Читать книгу Sechsmal Mord für den Strand: Sechs Kriminalromane - Pete Hackett - Страница 12
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Es war später Nachmittag, als wir Dr. Alex Ferraros Haus in Riverdale erreichten.
Ein schmucker Bungalow mit Flachdach, umgeben von einem penibel gepflegten Garten. Am Straßenrand parkten eine Reihe von Fahrzeugen. Schließlich fand ich eine Lücke, die groß genug für den Sportwagen war.
Wir stiegen aus.
Die traurige Pflicht, Mrs. Ferraro vom Tod ihres Mannes zu unterrichten, hatten uns die Kollegen der City Police bereits abgenommen.
Wir gingen über einen gepflasterten Weg zur Haustür. Der Rasen war englisch kurz. Exakt auf einer Länge. Die Blumenbeete bildeten geometrische Formen. Mir fiel ein weggeworfener Zigarettenstummel zwischen den Grashalmen auf.
Milo war als erster an der Tür. Er klingelte.
Eine Mitvierzigerin mit brünettem, kinnlangen Haar öffnete uns.
"Mrs. Ferraro?", fragte ich.
"Ja?"
"Ich bin Special Agent Jesse Trevellian vom FBI und dies ist mein Kollege Milo Tucker. Wir müssen Ihnen im Zusammenhang mit dem Tod Ihres Mannes ein paar Fragen stellen..."
Sie sah uns misstrauisch an.
Milo reagierte und streckte ihr den FBI-Ausweis entgegen. Ich folgte seinem Beispiel.
Ihre Verblüffung blieb.
"Sie... Sie sind auch vom FBI?"
"Was heißt hier auch?", fragte ich.
"Es sind schon zwei Kollegen von Ihnen hier. Sie durchsuchen gerade die Sachen meines Mannes."
"Vielleicht Beamte der City Police", vermutete Milo.
Aber Mrs. Ferraro schüttelte den Kopf. "Die Ausweise sahen genau so aus wie Ihre!"
Milo und ich wechselten einen kurzen Blick. Beinahe gleichzeitig griffen wir zu unseren Dienstwaffen. "Diese "Kollegen sind vermutlich falsch, Mrs. Ferraro", erklärte ich der Witwe in gedämpftem Tonfall. "Wo sind die angeblichen Kollegen?"
"In Alex' Arbeitszimmer." Sie deutete mit dem Arm. "Es ist auf der anderen Seite... Den Flur entlang, dann links!"
"Gibt es Nachbarn, zu denen Sie gehen können?"
"Ja! Nebenan."
"Dann bringen Sie sich dorthin in Sicherheit! Schnell!"
Sie nickte, bedachte mich noch mit einem letzten zweifelnden Blick und lief dann los. Einmal drehte sie sich noch um, bevor sie das Nachbargrundstück erreichte.
Während ich mich bereits in das Innere des Bungalows vortastete, verständigte Milo per Handy unser Hauptquartier in der Federal Plaza.
Er forderte Verstärkung an.
Mit der SIG Sauer P226 in der Rechten ging ich den Flur entlang.
Die Stimmen unserer angeblichen Kollegen waren jetzt leise zu hören.
Eine Tür am Ende des Flurs öffnete sich.
Ich sah einen Mann.
Er musste bemerkt haben, dass etwas nicht stimmte.
Jedenfalls hielt er eine Pistole in der Faust.
"Hände hoch, FBI!", rief ich, riss dabei die SIG hoch.
Mein Gegner feuerte sofort. Der Schuss ging knapp über mich hinweg. Die Kugel fuhr in die Wand, kratzte die Tapete auf.
Ich schoss nur Sekundenbruchteile später.
Mein Gegenüber schrie auf.
Das Geschoss traf ihn an der Schulter und riss ihn zurück.
Er stolperte zurück in das Zimmer, aus dem er gekommen war. Eine Scheibe klirrte. Offenbar machte sich der Komplize des falschen FBI-Agenten davon.
Ich setzte in geduckter Haltung nach, stürmte in das Arbeitszimmer hinein.
Der Mann, den ich getroffen hatte, lag am Boden. Er wand sich, presste eine Hand gegen die Schulter. Rot rann es ihm zwischen den Fingern hindurch.
Mit verzerrtem Gesicht starrte er mich an, riss die Waffe herum. Ich kickte sie ihm mit einem Tritt aus der Hand, Milo stürzte herein.
Der Lauf seiner SIG zeigte auf den Oberkörper des falschen FBI-Agenten.
Ich wandte den Blick, duckte mich.
Der Komplize war durch das Fenster gesprungen, befand sich jetzt im Garten und feuerte zweimal kurz hintereinander in unsere Richtung. Schlecht gezielte Schüsse, die nur dafür sorgten, dass noch eine weitere Fensterscheibe zu Bruch ging.
Für Sekundenbruchteile sah ich sein Gesicht.
Es war kantig, die Augenbrauen traten sehr kräftig hervor.
Die Nase war mal gebrochen gewesen und am rechten Ohr glitzerte etwas. Ein Ohrring.
Einen Augenaufschlag später tauchte der Kerl hinter ein Gebüsch.
Ich pirschte mich an das Fenster heran, durch das der Mann mit dem Ohrring geflohen war.
Milo blieb in geduckter Haltung bei dem Gefangenen, legte ihm Handschellen an.
