Читать книгу Das Post Mortem Phänomen - Peter M. Sauer - Страница 22
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An den folgenden Tagen nahm sich die Familie Zeit füreinander und sie genossen bei strahlendem Wetter die Stadt und die Umgebung. Eine Bootsfahrt auf dem Bodensee war Philipps Wunsch gewesen, denn dabei konnte er seine Verwandten in aller Ruhe eingehend und ausführlich beobachten. Kleine Wanderungen standen auf der gemeinsamen Wunschliste von Chris und Mäc, Melanie wollte shoppen und auf Carolins Vorschlag hin besuchten sie einige Museen. Für sie als Historikerin war das Historische Museum mit seiner Völkerkundeabteilung Pflicht. Philipp vertrieb sich die freie Zeit damit, seine Schwester zu necken. Er war ihr natürlich geistig überlegen und nutzte das ziemlich aus. Es machte ihm einen geradezu teuflischen Spaß, sich so an der ungeliebten, von ihm nicht akzeptierten, affektierten Schwester zu rächen, um Melanie ganz bewusst ihre Verschiedenartigkeit vor Augen zu führen.
Als Melanie endlich bemerkte, dass Philipp ihr nicht schmeicheln wollte, sondern sie eigentlich gar nicht leiden konnte, ging sie auf seine Spielchen nicht mehr ein und blieb ganz in der Nähe ihrer Eltern. Sie beschwerte sich über Philipps Aggressionen und seine unverschämten Anspielungen und wollte am liebsten sofort abreisen. Mäc warf Philipp daraufhin Undankbarkeit und Arroganz vor und es kam zum Streit. Chris vermittelte, führte Melanies Pubertät in Feld, die verschiedenen Charaktere der beiden Kinder und Carolin saß zwischen allen Stühlen. Sie liebte ihre Tochter, dieses aufgeweckte und lustige Mädchen. Die beiden verband eine innige Beziehung, der auch die Pubertät nichts anhaben konnte. Carolin hatte immer ängstlich darauf gewartet, dass bei Melanie eines Tages die gleichen Symptome wie bei Philipp auftreten könnten und sie war froh gewesen, dass das bis jetzt nicht der Fall war. Sie liebte natürlich auch ihren Sohn, konnte aber dennoch ihr Befremden über seine Veränderung nicht verhehlen.
Am Abend vor der Heimreise sprach sie mit Chris darüber. Es war nicht zu leugnen, dass Philipp anders geworden war, ganz abgesehen von seinem Problem. Chris und sie waren die Einzigen, die von seiner ungewöhnlichen Zeugung wussten und beide plagte ein schlechtes Gewissen, da sie beschlossen hatten, Philipp niemals die genauen Details und Umstände zu schildern. Das sollte ihr Geheimnis bleiben. Sie wollten ihm lediglich sagen, dass es eine künstliche Befruchtung gewesen war. Nun aber schlug Chris vor, dass das Geheimnis nicht weiter gehütet werden dürfe und Philipp das Recht habe, die ungeschminkte Wahrheit zu erfahren, damit er in Zukunft ganz selbstverantwortlich mit seinem Schicksal umgehen könne. Carolin sah sich dazu nicht in der Lage. Nach reiflicher Überlegung wollte Chris sich, trotz großer Ängste, der Aufgabe stellen und dem Jungen alles erklären.
Am nächsten Tag nahm er Philipp zur Seite und schlug ihm vor, wegen des besonders schönen Wetters einen gemeinsamen Wanderurlaub an ihr Zusammensein anzuschließen.
„Du, ich habe noch eine Woche frei und schon lange vorgehabt, in den Walliser Bergen von Hütte zu Hütte zu wandern. Und weil wir beide hier jetzt schon mal so nah dran sind, sollten wir die Gelegenheit nutzen, was meinst du? Es gibt da gut markierte, leichte Wanderwege in circa 2000 Metern Höhe und richtig bequeme Übernachtungsmöglichkeiten in den Hütten. Das wäre doch für uns beide eine wunderbare Entspannung, außerdem hätten wir endlich mal Zeit, in Ruhe miteinander zu reden.“
„Ich weiß nicht“, Philipp war sich unsicher, „das können wir doch auch woanders machen. Deswegen muss ich doch nicht klettern.“
„Du sollst ja auch nicht die Gipfel besteigen, sondern relativ stressfrei wandern. Soviel Kondition wirst du doch schon haben, Philipp. Deine Zwei in Sport kommt sicher nicht vom Schachspielen. Wie ich gehört habe, bist du ein guter Langstreckenläufer. Dann sollte das für dich kein Problem sein.“
Philipp war immer noch skeptisch, da er sich körperlich nicht so fit fühlte und auch Angst vor der Einsamkeit, der Höhe und den Strapazen des Bergsteigens hatte. Chris blieb aber hart, insistierte und gab nicht nach, bis Philipp zögernd zustimmte. Als Carolin das erfuhr, konnte sie ihre Erleichterung, aber auch ihre fürchterliche Angst vor Philipps Reaktion auf die Eröffnung der Wahrheit nicht in Worte fassen. Sie zitterte am ganzen Leib und verabschiedete sich sehr kurz und zu Philipps großer Verwunderung unter Tränen mit einem: „Ich liebe dich, vergiss das nie!“