatte, schienen wie reglos in der Luft zu verharren. Es war immer noch eine gewaltige Masse von Staub. Wenn sie sich senkte, würde sie unsere Spur zu decken, als hätten wir hier nie einen Fuß auf den Wüstenboden gesetzt. Meritt war nach wie vor voraus. Ein Schatten, der plötzlich von der Dämmerung, die uns einhüllte, lautlos verschluckt wurde. Dann erst bemerkte ich die Bodenwelle. Wir hatten den westlichen Rand der Ebene erreicht. Kakteen ragten neben uns auf. Und da war auch Meritt wieder.
Keuchend lehnte er an seinem Pferd. Er hielt immer noch meine Winchester in den verkrampften Fäusten. Er war die ganze Strecke geritten und konnte sich doch kaum mehr auf den Füßen halten. Ein Grinsen zerriss sein stoppelbärtiges, staubverschmiertes Gesicht. „Geschafft!“ Dieses eine Wort nur.
Ich ließ mich fallen, wo ich gerade stand. Ich weiß nicht, wie lange ich so dalag. Bleigewichte schienen mich niederzupressen. Mein Durst zwang mich schließlich hoch. Die Luft war klar, der Himmel wie poliert. Die Sonne stand schon weit im Westen. Wir tranken, versorgten auch unsere Pferde und wuschen ihnen den Staub aus den Nüstern. Doch bevor wir endgültig aufatmen konnten, mussten wir wissen, wo die Clintons steckten. Deshalb krochen wir auf den Kamm, der uns vor der Sicht von der Ebene schützte.
Die Banditen waren weit draußen auf der flimmernden Fläche. Einige zu Fuß. Eine verlorene, besiegte Schar in der Weite der Gilawüste. Sie bewegten sich im Schneckentempo nach Nordwesten, als hofften sie, dort wieder auf unsere Spur zu stoßen. Der Sturm hatte jedoch nichts von ihr übrig gelassen. Dünen reihten sich wie erstarrte Wellen bis zum Horizont. Als die Schatten länger wurden und die Sonne wie ein roter Feuerball über dem westlichen Horizont glühte, gaben unsere Jäger auf. Sie strebten den Hügeln im Norden zu. Dort würden sie für die Nacht einen geschützten Lagerplatz finden. Mein Blick streifte Donovan, ehe wir zu unseren Pferden zurückkehrten. Ein Schatten grimmiger Nachdenklichkeit lag auf seinem Gesicht.
Wir richteten uns auf die Nacht ein. Ringsum wuchsen zwar Dornsträucher und vertrocknete Cholla- und Biberschwanzkakteen. Aber wir riskierten kein Feuer. Clintons Banditen hätten vielleicht den Schein gesehen. Jeder blieb für sich. Besonders Meritt achtete darauf, dass wir ihm nicht zu nahe kamen. Er besaß noch immer die zwei Gewehre, seine Spencer und meine Winchester. Nun, solange ich meinen Colt hatte, sollte er damit selig werden. Auch Donovan verlor kein Wort darüber, dass er ohne Waffe war. Nach diesem Höllentag schien auch er bis an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit erschöpft. Die Clinton-Banditen waren vorerst keine Gefahr mehr. Wir verzichteten deshalb darauf, Wachen aufzustellen.
Ich verließ mich darauf, dass ich schon aufwachen würde, wenn irgendwas nicht stimmte. Das tat ich dann auch – nur zu spät. Jedenfalls schlief ich sofort ein, tief und scheinbar traumlos. Das letzte, was ich mitbekam, war fernes Kojotengeheul. Plötzlich war ich hellwach. Mitternacht war schon vorbei. Das erkannte ich am Stand der Sterne. Die dünne Mondsichel warf bleiches Licht auf unseren Lagerplatz. Die Dornbüsche und Kakteen umstanden uns wie schwarze Wächter.
Ich sah sofort, dass Donovans Pferd fehlte. Donovans Decken waren leer. Meritt setzte sich gerade ebenfalls auf. Sein Pferd schnaubte. Ohne die Nähe von Donovans Wallach war ihm offenbar die Nacht nicht ganz geheuer. Wahrscheinlich hatte sein Schnauben uns geweckt. Meritt sprang mit einem Fluch auf. Die Winchester war ebenfalls weg. „Dieser verdammte Bastard! Er ist einfach abgehauen!“
„Dann hätte er nicht seine Sattelflasche und den Wasserschlauch dagelassen“, wandte ich ein. Ich begreife heute noch nicht, wie der Sergeant es geschafft hatte, sich unbemerkt fortzustehlen. Dieses Kunststück hätte sogar einem Apachen Ehre gemacht.
Meritt und ich starrten uns an. Beide hatten wir denselben Gedanken. Wir hasteten wieder den der Ebene zugewandten Kamm hinauf. Ein Meer von Sternen glitzerte über den Hügeln im Norden, wo die Clinton-Crew lagerte. Kein Laut kam von dort. Aber jetzt, in der Nacht, war die Wüste voll von unsichtbarem Leben. Ein Rascheln im dornigen Gestrüpp. Winzige Füße trippelten. Ein Schatten glitt mit leisem Flügelschlag über uns weg. Nur die Ebene blieb so tot und leer wie am hellen Tag.
Nach etwa zehn Minuten hörten wir die Schüsse. Sie klangen wie weit entferntes Peitschengeknall von der dunklen Wellenlinie der Hügel herüber. Donovan! Ich ballte die Fäuste. Meritt fluchte wieder. Nach einigen Sekunden war wieder alles still. Wir lagen und starrten. Nichts. Nur einsame, sternklare Wüstennacht. Es war kalt. Trotzdem traten mir ein paar Schweißtropfen auf die Stirn. Ich wurde nicht schlau aus Sergeant Bull. Oder doch. Soviel begriff ich, dass für ihn der Kampf gegen die Clinton-Bande noch nicht zu Ende war. Meine Augen begannen zu brennen. Noch immer zeigte sich keine Bewegung auf der mondhellen Ebene. Kein Lichtpunkt erschien zwischen den Kuppen jenseits davon.