Der Flüchtende kämpfte sich durch die Büsche im Garten, strebte auf das Nachbargrundstück zu.
Ich sprang auf, nahm Anlauf und kam mit einem Satz durch das Fenster. Ich rollte mich auf dem Rasen ab, kam einen Augenblick später wieder auf die Beine und setzte zu einem Spurt an.
Das Grundstück der Ferraros wurde durch ziemlich üble Dornensträucher begrenzt. Ich kämpfte mich vorwärts. Der Kerl mit dem Ohrring hetzte unterdessen über die Einfahrt des Nachbargrundstücks.
Ein roter Mercedes stand dort.
Der Flüchtende duckte sich dahinter, tauchte dann einen Sekundenbruchteil später dahinter hervor und feuerte in meine Richtung.
Dann rannte er weiter.
Ich hetzte hinter ihm her, verlor ihn aus den Augen, als er hinter einer Hecke verschwand.
Ein Wagen wurde gestartet.
Ich stürzte zur Straße, sah wie ein blauer Ford aus der Reihe am Straßenrand parkenden Fahrzeuge ausbrach und sich brutal in den Verkehr einfädelte.
Ein Lieferwagen musste abbremsen.
Reifen quietschten.
Ich stellte mich mitten auf die Straße, der blaue Ford beschleunigte.
Die SIG hielt ich mit beiden Händen umklammert, senkte den Lauf ein paar Grad und versuchte die Vorderreifen zu treffen.
Vergeblich.
Nur einen Augenblick später war der Wagen schon heran. Der Kerl mit dem Ohrring fuhr ohne Kompromisse. Im letzten Moment, bevor mir die Kühlerhaube des Fords den Knockout verpassen konnte, sprang ich zur Seite. Ich knallte gegen den Kotflügel eines parkenden Chevys. Der blaue Ford schoss indessen an mir vorbei.
Ich war leicht benommen.
Die Reifen des Fords quietschten schrill, als er um die nächste Ecke bog.
Ich schnellte hoch, kniete mich hin.
Ruckartig zog ich den Lauf der SIG etwas nach oben, zielte und feuerte dreimal kurz hintereinander.
Einer der Hinterreifen des blauen Ford platzte. Der Wagen brach zur Seite aus, rutschte mit dem Heck in ein parkendes Fahrzeug hinein.
Dann blieb er stehen.
Ich setzte in geduckter Haltung zu einem Spurt an, obwohl Kopf und Schulter höllisch schmerzten.
Der Kerl mit dem Ohrring riss die Wagentür auf, feuerte in meine Richtung. Einer der Schüsse zischte ganz knapp an meinem Oberkörper vorbei.
Ich schlug einen Haken, nahm Deckung hinter einem Lieferwagen, der am Straßenrand parkte.
Als ich aus dieser Deckung wenig später hervorzutauchen versuchte, schlug mir ein wahrer Geschosshagel entgegen.
Mehrere Schüsse feuerte der Kerl mit dem Ohrring hintereinander ab. Die Kugeln kratzten am Lack des Lieferwagens, stanzten hier und da Löcher ins Blech. Eine Scheibe ging zu Bruch.
Als das Feuer verebbte, schnellte ich nach vorn, nahm die SIG in den Beidhandanschlag und schoss. Ich erwischte den Kerl mit einer Kugel am Bein. Er schrie auf, humpelte ein paar Meter in Richtung eines Vorgartens.
"Stehenbleiben! FBI!", rief ich. "Du hast keine Chance!"
Der Mann hielt inne, keuchte.
Sein Oberschenkel hatte sich rot gefärbt.
Er wusste, dass er jetzt nicht mehr entkommen konnte.
Der Lauf meiner SIG zeigte in seine Richtung.
Mein Gegner hielt seine Waffe mit der Rechten umklammert. Eine einzige Sekunde zu lang hatte er gezögert.
Und jetzt herrschte eine angespannte Patt-Situation mit einem ganz leichten Vorteil auf meiner Seite. Der Mann mit dem Ohrring hätte seine Waffe ein paar Grad bewegen müssen, um mich treffen zu können.
"Die Waffe weg!", rief ich.
Sekunden krochen dahin.
Ich sah die Anspannung seiner Muskeln, die groß genug waren, um sich durch die Jackettärmel abzudrücken. Sein Gesicht wurde zu einer verzerrten Maske.
"Verdammt!", schrie er.
Er ließ die Waffe fallen.
Ich trat näher an ihn heran und nahm seine Pistole an mich.
"Sie sind verhaftet", sagte ich, "alles, was Sie von nun an sagen, kann vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben deshalb das Recht zu schweigen. Außerdem..."
"Hören Sie auf, ich brauche einen Arzt!", stöhnte der Kerl auf.
"Ist schon unterwegs."
Ich durchsuchte ihn und förderte dabei seinen FBI-Ausweis zu Tage. Er war ausgestellt auf den Namen Brandon J. Lynn.
Ich suchte nach Anzeichen für eine Fälschung und fand zu meinem Erstaunen nichts. Der Ausweis sah echt aus. Das eingeschweißte Lichtbild sah dem Gesicht meines Gegenübers bei oberflächlicher Betrachtung recht ähnlich. Offenbar hatte der Kerl sein Aussehen nach dem Foto gestylt, um den Ausweis benutzen zu können.
"Woher hast du das Ding?", fragte ich.
"Ich sage keinen Ton ohne Anwalt", knurrte er.