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Kapitel 13

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16:00 Uhr

Hudson River, Neptune

Henry Cochrane hatte beschlossen, seinen freien Tag auf dem Hudson River zu verbringen. Es war ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, wie an einem Sommertag, der Himmel wolkenlos. Viele Touristen hatten sich, wie er, für eine Bootsfahrt rund um Manhattan entschieden, und standen plaudernd um ihn herum.

Er befand sich auf dem Achterdeck, von welchem aus er die Küste zu beiden Seiten überblicken konnte, hatte die Unterarme auf der Reling liegen und genoss das sanfte Schaukeln des Schiffes. Sie waren auf der Höhe von Hell Gate’s Kitchen. Weit erstreckten sich die Wiesen hinter dem Fabrikgebäude der Hell Gate Brewery entlang des Hudson Rivers. Aus den Schornsteinen der Brauerei drang kein Qualm, keine Menschenseele war zu sehen. Eine Reihe von Bäumen seitlich der Fabrik verbarg den Ausblick auf die Straße und die dort angesiedelten Häuser. Sollten die Fässer auf dem Seeweg weggeschafft worden sein, hätte man es von diesen Häusern aus nicht sehen können. Er war sich inzwischen sicher, dass der Transport der Fässer über diesen Weg vorgenommen worden war. Die Schifffahrtsmeldestellen in der Bronx und an der Südspitze Manhattans hatten jedoch keinen Verkehr in dieser Nacht verzeichnet. War es möglich, dass sich irgendwo zwischen diesen eine oder weitere Anlegestellen befanden? Er hatte die Schifffahrtsmeldestellen diesbezüglich nicht gefragt. Er würde es herausfinden, heute, mit eigenen Augen.

Ein leichter Wind zwirbelte an seinen Haarspitzen. Er mochte das Gefühl, hatte er doch niemanden, der ihn berührte. Seit Langem. Die Gespräche der Passagiere drangen an sein Ohr. Unterschiedlichste Sprachen, darunter auch Italienisch, nahm er wahr. Wenn es stimmte, was sein Kollege Thomas Byrnes ihm gesagt hatte, dann würde er es in den kommenden Jahren mit ganz anderen Fällen zu tun bekommen. Es würde brutaler werden. Die Italiener würden die Preise der Iren für ihre gewalttätigen Arbeiten noch unterbieten. Er kramte in seiner Jackentasche und schaute sich die Preisliste der Whyos, die Byrnes ihm gezeigt und die er abgeschrieben hatte, an.

Punching $1

Both eyes blacked $3

Nose and jaw broke $7

Jacked out (knocked out with a Blackjack) $15

Ear chewed off $15

Leg or arm broke $19

Shot in the leg $20

Stab $22

„Doing the big job“ (murder) $100 and up2.

Allerdings würde er mit dieser Art von Fällen vermutlich in nächster Zeit noch nicht betraut werden. Nachdem er vor einem Jahr vom Dienst suspendiert worden war, konnte er von Glück sprechen, dass sein Vorgesetzter, Angus Farrell, sich für ihn eingesetzt und ihn wieder in den Dienst geholt hatte. Noch immer verfolgte ihn diese Geschichte, die zu seiner Suspendierung geführt hatte, ließ ihn nachts schweißgebadet aufschrecken. Bei dem Versuch, einen Mörder festzunehmen, hatte er, als dieser die Waffe gezogen und auf ihn gerichtet hatte, auf diesen gezielt, aber eine Frau getroffen. Es war die Gattin eines hochrang­igen Richters der Stadt gewesen. Das Ganze war in der Ninth Avenue Line, einer der Hochbahnen, geschehen. Seitdem hatte er keinen Fuß mehr in eine dieser Bahnen gesetzt, weil er sich sicher war, dass er in Panik verfallen würde. Obwohl das Ganze ein Unglück gewesen war – die Frau hatte sich vom Sitzplatz erhoben und war unerwartet in die Ziellinie geraten –, hieß es in der Urteilsverkündung, er hätte sich zurückziehen müssen, hätte in einem vollen Zug keinen Schuss abfeuern dürfen. Ein Jahr lang hatte er dann in der Pinkerton National Detective Agency gearbeitet, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Obwohl es ihm dort gefallen hatte, hatte er sich nach seiner Arbeit im NYPD zurückgesehnt. Er war froh, dass Farrell sich für ihn eingesetzt, ihn zurückgeholt hatte. Farrell hielt viel von ihm, sonst hätte er es nicht gemacht. Er hatte ihm aber auch gesagt, dass er zunächst keine Mordfälle übernehmen dürfe – und das war ein harter Schlag für ihn gewesen. »Es wird nicht ewig so bleiben, Cochrane. Wir müssen Gras über die Sache wachsen lassen und Sie sich bewähren«, das waren Farrells Worte gewesen vor wenigen Monaten. Jetzt hatte er diesen Brauerei-Fall aufzuklären, der im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel stank.

