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Kapitel 9

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16:00 Uhr

Women’s Medical College of the New York Infirmary, Stuyvesant Square

Alessa saß auf ihrem Bett und las wieder und wieder die Zeilen, die Florence Nightingale ihr geschrieben hatte. Die Leiterin des St Thomas’ Hospital in London, in dem sie bis Juni als Lehrerin und Krankenschwester gearbeitet hatte, fragte nach ihren Zeichnungen für den Unterricht und ob sie willens sei, ein Lehrbuch für Krankenpflege in Zusammenarbeit mit ihr zu erstellen. Ihre Finger, die den Brief hielten, zitterten leicht. »Deine Zeichnungen helfen uns, die Dinge zu begreifen«, hatte einst eine der Schülerinnen zu ihr gesagt. Die meisten der jungen Frauen entstammten der Unterschicht und konnten weder lesen noch schreiben. Aus diesem Grund hatte sie ihren Unterricht mit Zeichnungen gestaltet und ihnen zusätzlich das Lesen und Schreiben beigebracht. Doctor John Croft, ihr Freund, hatte sie dabei unterstützt, sich für sie eingesetzt, dass sie diesen Unterricht einführen durfte. Er war es auch gewesen, der den angehenden Krankenschwestern Einblick in die Arbeit der Ärzte gewährte und sie am Operationstisch und bei Obduktionen in sein Wissen einbezog. Nun fragte Florence Nightingale nach ihren Zeichnungen, nach einem Lehrbuch, das sie mit ihr zusammen erarbeiten wolle. Es war einfach unfassbar, was für eine Ehre!

Sie legte den Brief beiseite und schritt zu ihrem Schreibtisch, auf dem ihre Zeichenmappen lagen. Behutsam öffnete sie die Mappe mit den aktuellen Zeichnungen. Ein leises Prickeln überzog ihren Körper, als sie die oben aufliegende sah: Es waren die verschiedenen Schritte einer Blinddarm-Operation auf dieser festgehalten. Sie stellte sich vor, wie diese in einem Buch aussehen würden … Sie blätterte weiter, doch das glückliche Gefühl, das sie eben noch durchflossen hatte, erlosch bei der nächsten Abbildung, die sie erblickte: Es war die Zeichnung einer zertrümmerten Hand. Die Zeichnung war erst ein paar Tage alt. Die junge Frau hatte das Women’s Medical aufgesucht, nachdem ihr Mann in einem Wutanfall mit einem Hammer auf ihre Hand geschlagen hatte. Auch im St Thomas’ Hospital hatte sie immer wieder misshandelte Frauen gepflegt – aber in New York waren es weit mehr. Die zugefügten Verletzungen waren zudem gravierender. In den Slums schien es eine maßlose Gewaltbereitschaft gegenüber Frauen und Kindern zu geben und auch unter den Kindern untereinander, wie sie unlängst hatte feststellen müssen. Sie seufzte und dachte an ihren Besuch bei Victoria Woodhull, an die Forderung des Sicherheitskomitees. Ja, es musste sich dringend etwas an den unerträglichen Verhältnissen in Bowery, Five Points, SoHo und in der Lower Eastside ändern. Hätten die Arbeitslosen eine Arbeit, würde die Gewalt abnehmen …

Gegen jedes Gebot

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