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Die entscheidende Wendung

Den ganzen Tag waren sie nun schon durch die Wildnis gelaufen, hier und da hatten sie eine Pause eingelegt, etwas getrunken und gegessen, aber so eine lange Reise war anstrengend.

„Weißt du wirklich, wo es langgeht?“, meinte Rico genervt.

„Sir, yes, Sir!“, schrie George und Rico verdrehte die Augen.

„Kannst du das mal bitte sein lassen, mit diesem ‚Yes, Sir, yes, Sir‘?“, imitierte Rico ihn etwas übertrieben.

„Du meinst: Sir, yes, Sir!?“, entgegnete George.

„Jaaa“, meinte Rico, „es nervt mich.“

„Nun, in meiner Welt ist dies ein Zeichen von Respekt. Ich habe gedient. Bin unter englischer Flagge in viele Krisengebiete dieser Welt gereist und meinen Offizieren immer treu gewesen. Sie sind nun für mich mein neuer Offizier.“

„Du“, entgegnete Rico nur knapp, „du kannst Du sagen. Lass uns mal nicht so verkniffen sein. Mir ist viel wichtiger, dass du mich von hier wegbringst. Ich will endlich raus aus diesem öden Wald.“

„Okay, Si… äh, du, äh, Jean-Pierre, wir machen das so. Ich werde Ihnen – äh – dir den Weg zeigen, du wirst sehen. Außerhalb des Waldes ist es ganz großartig. Es gibt Nüsse ohne Ende und tolle, freistehende Bäume und – äh – es gibt sicher dort auch diese intellegenten Tiere, von denen du gesprochen hast.“

„Intell i – gent!“, korrigierte Rico den Kleinen. „Es heißt intell i – gent! Was redest du denn für einen Blödsinn! Hältst du die Karte überhaupt richtig rum?“, fügte er zweifelnd hinzu.

„In meiner Welt sagt man intell – e – gent“, entgegnete George beleidigt. „Aber vielleicht wirst du diese ja eines Tages kennenlernen.“

Rico antwortete nicht mehr. Er war genervt. Er hatte erst jetzt Zeit dazu gefunden, all die Beleidigungen und Eskapaden im Wald zu reflektieren. Er war geschlagen worden. Beleidigt. Man hatte ihn als hässlich und dick bezeichnet. War er wirklich so hässlich geworden? Er brauchte dringend eine Pause.

„Ähm“, meinte Rico, „da vorne kommt eine Wasserstelle, ich müsste mal kurz etwas trinken gehen.“

„Jetzt? Echt?“, entgegnete George. „Es hat doch gerade geregnet!“

„Ja, nur einen kurzen Moment“, beschwichtigte Rico. „Dauert nur eine Minute“, fügte er hinzu.

Er entfernte sich ein wenig von George in Richtung der Wasserstelle. Sie hatte einen Radius von circa zehn Metern. Wie ein kleiner See sah sie aus. Umgeben von Sträuchern und dahinter hoch aufragenden alten Bäumen.

Die Wasseroberfläche lag ruhig da, fast regungslos. Rico trat heran und kniete sich direkt davor nieder. Nun konnte er ein wenig Luft holen, ein wenig Wasser daraus entnehmen und sich außerdem ein wenig frisch machen. Er musste unbedingt einen Blick auf sich werfen, seine Eitelkeit verlangte es geradezu. So zog er die Spiegelscherbe, die er immer bei sich trug, aus seinem Fell und senkte den Blick darauf. Er erschrak, als er sich sah. Die Auseinandersetzung mit den anderen Affen war nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Eine tiefe Schramme zog sich durch sein Gesicht und seine Haare lagen wild zerzaust in alle Richtungen. Rico ließ seine Hand ins Wasser gleiten, befeuchtete damit seine Mähne und kämmte sie mit seinen Fingern ordentlich in eine Richtung.

Nun geschah etwas Besonderes. Es gibt vielleicht nur einen oder zwei Momente in einem ganzen Leben, an denen so etwas passiert. Nämlich, dass ein zufälliger Moment einen anderen zufälligen Moment erzeugt, der wiederum Folgen für den weiteren Verlauf der eigenen Entwicklung hat.

Im Falle Ricos war dies ein kleiner Biber, der ins Wasser sprang. Er hatte irgendetwas Schweres dabei, was, wusste Rico nicht, aber er erzeugte einen ganz außerordentlichen Platscher.

Dieser zog eine Welle nach sich und lenkte damit die Aufmerksamkeit eines Tieres, das sich im Wald verborgen hatte, auf die Szene. Nur für einen kleinen Moment lugte es aus seinem Versteck im Dickicht in Richtung Wasser.

Genau in diesem Moment sah Rico in seiner Scherbe für den Bruchteil einer Sekunde das Bild des Waldes, der sich hinter ihm befand, und er sah, was den beiden Reisenden dicht gefolgt war. Es sollte dieser Geschichte die entscheidende Wendung geben.

Berlin liegt in Frankreich

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