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3. Anfechtung?

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Fraglich ist, ob der Scheinkaufmann das den Rechtsschein begründende Verhalten mit Wirkung ex tunc nach §§ 119 ff. BGB anfechten und dadurch der Anwendbarkeit handelsrechtlicher Vorschriften entfliehen kann. Problematisch ist zunächst, dass der Rechtsschein oftmals nicht durch Willenserklärungen, sondern durch tatsächliche Handlungen gesetzt wird. Wenn überhaupt, so kommt daher nur eine analoge Anwendung der §§ 119 ff. BGB in Betracht. Für eine Anfechtbarkeit spricht, dass es widersprüchlich erscheint, dass man sich anderenfalls über das bloße Setzen eines Rechtsscheins stärker binden könnte als über eine (explizite) Willenserklärung. Auch wenn daher eine analoge Anwendung der §§ 119 ff. BGB im Grundsatz dogmatisch möglich erscheint, scheidet eine Anfechtbarkeit nach § 119 BGB im Ergebnis mangels Anfechtungsgrund aus. Denn sie wäre mit dem durch die Lehre vom Rechtsscheinkaufmann bezweckten Schutz des Rechtsverkehrs unvereinbar.[131] Zwar würde diesem durch die mit der Bejahung eines Anfechtungsrechts verbundenen Schadensersatzhaftung nach § 122 BGB analog ein Stück weit Rechnung getragen. Darin läge jedoch kein ausreichender Schutz, weil die nur auf das negative Interesse gerichtete Haftungsnorm oftmals nicht genügen wird, um den berechtigten Interessen des gutgläubig auf die Kaufmannseigenschaft vertrauenden Dritten gerecht zu werden.

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Soweit teilweise eine Anfechtung nach § 123 BGB für möglich gehalten wird,[132] ist hinsichtlich der praktischen Relevanz zu differenzieren: Im Fall der arglistigen Täuschung ist die Frage ohne Bedeutung, denn diese setzt entweder voraus, dass der Empfänger selbst täuschte (§ 123 I Alt. 1 BGB) oder zumindest die Täuschung eines Dritten kannte bzw. kennen musste (§ 123 II 1 BGB). In diesen Fällen fehlt es mangels Gutgläubigkeit aber bereits an einer Grundvoraussetzung der Lehre vom Rechtsscheinkaufmann, auf eine Anfechtung durch diesen kommt es mithin gar nicht an. Bei einer widerrechtlichen Drohung gilt Gleiches, wenn der Geschäftspartner der Drohende war. War Drohender hingegen ein Dritter, so ist nach allgemeinen Regeln des BGB eine Anfechtbarkeit nach § 123 I Alt. 2 BGB mangels Anwendbarkeit von § 123 II BGB selbst dann möglich, wenn der Erklärungsempfänger die Drohung eines Dritten nicht kannte/kennen musste.[133] Die Frage nach der Anfechtbarkeit des den Rechtsschein einer Kaufmannseigenschaft begründenden Verhaltens bedarf hier also einer Antwort. Angesichts des überragenden Interesses, nicht das Opfer widerrechtlicher Drohungen zu werden, wird man in diesem Ausnahmefall eine Anfechtung zulassen oder zumindest nach der Wertung des § 123 I Alt. 2 BGB dem Bedrohten das Recht zugestehen müssen, sich nicht als Scheinkaufmann behandeln lassen zu müssen. Das kann allerdings nur gelten, wenn der Bedrohte nach eventuellem Wegfall der Drohung alle ihm möglichen und zumutbaren Anstrengungen unternahm, um den gesetzten Rechtsschein zu korrigieren.

§ 2 Kaufleute, §§ 1-7 HGB › H. Kaufmann kraft Rechtsscheins › IV. Schein-Nichtkaufmann

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