Von hier aus betrachtet wirkte die Fabrik nahezu schön mit ihren roten Backsteinen und dem Uhrenturm, sodass er ihr beim Anblick etwas abgewinnen konnte. Doch, herrje, der Gestank auf dem Gelände war einfach widerlich! Was fanden die Menschen nur so gut an Bier? Billiger als jedes andere alkoholische Getränk war es – und für die finanziell Schwachen, von denen es in New York so viele gab, war es die Lösung für viele Probleme. Unzählige Brauereien hatten die Deutschen in den letzten Jahren in New York errichtet. Er war in der Astor Bibliothek gewesen, um sich über die Bierbraukunst zu informieren. Ohne den Deutschen Carl von Linde wäre die Bierbrauerei, wie es sie jetzt gab, überhaupt nicht möglich. Anfang des Jahres hatte von Linde für die österreichische Brauerei Dreher und die Münchener Spaten-Brauerei eine Kälteerzeugungsmaschine erfunden, die die für die Brauerei notwendige gleichbleibende Kühle gewährleistete. Dabei war er nicht der Erste, der sich mit Kühlsystemen befasst hatte. 1834 hatte Jacob Perkins ein Kühlgerät konstruiert, das mit Äther funktionierte. Es wurde auf Schiffen verwendet, war aber gefährlich, da es in Verbindung mit Luft zu Explosionen kam. 1845 hatte dann John Gorrie, ein Arzt in Florida, auf Basis von Perkins Entwicklung eine Kaltluftmaschine erfunden, um Krankenzimmer zu kühlen, die bislang mit an der Decke hängendem Eis gekühlt worden waren. 1851 erhielt er das U. S.-Patent auf seine Eismaschine, mit deren Hilfe er die giftigen Ausdünstungen, das Miasma, in den Griff zu bekommen hoffte. Er hatte seine weiteren Pläne jedoch nicht umsetzen können, weil es ihm an Geld gefehlt hatte. Von der Motivation der Fürsorglichkeit hatte sich die Entwicklung des Kühlsystems zur Motivation der Suchtstillung gewandelt … Auch hatte er gelesen, dass die von Linde entwickelte Maschine Probleme aufwarf. Der Deutsche arbeite bereits an deren Verbesserung.

Seine Gedanken schweiften ab zu dem Gespräch mit Jacob Ruppert, den er nach seinem Besuch bei Leonhard Eppig aufgesucht hatte. Überraschenderweise hatte dieser ihn wissen lassen, dass es sehr wohl einen Zwist zwischen George Ehret und Leonhard Eppig gab. Vor Jahren habe Eppig ihm im Vollrausch erzählt, dass Ehrets Vater damals, als Eppig noch jung gewesen war, die Fabrik seines Vaters in München gekauft habe – unter dubiosen Umständen, die die Familie Eppig in große finanzielle Schwierigkeiten gebracht habe. Außerdem ließ er ihn wissen, dass Fischer & Eppig vor wenigen Wochen einen ihrer größten Kunden an die Hell Gate Brewery verloren hatten: Tony Pastors Opera House, ein vielbesuchtes Vaudeville-Theater.

Nachdem er dies erfahren hatte, war er zurück zum NYPD geritten, um Farrell über den Stand der Dinge zu informieren und ihn um Erlaubnis zu bitten, die beiden Herren für Montag zum Verhör vorladen zu dürfen. Farrell war aber nicht mehr im Hause gewesen. Dabei hatte dieser ihm beim Verlassen des NYPD zur Mittagszeit doch gesagt, er habe nur kurz etwas zu erledigen. Normalerweise war sein Chef bis abends auf der Dienststelle erreichbar. In letzter Zeit wirkte Farrell ziemlich überarbeitet. Vermutlich war er einfach nach Hause gegangen. Was vielleicht nicht die schlechteste Idee war, wenn man überarbeitet war.

Eine kleine Anlegestelle tauchte vor seinen Augen auf. An dieser lag ein kleines Boot, in das vielleicht zwei oder drei Leute hineinpassten. Nun ja. Ein schmaler Erdweg führte über Felder zu einer Baumreihe, die das Dahinterliegende verbarg. Wie weit nördlich von Hell Gate’s Kitchen mochten sie wohl sein? Auf alle Fälle würde er sich diesen Ort genauer ansehen.

Er hing seinen Gedanken nach, als er plötzlich einen Hafen wahrnahm: Natürlich! Es gab einen Hafen südlich der Bronx! Wie hatte er dies nur vergessen können? Bei Manhattanville, nahe Harlem. Und diesem angeschlossen war eine Station der Hudson River Railroad, ein Netz von Bus- und Straßenbahnlinien. Damit war klar, was zu tun war.

Zunächst aber stand das Verhör der beiden Brauereibesitzer auf dem Plan.

Gegen jedes Gebot

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