Читать книгу Showdown unter Banditen: Super Western Bibliothek 10 Romane - Pete Hackett - Страница 15
8
ОглавлениеStaub und Qualm vernebelten den Einschnitt. Die Banditen schreckten hoch. Bevor sie kapierten, was los war, krachte es wieder. Ein Blitz durchglühte die Wolke, die im Zugang zum Indian Hole hing. Felsbrocken und Sand wirbelten durch die Luft. Gleichzeitig geriet der halbe Hang unter unserem Lagerplatz in Bewegung. Noch verschluckte das Schmettern der Explosion jedes andere Geräusch. Im Kessel tobte die Hölle. Im ersten Moment waren die Halunken wie versteinert gewesen. Jetzt hatten sie alle Hände voll zu tun, damit ihnen ihre Pferde nicht durchgingen. Auch Clintons Schecke kreiselte wie verrückt. Die Schöße von Clintons Prinz-Albert-Rock bauschten sich. Trotzdem hatte der hagere, bärtige Verbrecher bereits sein Gewehr in der Faust.
„Dieser dreimal verfluchte, übergeschnappte Sergeant!“, brüllte Neal Meritt neben mir.
Die brodelnden Schwaden lichteten sich ein wenig. Den Kesselzugang gab‘s nicht mehr. Ein Wall aus Erdmassen, Felsen und Steinen türmte sich dort. Noch immer rutschte Erde nach. Mannshohe Felsblöcke wälzten sich mit. Die Nachzügler der Bande konnten von Glück sagen, dass sie soviel Abstand zum Kesseleingang gehalten hatten. Sie hatten sich auf ihre Pferde geschwungen. Der Appetit auf ihre Zigaretten war ihnen gründlich vergangen. Ich sah sie gerade noch hinter einer Biegung verschwinden.
Donovan!, durchfuhr es mich. Dann entdeckte ich auch ihn. Seine massige und dennoch geschmeidige Gestalt löste sich aus den Rauch und Staubschleiern am Berg. Einige Yards unter ihm war der Hang wie von einer Riesenfaust weggebrochen. Auf dem Streifen, auf dem Donovan sich befand, begann nun ebenfalls alles zu wanken, zu rutschen, nachzugeben. Wenn der Sergeant in den nächsten Sekunden keinen festen Boden unter die Füße bekam … Clinton hatte ihn entdeckt. Er schoss von seinem tänzelnden Pferd aus. Donovan bewegte sich auf allen vieren. Von Weitem sah er wie ein riesiger Affe aus, der verzweifelt auf dem immer rascher fließenden Geröll den Plateaurand zu erreichen versuchte.
Ein Donnern und Prasseln füllte das Indian Hole. Clinton schoss abermals. Dann nahm er die Zügel kurz und spornte sein Pferd auf den felsbedeckten Hang unter uns zu. Seine Leute saßen inzwischen ebenfalls auf ihren Gäulen. Ich verstand nicht, was er ihnen zuschrie. Als hätte eine Bombe zwischen ihnen eingeschlagen, preschten sie auseinander. Schon waren die ersten an den Hängen. Sie hatten jetzt nur ein Ziel: Raus aus dem Kessel, raus aus der Falle! Ich hatte keine Zeit mehr, festzustellen, was aus Joe Bull Donovan wurde.
„Halt sie auf, Meritt, schieß!“, schrie ich. Meine Kugel schlug dicht vor Clinton gegen einen Felsen. Der Bandenhäuptling riss seinen Schecken nach rechts. Aber das Pferd rutschte, stürzte, und Clinton konnte sich gerade noch mit einem Satz aus dem Sattel retten. Für einen Mann, der einen Nachtritt durch die Wüste hinter sich hatte, war er verblüffend flink. So schnell, dass meine hinterher gejagte Kugel nur die Steine traf, auf denen er eben noch gelegen war. Bob Clinton kauerte schon hinter einem Felsblock. Der Mündungsblitz aus seinem Gewehr verriet, dass er trotz der Geschwindigkeit, mit der sich alles abspielte, mitgekriegt hatte, von wo meine Bleigrüße kamen.
