Читать книгу Sechsmal Mord für den Strand: Sechs Kriminalromane - Pete Hackett - Страница 15
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Milo und ich stürzten aus dem Penthouse heraus. Von der Leibwächterin war nirgends etwas zu sehen.
Während uns der Lift abwärts trug, verständigte ich per Handy die Kollegen.
Wenige Minuten später befanden wir uns im Freien.
"Ich fürchte, wir kommen zu spät", meinte ich resigniert.
"Abwarten", antwortete Milo. "Unser Mann hat einen ähnlich weiten Weg wie wir zurückzulegen, um vom Dach auf die Straße zu gelangen."
Wir überquerten die Straße.
Im Erdgeschoss des gegenüberliegenden Gebäudes befanden sich Jazzlokale, Cafés und Restaurants. Eine Mischung, die für die Straße des West Village in den letzten Jahren typisch geworden war. Am Straßenrand parkten die Wagen dicht an dicht.
Ein Mann in schwarzer Lederjacke kam aus einem der Cafés heraus.
Er blickte sich um, ging dann auf einen Chrysler zu.
Über der Schulter trug er eine blauweiß gestreifte Sporttasche.
"Das ist er", war ich überzeugt.
Wir gingen in seine Richtung. Passanten kamen uns entgegen, andere überholten uns von hinten. Wir gaben uns Mühe, zwischen ihnen nicht aufzufallen.
Der Kerl in der Lederjacke steckte den Wagenschlüssel in die Seitentür des Chryslers, öffnete sie. Die Sporttasche nahm er von der Schulter und schleuderte sie auf den Beifahrersitz.
Er wandte den Blick in unsere Richtung.
Ich schätzte ihn auf fünfundzwanzig bis dreißig Jahre. Sein Gesicht wirkte aufgeschwemmt. Er trug einen Oberlippenbart. Er drehte sich zum Wagen, um einzusteigen.
Milo und ich waren fast bei ihm.
Wir stürzten auf ihn zu.
Ich packte ihn bei den Schultern, riss ihn herum.
Milo hielt den Lauf der SIG entgegen.
"FBI! Sie sind festgenommen", sagte ich.
"Hey, was..."
"Hände auf den Wagen, Beine auseinander!", wies ich ihn an. Der Kerl war völlig konsterniert. Ich durchsuchte ihn nach Waffen, fand aber nichts außer einem Springmesser. Ich legte ihm Handschellen an und betete ihm gleichzeitig seine Rechte vor.
"Was soll das? Ich habe nichts verbrochen! Nichtmal im Halteverbot geparkt!", ereiferte er sich.
"Sie werden verdächtigt, vor wenigen Minuten ein Mann im Penthouse gegenüber ermordet zu haben", klärte Milo den angeblich Ahnungslosen auf. Er starrte uns mit offenem Mund an.
Ich schob ihn zur Seite, griff nach der Sporttasche auf dem Beifahrersitz und öffnete den Reißverschluss.
Dann hielt ich ihm eines der vier Teile entgegen, in die der Killer das Spezialgwehr zerlegt hatte.
"Was sagen Sie dazu?", fragte ich.
"Das... Das hat mir gerade jemand gegeben", stammelte er.
"Eine bessere Ausrede fällt Ihnen nicht ein?", versetzte Milo beißend.
"Es ist die Wahrheit, Mann!"
"Ach!"
"Der Kerl hat mir tausend Dollar gegeben. Sie stecken in meiner linken Gesäßtasche... Die Lederjacke war auch dabei! Mann, wenn mir jemand so ein Angebot macht, da frage ich nicht groß nach..."
Milo wollte ihm etwas entgegen.
Ich kam ihm zuvor. "Wie sah der Kerl aus?"
"Er trug Vollbart. Hatte etwa meine Figur, war aber mindestens zehn Jahre älter. Und er trug ein Amulett um den Hals. Ein silbernes Kreuz in einem Dreieck... Ja, und als er die Lederjacke auszog und die Ärmel seines Sweat-Shirts hochrutschten, sah ich, dass er an den Armen tätowiert war."
