Читать книгу Das Post Mortem Phänomen - Peter M. Sauer - Страница 16

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Philipp konnte den nächsten Mittwoch kaum erwarten. Die ganze Woche ließen ihn die Gedanken an dieses zierliche, zerbrechliche Mädchen nicht los. Es war für ihn unvorstellbar, dass sie in diesem Institut als Patientin wohnte. Sie war so jung und es passte nicht in seine Vorstellung von Leuten, die eine Sterbehilfe in Anspruch nahmen. Er überlegte, dass es vielleicht nur eine spezielle Therapie war, die sie hierher geführt hatte, oder dass sie einfach nur eine Angestellte war. Am kommenden Mittwoch wollte er alles ergründen und er nahm sich vor, sehr vorsichtig vorzugehen. Endlich war es soweit und Philipp schlenderte zur verabredeten Zeit betont lässig auf PAX MORTIS zu. Als er das Tor erreicht hatte, war alles still. Er beschloss zu warten und setzte sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite unter einem Schatten spendenden Baum ins Gras. Immer, wenn eine Straßenbahn vorüber fuhr, verdeckte sie kurz das Eingangstor, und er musste darauf achten, Marie nicht zu verpassen. Kurz nach 15 Uhr öffnete sich das Tor und Marie trat heraus. Philipp rannte sofort zu ihr und begrüßte sie. Marie schien sich zu freuen. Sie war etwas älter als Philipp und trug einen lustigen Strohhut auf dem Kopf und über ihrem dünnen, bunten Sommerkleid einen offenen, hellen Mantel. Marie ging ein wenig unbeholfen und mit der rechten Hand führte sie einen Gehstock, auf den sie sich immer wieder stützen musste. Philipp erzählte zuerst nur von sich, von Bonn und dem Gymnasium, seinen Schwierigkeiten dort und von seiner Mutter, die ihn hierher geschickt hatte.

Marie fasste Vertrauen zu ihm, und seine Freundlichkeit ließ sie bald ihre Zurückhaltung vergessen. Sie schilderte, dass sie ebenfalls aus dem Rheinland stamme, aus Köln, und dass sie nicht ganz freiwillig hier sei. Mit ihren Eltern bewohne sie zwei Apartments im Gästehaus oben, aber der eigentliche Grund ihres Aufenthalts sei, und dann machte sie eine lange Pause, sie selbst. Sie sei sehr krank und die Eltern erhofften sich hier zwar keine Heilung, aber einen langen Aufschub ihres unvermeidlichen Endes. Philipp erschrak aufgrund dieser plötzlichen Offenheit, blieb stehen und schaute sie an.

„Was hast du denn? Welche Krankheit ist das? Brauchst du deswegen den Stock?“

Sie ging wortlos weiter und strebte eine Bank in der Nähe des Naturmuseums im Stadtpark an, da ihr das Gehen sichtlich schwer fiel. Dort setzte sie sich vorsichtig und Philipp wartete gespannt. Marie atmete tief durch und beschrieb ihm ihre Krankheit in allen Einzelheiten und auch das bevorstehende Ende.

„Ich kann das langsame aber unaufhaltsame Nachlassen meiner Muskelkontrolle schon spüren und ich will hier in Würde sterben. Bald. Sehr bald. Ich werde bestimmen, wann es soweit ist; so kann ich damit leben solange es geht.“

Philipp begann heftig zu zittern. Er konnte nichts sagen. Er, dem der Tod immer so vertraut und deutlich schien, sollte jetzt schon wieder damit bestraft werden? Aber warum spürte er in Maries Nähe nicht die üblichen Anzeichen? Sie konnte unmöglich bald sterben. Sie musste sich irren. Eifrig begann er auf sie einzureden.

„Marie, vielleicht kannst du ja doch noch geheilt werden, vielleicht haben die sich bei der Diagnose geirrt. Man weiß doch schon lange, dass, wenn du es intensiv und wirklich willst, auch Selbstheilungskräfte entstehen können. Du musst es nur ganz fest wollen.“

„Ach Philipp, wenn das so einfach wäre. Ich kämpfe schon so lange gegen meine Krankheit an und es hat nichts geholfen. Ich habe keine Hoffnung mehr.“

Philipp versuchte alles, um ihr Trost zu spenden und Perspektiven aufzuzeigen. Er wusste ja, dass sie vorerst nicht sterben würde. Da Philipp Marie nichts von seinen dunklen Fähigkeiten sagen mochte, umschrieb er seine Hoffnungen mit Hinweisen auf ihre spürbare Lebenskraft und ihre positive Aura. Er legte alle Überzeugungskraft in seine Worte und Marie sah ihn tief beeindruckt an. Keiner ihrer früheren Ärzte und Psychologen hatte ihr je ein solches Gefühl vermitteln können.

„In Ordnung“, sagte sie und beschloss spontan, diesem jungen Guru zu vertrauen.

Das Post Mortem Phänomen

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