Meritts Spencer-Karabiner peitschte neben mir. Jenseits des buschumsäumten Tümpels rollten ein Pferd und ein Mann in einer Staubwolke den Hang hinab. Zwei andere Banditen sprangen ab und suchten Deckung zwischen den Felsen und Dornsträuchern. Ich hämmerte ebenfalls ein Stakkato von Schüssen hinaus, dass die Burschen glauben mussten, das halbe zweite Kavallerieregiment sei am Indian Hole aufmarschiert. Dabei vergaß ich weder Donovan noch die fünf Halunken, die außerhalb des Kessels geblieben waren.
Meritt war schon auf den Beinen. „Fort hier!“
Kugeln pfiffen zu uns herauf. Ein Querschläger jaulte so nahe vorbei, dass ich erschrocken den Kopf einzog.
Wir sprangen von Felsblock zu Felsblock. Da war das Plateau. Und da war Dave Kirby, der uns mit den Pferden entgegenjagte. In dem von den Hufen hochgeschleuderten Staub tauchte Donovan hinter ihm auf. Er saß auf seinem Braunen. Eine zerknautschte Zigarre, mit der er die Lunten der Sprengladungen angebrannt hatte, steckte zwischen seinen Zähnen. Die verbeulte Feldmütze klebte schief auf seinem Borstenschädel. Mir plumpste ein Stein vom Herzen.
Meritts Reaktion fiel anders aus. Er spornte sein Pferd zu ihm. „Da unten, du verrückter Kerl, warten sie auf uns!“, schrie er ihn an. „Sie werden uns erwischen, und du bist schuld!“
„Sie werden es versuchen, mehr nicht!“, erwiderte Donovan ungerührt. Er blutete aus einem Kratzer an der linken Wange. Sein linker Ärmel war zerrissen. Ansonsten schien es, als könnte kein Blei und kein Dynamit diesem Klotz von Mann etwas anhaben. Mit funkelnden Augen zog er zwei übrig gebliebene Dynamitpatronen aus der halb offenen Jacke. Eine schob er hinters Koppel, die andere behielt er in der Hand. Ohne weiteres Wort und ohne sich darum zu kümmern, ob wir ihm folgten, zog er sein Pferd herum.
Gleich darauf war er bei den Felsen, zwischen denen wir gestern zum Plateau heraufgekommen waren. Wir starrten uns kurz an. Meritts Mundwinkel waren verkniffen. Ein Flackern zeigte sich in Kirbys Augen. Aber wir hatten keine Wahl. „Auf geht‘s, Amigos!“, rief ich und trieb mein Pferd hinter Sergeant Bull her.
Sie schlossen sich an. Der Weg wand sich in einem Dutzend Serpentinen talwärts, und hinter jeder Biegung konnten Clintons Killer warten. Sie hätten schon auf den Kopf gefallen sein müssen, wenn sie nicht längst kapiert hatten, von wo wir unseren Coup gestartet hatten. Außerdem ließ es sich nicht vermeiden, dass unsere Pferde einen Heidenlärm veranstalteten. Geduckt hockten wir in den Sätteln. Ich hatte die Winchester mit meinem Peacemaker vertauscht. Kein überwältigender Trumpf gegen fünf unvermittelt Feuer und Blei spuckende Banditengewehre.
Donovan galoppierte dreißig Schritte voraus. Ich hatte ihn als Pläneschmied, Faustkämpfer und Sprengmeister erlebt. Jetzt sah ich ihn als einen wie mit seinem grobknochigen Pferd verwachsenen Reiter. Dieser Teufelskerl hätte sogar einem Comanchen noch was vorgemacht. Er sauste den Berg hinab, als wüsste er eine bestens ausgerüstete Kavallerieschwadron hinter sich. Und er hielt immer noch die Dynamitstange. Als ich ein paar Yards aufholte, sah ich, dass die Lunte bereits brannte. Lunte? Das war, verdammt noch mal, nur mehr ein lausiger, revolverlauflanger Stummel!
Ich war drauf und dran, mein Pferd zurückzureißen. Hölle, war denn bei diesem Bullen tatsächlich was ausgehakt? Der legte es ja glatt drauf an, sich selbst und uns dazu zum „krönenden Abschluss“ in die Luft zu blasen!
„Serg!“, brüllte ich. Aber ich hätte bei dem Gedröhn nur mit einem Sprachrohr eine Chance gehabt, und dann wäre es auch noch fraglich gewesen, ob Donovan reagiert hätte. Der Schwung, den unsere Gäule hatten, trieb uns hoffnungslos hinter ihm her.
