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Allein in der Nacht

Gerade als er es sich einigermaßen gemütlich gemacht hatte, störte ein leises Geräusch seine Ruhe.

„Wer macht hier Geräusche!“, raunte er etwas ängstlich in die Nacht. Aber die Nacht raunte nichts zurück und seine Worte verhallten in der Finsternis.

Es fiel schwer, etwas zu erkennen, der Wald war dunkel geworden. Ein paar fahle Umrisse zeichneten sich ab, aber man konnte immer nur vermuten, was sie bedeuteten.

Wieder ertönte ein leises Geräusch. Es klang so, als würden Blätter, die am Waldboden lagen, langsam nach unten gedrückt werden. Dann, wieder einige Sekunden – vielleicht sogar dreißig – Ruhe. Danach erklang es wieder.

Sollte sich hier etwas nähern? Rico drückte sich stärker an den Baum und hielt den Atem an – vielleicht könnte er in der Dunkelheit doch etwas erkennen? Er zwickte die Augen zusammen, als könne er das fahle Bild, das vor ihm lag, damit scharf stellen und heller beleuchten. War da etwas? Ein Schatten schien von links nach rechts zu huschen, aber das geschah viel zu schnell. Ein normales Tier konnte das nicht sein.

Kam das Geräusch von diesem Schatten? Wieder ein leises Rascheln. War es nun lauter geworden? Er hatte das mulmige Gefühl, dass etwas immer näher zu ihm kam. Mittlerweile presste sich Rico an den Baum und umklammerte ihn regelrecht. Es könnte ja nicht schaden, sich einige Meter aufwärts zu bewegen, dachte er und versuchte, sich langsam über einen tiefer liegenden Zweig vom Erdboden abzuheben, in der Hoffnung, niemals einem fremden Wesen begegnen zu müssen, das leise Blätter vor sich zusammendrückte (wahrscheinlich durch seine immens großen Füße) und dabei gleichzeitig kaum sichtbar blieb. Er hangelte sich also langsam den ersten Meter nach oben. Dabei merkte er, dass er wohl in letzter Zeit einiges an Gewicht zugenommen hatte – und das womöglich nicht nur aufgrund wachsender Muskeln.

Wieder ein Rascheln! Es musste fast direkt unter ihm sein, denn nun war es eindeutig lauter geworden! Rico brach der Schweiß aus – nicht schon wieder Ärger mit den Nachbarn. Noch dazu noch fremdere Nachbarn, vielleicht ein wütendes Flusspferd oder ein wild gewordener, hungriger Löwe oder vielleicht noch schlimmer: ein völlig fremdes Wesen unbekannter Art?

Rico erschrak vor seinem eigenen Einfallsreichtum. Nicht ohne Grund, denn nun kam zu einem weiteren, wieder deutlich lauter werdenden Rascheln ein eindeutig fremder Geruch hinzu. Panisch hangelte er sich nun den Baum nach oben, dem Wipfel entgegen. Dieser wankte und knarrte unter seinem Gewicht und Rico versuchte, auf seinem Weg an die Spitze noch einmal innezuhalten – vielleicht konnte er den Angreifer von dort besser erkennen und einen schweren Ast nach ihm werfen?

Gerade als er einen passenden, kräftigen entdeckte, fing es an zu regnen. Besser gesagt, es tropfte auf ihn herab und er hielt schützend die Hände über seinen Kopf, denn wenn Rico eines hasste, dann eine ungepflegte Frisur!

Als er seine Hände an einem Blatt trocknen wollte, sah er es. Es hatte nicht angefangen zu regnen und die Tropfen, die ihn trafen, waren keine Wassertropfen.

Seine Hände waren voller Blut!

Panisch reckte er den Blick nach oben in den Wipfel, woher die Tropfen kamen, und sah direkt in das blutende Gesicht eines Affen. Es war der, den er vorhin in eine Baumkrone geschleudert hatte. Er grinste Rico direkt ins Gesicht und presste ihm zynisch entgegen: „Hi, JEAN-PIERRE!“

Ehe der geschockte Rico reagieren konnte, traf ihn die wilde Pranke des Verletzten voll am Oberkörper und beförderte ihn blindlings in die trübe Nacht. Das irre Lachen des verletzten Schlägers verfolgte ihn auf seinem Sturzflug zum Boden.

Berlin liegt in Frankreich

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