„Der Teufel soll ihn holen!“, zischte Meritt. „Ich verschwinde. Überleg‘s dir, ob du mitkommst, Carringo.“
Da hörten wir den Hufschlag. Meritt kämpfte mit sich, blieb aber dann, wo er war. Zuerst schien es, als würde das Hufgetrappel sich entfernen. Dann begriffen wir, dass es sich im weiten Bogen zielstrebig unserem Camp näherte. Also musste es Donovan sein. Dieser verdammte Dickschädel! Ich ahnte, was er mit seinem nächtlichen Ausflug bezweckt hatte. Meine Kopfhaut kribbelte, meine Kehle war trocken. Wir verließen den Kamm, rollten die Decken zusammen, bereiteten alles zum Aufbruch vor.
Es dauerte noch ziemlich lange, bis wir den vom Mond und den Sternen versilberten Staub über den Büschen und Kakteen heranwogen sahen. Donovan zügelte seinen Wallach dicht vor uns. Er hatte ein zweites gesatteltes Pferd dabei. Meine Winchester steckte im Scabbard. Der Hüne warf mir die Zügel zu. Seine hellen Augen funkelten. Keine Spur Erschöpfung war mehr an ihm.
„Ich hoffe, ihr habt halbwegs ausgeschlafen, Amigos. Es geht weiter. Sie sind hinter mir her.“
Die Nacht war so hell, dass ein Greenhorn seiner Fährte zu unserem Lagerplatz hätte folgen können. Ich lauschte. Ja, sie kamen. Ein dumpfes Trommeln trieb zu uns.
„Der Teufel ist dein Amigo, Serg!“, stieß ich wütend hervor. „Erwarte jetzt bloß nicht, dass ich mich auch noch bedanke, weil du mir ‘nen Gaul besorgt hast!“
„Du wirst ihn trotzdem brauchen. Die Jagd geht jetzt erst richtig los. Ich hab Babyface erschossen.“
Ich stand da, als hätte mich der Blitz gestreift. In meinen Ohren sang es. Mein Kopf war für ein paar Sekunden wie mit Watte gefüllt. Babyface tot! Nein, ich hatte keinen Grund, diesem skrupellosen Mörder nachzutrauern. Aber ich wusste, was diese Nachricht bedeutete. Bob Clinton, der derzeit gefürchtetste Bandit von Arizona, würde noch auf den Knien hinter uns herrutschen, um uns den Tod seines „kleinen“ Bruders heimzuzahlen!
Wahnsinn!, schrie alles in mir. Wir hatten es mit knapper Mühe und Not geschafft, diese Killerbrut loszuwerden. Nun das! Alles ging von vorn los. Als hätten wir an der Wüste nicht genug zu beißen gehabt! Und da hockte dieser Klotz von Sergeant auf seinem Gaul und kümmerte sich einen Dreck darum, wie uns zumute war! Ein Verrückter!, dachte ich, wusste jedoch im gleichen Moment, dass Joe Bull Donovan nicht so einfach einzustufen war.
Meritt stand plötzlich neben mir.
„Ich denke, wir haben noch eine Chance“, murmelte er mit kratzender Stimme. Seine Hand lag am Revolvergriff. Er starrte Donovan hasserfüllt an. „Die Chance nämlich, dass Clinton aufgibt, wenn er dich mit einer Kugel zwischen den Augen hier findet, Bull!“
Er fieberte förmlich danach, es endlich mit Donovan auszutragen. Und Donovan war bereit. Er hatte sich im Camp der Banditen nicht nur ein zweites Pferd besorgt. Ein Remington-Gewehr lag schräg vor ihm auf dem Sattel. Er brauchte es nur hochzustoßen und abzudrücken. „Du kannst es ja mal versuchen, Neal. Es hat ja doch keinen Zweck, wenn ich dir sage: Lass es!“
Himmel, es waren zwei Verrückte, mit denen ich es da zu tun hatte! Das Trommeln hinter den kakteenbestandenen Kämmen schwoll drohend an. Und diese Narren hatten nichts andres im Sinn, als sich gegenseitig in die Hölle zu blasen. Aber vielleicht passte ich ganz gut in diesen Verein. Ich hätte mich ja nur auf das Pferd zu schwingen brauchten, das Sergeant Bull mir mitgebracht hatte. Stattdessen fiel mir nichts Besseres ein, als den Colt zu ziehen und wütend zu schnappen: „Nun macht ‘nen Punkt, ihr Strohköpfe! Wer von euch zuerst abdrückt, kriegt mein Blei!“
Weiß der Henker, ich sah keine andere Möglichkeit, diesen Wahnsinn zu stoppen. Ich fand‘s einfach zum Kotzen, dass wieder einer von uns auf der Strecke bleiben sollte. Doch Meritt verdaute es nicht. Er sauste wie ein Wildkater herum, entschlossen, es mit uns beiden aufzunehmen. Da gab‘s nur eine Medizin. Ich sprang auf ihn zu und klopfte ihm meinen Coltlauf gegen die Stirn.
Sofort ließ Donovan seine Remington im Scabbard verschwinden. Er ritt zu Meritts Pferd und führte es heran. Mondlicht glänzte auf seinem breitflächigen, steinernen Gesicht. „Du hast ihm das Leben gerettet, Carringo.“
Ich wollte mit einem Fluch antworten, doch der tödliche Ernst in seinen Augen verschloss mir den Mund.