Wieder eine Biegung. Steine spritzten unter den hämmernden Hufen, Felsen huschten vorbei. Ich musste aufpassen, dass mein Brauner auf der Bahn blieb. Meritt und Kirby jagten dicht hinter mir. Angestrengt starrte ich nach vorn, um zu erkennen, wie viel Zeit diesem Irren noch blieb.
„Schmeiß das verdammte Ding weg, Serg!“, wollte ich schreien. Aber die Worte blieben mir in der Kehle stecken, als ich im selben Moment die fünf Figuren sah, die wie aus dem Boden gewachsen vor der nächsten Biegung standen. Die hatten vielleicht Nerven! Die Zigaretten, die sie sich vorhin angesteckt hatten, klebten noch zwischen ihren verkniffenen Lippen. Lässig hielten sie ihre Gewehre im Hüftanschlag. Fünf in der Sonne funkelnde Stahlläufe starrten uns entgegen.
Da gab‘s kein Ausweichen, kein Anhalten, kein In-Deckung-Springen. Links und rechts Felsen, und unsere Gäule waren voll im Schuss. Es war verrückt, ein Alptraum: Wir rasten im Höllentempo die Steigung hinab auf die reglos verharrenden Killer zu. Ich riss den Sechsschüsser hoch. Es war kaum mehr als eine Geste. Donovans massige Gestalt kam mir immer wieder ins Schussfeld. Clintons Kumpane brauchten nur mehr abzudrücken. Jetzt!, dachte ich, während sich alles in mir in kaltem Entsetzen verkrampfte.
Donovan schleuderte sein „Bonbon“. Es war ein gewaltiger Wurf, den er da hinlegte. Die fünf Schießer hätten uns trotzdem erwischt, wenn sie nur die Nerven gehabt hätten, stehen zu bleiben. Aber so großartig war es nun auch wieder nicht damit her bei denen. Die Bescherung von zuvor steckte ihnen noch in den Knochen. So plötzlich wie sie aufgetaucht waren, verschwanden sie von der Bildfläche. Die reinsten Akrobaten waren das. Donovans Dynamit landete dort, wo sie eben noch gestanden waren. Und dieser Büffel von Sergeant preschte genau darauf zu.
Als es dann krachte und eine Wolke aus Rauch, Staub und wirbelnden Steinen vor uns stand, konnte ich nur mein Gesicht auf die Mähne pressen und darauf warten, dass es mich aus dem Sattel fegte. Doch die Steigung bremste die Wucht der Druckwelle. Der Fetzen eines wilden Schreis erreichte mich: Donovans Löwenstimme. Ich hob den Kopf.
Im vollen Galopp, halb im Sattel gedreht, winkte er. Ich konnte nur ahnen, was er schrie: „Mir nach!“ Dabei hatte er schon die nächste Dynamitpatrone in der Pranke, zündete die Lunte mit der zwischen die Zähne geklemmten Zigarre und schleuderte sie über die Felsen. Mehr sah ich nicht. Qualm und Staub umwogten mich. Der Braune setzte mit einem Sprung über den Krater, den die erste Explosion gerissen hatte. Dumpfe Leere füllte meinen Kopf.
Ich kam erst wieder einigermaßen zu mir, als wir den Fuß des Hangs erreichten. Durch ein lang gewundenes Tal stoben wir ins sanftwellige, offene Land hinaus. Nach der Hölle, aus der wir kamen, erschien mir die Gila zum ersten Mal nicht als drohendes, auf Beute lauerndes Ungeheuer. Ich war noch total belämmert. Auch Meritt und Kirby schienen es noch nicht zu fassen, dass wir tatsächlich mit heiler Haut davongekommen waren.
Wir hielten und blickten auf die zerklüfteten Bergflanken zurück. Grau wie Gespenster hockten wir auf unseren ebenfalls vom Staub graupanierten Pferden. „Geschafft!“, krächzte Kirby.
Donovan schnippte den Rest seiner zerknautschten Zigarre weg. Der Sturmriemen seiner Kavalleriemütze umspannte sein eckiges Kinn. „Das würd‘ ich nicht zu laut sagen, mein Junge!“, brummte er und wies auf die dunklen Punkte, die sich an einem der Hänge hinter uns bewegten.
Ich fingerte gerade nach der Sattelflasche. Nun vergaß ich meinen Durst. Die Verfolger kamen. Sie hatten keine Sekunde verloren. Und der gefährlichste Gegner, den wir uns nur denken konnten, führte sie an: Bob Clinton.