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I. Zweck und Anwendungsbereich
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Im Interesse der Rechtssicherheit fingiert § 5 HGB die Handelsgewerblichkeit (und damit letztlich die Kaufmannseigenschaft des Inhabers) eines unter einer Firma im Handelsregister eingetragenen Gewerbes. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Eintragung im Handelsregister dem Geschäftsverkehr, aber auch dem Kaufmann selbst, hinreichend Gewähr für die Kaufmannseigenschaft bietet.[74] Es handelt sich nicht um eine Rechtsscheinvorschrift und setzt daher nicht deren Charakteristika (zurechenbare Veranlassung, Gutgläubigkeit) voraus.[75]
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§ 5 HGB hatte vor der Handelsrechtsreform 1998 große Bedeutung, da viele Gewerbe im Handelsregister eingetragen waren, obwohl sie als Kleingewerbe objektiv nicht eintragungsfähig waren.[76] Insoweit hat § 5 HGB im Gefolge der Handelsrechtsreform einen Bedeutungsverlust erlitten, denn ein Kleinkaufmann bzw. eine kleingewerbetreibende OHG/KG, der/die im Handelsregister eingetragen ist, ist bereits nach § 2 HGB bzw. §§ (161 II) 125 II, 2 HGB Kaufmann; eines Rückgriffs auf § 5 HGB bedarf es nicht. Ob § 5 HGB überhaupt noch einen Anwendungsbereich hat, ist umstritten.[77] In der Literatur werden als möglicher „Restanwendungsbereich“ vor allem die folgenden Fallgruppen diskutiert:
(1) Ein Gewerbebetrieb wird vom Inhaber in Erfüllung einer vermeintlichen Pflicht nach § 29 HGB zur Eintragung im Handelsregister angemeldet, weil er irrtümlich davon ausgeht, es lägen die Voraussetzungen von § 1 II HGB vor, tatsächlich handelt es sich aber um ein Kleingewerbe. Unstrittig ist hier sowohl, dass die Kaufmannseigenschaft nicht aus § 1 II HGB folgt, wie dass der Inhaber Kaufmann ist. Strittig ist allein die dogmatische Begründung: Eine Ansicht will § 2 HGB und nicht § 5 HGB heranziehen, weil dessen Wortlautvoraussetzungen erfüllt seien.[78] Die Gegenauffassung lehnt hingegen die Anwendung von § 2 HGB mit der Begründung ab, das dieser Vorschrift immanente Wahlrecht des Kleingewerbetreibenden nehme dieser nicht wahr, wenn er (irrtümlich) von einer Rechtspflicht zur Anmeldung (§ 29 HGB) ausgehe.[79] § 2 HGB greife also nur bei einer freiwilligen Eintragung ein. Entsprechend stützt sie die Kaufmannseigenschaft auf § 5 HGB.
(2) Die gleichen Diskussionslinien bestehen, wenn ein ursprünglich die Voraussetzungen von § 1 II HGB erfüllender Gewerbebetrieb, der im Handelsregister eingetragen wurde (§ 29 HGB), später zum Kleingewerbe herabsinkt, ohne dass die Eintragung gelöscht würde: Nach der ersten Auffassung greift schon § 2 HGB, [80] nach der zweiten erst § 5 HGB.[81]
Stellungnahme: Für die auf § 2 HGB abstellende Ansicht spricht dessen Wortlaut, der nur die Eintragung im Handelsregister verlangt, nicht aber eine „Eintragung nach § 2 HGB“.[82] Eine Eintragung liegt aber auch dann vor, wenn sie nur zur Erfüllung einer (vermeintlichen) Pflicht aus § 29 HGB erfolgte. Auf der anderen Seite ist aber – neben dem schon oben angeführten Argument, eine Anmeldung zur Erfüllung der (vermeintlichen) Rechtspflicht aus § 29 HGB wahre nicht das materiell-rechtliche Wahlrecht des § 2 HGB – nicht zu übersehen, dass diese Auffassung Gefahr läuft, § 5 HGB zur Bedeutungslosigkeit zu degradieren. Ein derartiges Resultat wäre nur hinzunehmen, wenn die Auslegungscanones nichts anderes ermöglichten; anderenfalls widerspräche es dem anerkannten Auslegungsgrundsatz, dass Normen nicht ohne Not so ausgelegt werden sollen, dass sie jeglichen Anwendungsbereich verlieren, weil man davon ausgehen kann, dass der Gesetzgeber keine sinnlose oder unanwendbare Vorschrift schaffen wollte.[83] Das aber wäre die Konsequenz, wenn man in den obigen Fällen nicht § 5 HGB, sondern § 2 HGB anwenden würde. Dem versucht der prominenteste Vertreter dieser Auffassung, K. Schmidt, zu entfliehen, indem er § 5 HGB dadurch einen Anwendungsbereich verschaffen will, dass er ihn auch heranzieht, wenn gar kein Gewerbe mehr betrieben wird.[84] Das überzeugt aber mit Blick auf den klaren Wortlaut des § 5 HGB nicht (s. Rn. 78), so dass die Gegenauffassung zu einer dogmatisch nicht überzeugenden vollständigen Entwertung von § 5 HGB führt.
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Zusammenfassend: Um dem Postulat gerecht zu werden, Normen – soweit dogmatisch möglich – so auszulegen, dass ihnen zumindest ein geringer Anwendungsbereich verbleibt, ist die Kaufmannseigenschaft in den obigen Konstellationen nicht bereits aus § 2 HGB, sondern erst aus § 5 HGB herzuleiten.
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In Fall 5 ist K nach beiden Auffassungen i. E. Kaufmann. Zwar greift § 1 II HGB entgegen der irrigen Ansicht des K mangels Erfordernis eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs nicht ein. Jedoch ist er entweder nach § 2 HGB oder nach § 5 HGB Kaufmann. Während die Gegenauffassung auf § 2 HGB rekurriert, ist er nach hier vertretener Auffassung „nur“ Fiktivkaufmann nach § 5 HGB. Ein praktischer Unterschied ergibt sich daraus allerdings nicht.
§ 2 Kaufleute, §§ 1-7 HGB › E. Kaufmann kraft Eintragung, § 5 HGB › II. Voraussetzungen