Ich wusste auf einmal, dass er die Wahrheit sprach.
Es fiel mir wie Schuppen von den Augen.
Der Killer, der Cardigan im Visier seines Laser-Zielerfassungsgerätes gehabt hatte, hatte zweifellos auch Milo und mich gesehen.
Und er hätte uns wiedererkennen müssen.
Statt dessen hatte der Mann, den wir festgenommen hatten, förmlich durch uns hindurchgeblickt.
Ich handelte kurz entschlossen.
Jede Sekunde zählte.
Ich ging mit schnellen Schritten auf den Eingang jenes Cafés zu, aus dem der vermeintliche Killer gekommen war.
Ich trat ein.
Innen sah es aus wie in einem französischen Bistro.
Mit einem schnellen Rundblick sah ich, dass niemand im Raum war, auf den die Beschreibung des Festgenommenen passte.
Ich hielt dem Kellner meinen Ausweis entgegen.
"Special Agent Jesse Trevellian, FBI. War hier eben ein Mann mit Vollbart, etwa meine Größe und zwischen fünfunddreißig und fünfundvierzig Jahre alt?"
"So einer war hier", nickte der Kellner. "Er fragte nach einem Hinterausgang!" Er streckte die Hand aus und deutete damit auf eine Nebentür. "Da lang!"
Ohne noch weiter auf ihn zu achten, spurtete ich los, erreichte die Tür und riss sie auf.
Dahinter befand sich ein Flur.
Ich rannte bis zum Ende, passierte eine feuerfeste Tür und erreichte schließlich die Rückfront des Hauses. Dort befand sich eine Art Innenhof. Er diente offenbar als Zulieferer-Parkplatz für die im Erdgeschoss untergebrachten Geschäfte. Einige Lieferwagen standen dort. Aus einem wurden von zwei Männern Kisten ausgeladen.
Ein Mann mit Vollbart ging schnellen Schrittes auf die Ausfahrt zu, drehte sich noch einmal um dabei.
Er blickte mich an und erkannte mich.
Er machte einen Ausfallschritt zur Seite, drehte sich herum und riss eine Automatik unter seinem weiten Sweatshirt hervor.
Ich hatte meine SIG bereits in der Hand, riss den Lauf etwas höher. "Stehenbleiben, FBI!", brüllte ich.
Mein Gegenüber feuerte sofort.
Der Schuss zischte um Haaresbreite über meinen Kopf hinweg. Ich duckte mich, feuerte einen Warnschuss ab und nahm dann hinter einem der Lieferwagen Deckung. Als ich wieder hervortauchte, schlug ein Projektil durch das Blech hindurch, stanzte ein daumennagelgroßes Loch in den Wagen.
Ein Getränkewagen bog in die Einfahrt ein.
Ich tauchte erneut aus der Deckung hervor.
Mein Gegenüber hatte den Getränkewagen mit einem Spurt erreicht.
Er riss die Beifahrertür auf, schwang sich hinauf und zeigte mit dem Lauf seiner Automatik auf den Fahrer. Der Wagen stoppte.
Ein gemeines Grinsen stand im Gesicht des Bärtigen.
Ich fluchte innerlich.
Es gab nichts, was ich tun konnte.
Der Bärtige hatte eine Geisel genommen. Er drückte den Lauf seiner Automatik an die Schläfe des Fahrers. Der Getränkewagen setzte zurück und fädelte sich wieder in den Verkehr ein.
Ich hetzte hinterher, sah noch, wie der Getränkewagen rücksichtslos die Fahrbahn wechselte. Jemand hupte. Der Getränkewagen bog in eine Seitenstraße ein. Ich griff zum Handy, während im Hintergrund bereits die Sirenen unserer Kollegen zu hören waren.