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1. Multilaterale Liberalisierung (GATT/GATS/WTO)
ОглавлениеLiteratur:
Benedek (Hrsg.) Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht (1990); Senti WTO – System und Funktionsweise der Welthandelsordnung (2000); Stoll/Schorkopf WTO – Welthandelsordnung und Welthandelsrecht (2002); Nowak/Cremer (Hrsg.) Individualrechtsschutz in der EG und der WTO (2002); Hauser/Schanz Das neue GATT (3. Aufl. 2003); Bieling Die Globalisierungs- und Weltordnungspolitik der Europäischen Union (2010); Hilf/Oeter (Hrsg.) WTO-Recht – Rechtsordnung des Welthandels (2. Aufl. 2010); Herrmann/Streinz Die EU als Mitglied der WTO, in: von Arnauld (Hrsg.) Europäische Außenbeziehungen [Enzyklopädie Europarecht, Bd. 10] (2014) § 11, 587; Tietje WTO und Recht des Welthandels, in: Ders. (Hrsg.) Internationales Wirtschaftsrecht (2. Aufl. 2015), § 3, 158; Altemöller Perspektiven für das Welthandelssystem, EuZW 2016, 374.
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Schließlich ist die EU auch in die allumfassende globale Integration der Märkte eingebettet (Globalisierung), wobei es an dieser Stelle zunächst nur um den Aspekt der Öffnung des Binnenmarkts gegenüber dem Weltmarkt geht (siehe zu den wettbewerbsrechtlichen Aspekten der Globalisierung unten Rn. 449 ff.). Sie hat ihren institutionellen Ausdruck in der zum 1.1.1995 errichteten Welthandelsorganisation (World Trade Organisation – WTO) gefunden, zu deren Mitgliedern neben mehr als 140 Einzelstaaten aus der gesamten Welt auch die EU gehört.[51] Im Rahmen der WTO schließen die Vertragsparteien Übereinkünfte, „die auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und zum gemeinsamen Nutzen auf einen wesentlichen Abbau der Zölle und anderer Handelsschranken sowie auf die Beseitigung der Diskriminierung der internationalen Handelsbeziehungen abzielen“.[52] Die materiellrechtlichen Regelungen bezüglich der Liberalisierung des zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehrs sind in einem ganzen Bündel solcher Übereinkommen enthalten,[53] zu denen auch eine Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten (Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes – DSU)[54] zählt.
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Von zentraler Bedeutung für den internationalen Warenhandel ist das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade – GATT) in seiner Fassung von 1994.[55] Es basiert im Kern auf einem Verbot mengenmäßiger (nichttarifärer) Handelsbeschränkungen (Art. XI GATT); die Vertragsparteien sollen zur handelspolitischen Steuerung im Prinzip nur Zölle einsetzen. Die Zölle ihrerseits unterliegen gegenseitig vereinbarten Zollsenkungen, die als „Zugeständnisse“ angesehen und bezeichnet werden. Sie werden in den wiederholt durchgeführten Zollsenkungsrunden ausgehandelt und jeweils in entsprechenden Listen verbindlich festgehalten (Art. II GATT).[56] Die Liberalisierungswirkungen dieser Zollbindungen werden durch das Prinzip der allgemeinen Meistbegünstigung unterstützt, dem zu Folge jede Vertragspartei die Einfuhren von Waren aus anderen Vertragsstaaten gleich behandeln muss (Art. I GATT), dh das Ausmaß an Marktöffnung, das einer Vertragspartei gegenüber gewährt wird, muss auch allen anderen Vertragsparteien gewährt werden. Darüber hinaus verhindert das Prinzip der Inländergleichbehandlung (Art. III GATT) die Aushöhlung der Zollzugeständnisse dadurch, dass eingeführte Waren im Hinblick auf interne Abgaben und produktbezogene Regelungen nicht schlechter behandelt werden dürfen als Inlandswaren.
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Für den internationalen Dienstleistungshandel hat ein kleinerer Kreis von Mitgliedern der WTO ein Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services – GATS) abgeschlossen.[57] Es bleibt in seinen Liberalisierungswirkungen für den Dienstleistungshandel hinter dem GATT zurück. Es fehlt an einer generellen Verpflichtung der Mitglieder zur Marktöffnung. Vielmehr ist sie jeweils abhängig von entsprechenden individuellen Zugeständnissen („spezifischen Verpflichtungen“) der Mitglieder, die Gegenstand besonderer Verhandlungsrunden sind (Art. XIX f. GATS). Im Falle solcher spezifischen Verpflichtungen müssen Mitglieder allerdings einen gewissen Mindeststandard der Marktöffnung garantieren. Dazu gehört auch der Grundsatz der Inländerbehandlung (Art. XVII GATS). Allgemeinverbindlich sind nur das Meistbegünstigungsprinzip (Art. II GATS), von dem sich die Mitglieder aber hinsichtlich bestimmter Dienstleistungssektoren befreien können, sowie der Grundsatz der Transparenz der innerstaatlichen Vorschriften, die sich auf die Regulierung des Dienstleistungsverkehrs beziehen (Art. III GATS). Insgesamt ist auch die Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels auf einen langfristigen Prozess angelegt.
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Der im Rahmen der WTO erreichte Grad der Liberalisierung des zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehrs bleibt hinter dem im Rahmen regionaler Integrationszusammenhänge erreichten Maß an Marktöffnung zurück. Die globale Integration bleibt unterhalb der Schwelle zur Freihandelszone. Immerhin bewegen sich die Durchschnittszölle auf Industriewaren inzwischen auf einem bemerkenswert niedrigen Niveau, so dass von ihnen kaum noch nennenswerte Schutzwirkungen ausgehen. Und die Diskriminierungsverbote (Meistbegünstigungsprinzip, Inländerbehandlungsgrundsatz) schaffen tendenziell gleiche Wettbewerbsbedingungen für Importwaren und Inlandswaren.
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Das Verhältnis von regionaler und globaler Integration ist aber vor allem unter dem Gesichtspunkt der sowohl im GATT als auch im GATS verankerten Meistbegünstigung durchaus problematisch: Im Rahmen regionaler Integrationszusammenhänge verpflichten sich deren Mitgliedstaaten im Verhältnis zueinander auf ein vergleichsweise höheres Maß an Marktöffnung als gegenüber Drittstaaten. Da die Mitglieder regionaler Integrationszusammenhänge auch Mitglieder der WTO und Vertragsparteien des GATT sowie möglicherweise auch des GATS sind, wären sie daher an sich verpflichtet, Drittstaaten dasselbe Maß an Marktöffnung einzuräumen wie ihren regionalen Integrationspartnern. Damit würden aber tatsächlich mögliche Integrationsfortschritte im regionalen Rahmen zunichte gemacht ohne dass es deshalb zu einer entsprechend intensiven globalen Integration käme. Aus diesem Grunde nehmen sowohl Art. XXIV GATT als auch Art. V GATS die Mitglieder von regionalen Integrationszusammenhängen (Freihandelszonen und Zollunionen) insoweit von der Verpflichtung auf das Meistbegünstigungsprinzip aus.