Читать книгу Berlin liegt in Frankreich - Philipp Skoeries - Страница 22

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Der Raum sah immer noch genauso trist aus wie beim letzten Mal. Der Tisch, der vor ihnen stand, musste einmal weiß gewesen sein, aber die Farbe hatte sich wohl mit der Zeit in eine Art Beige gewandelt. Nur an einigen Stellen – vermutlich hatten dort bis vor Kurzem noch Gegenstände gelegen, die niemals bewegt worden waren – gab es hellere Flecken, die die ursprüngliche Farbe des Tisches erahnen ließen. Nach Ricos peinlicher Eskapade waren sie wieder zurück im Arbeitsamt und saßen – nach einer erheblichen Wartezeit – in einem ähnlichen Raum wie bei ihrem ersten Besuch.

Vor ihnen saß dieses Mal eine übergewichtige Elefantendame. Sie schien nahezu mit ihrem Stuhl verwachsen zu sein. Der Nagellack an ihren Füßen war halb abgebröckelt und vermittelte auf gewisse Art und Weise eine ähnliche Atmosphäre wie der Tisch, der vor ihr stand.

„Ähem …“, krächzte sie, „Sie haben also nicht direkt gewonnen, aber auch nicht verloren, Sie haben niemanden umgebracht, nur einen etwas übel zugerichtet. Richtig?“

„Ja, öhm, richtig, Ma’am“, bestätigte George kleinlaut mit entschuldigender Miene.

Rico schwieg. Er war genervt davon, wieder in dieses schreckliche Arbeitsamt gehen zu müssen, und noch mehr war er wütend auf George, denn er fühlte sich von ihm hintergangen.

„Dafür können wir Ihnen höchstens ein Zehntel der Summe anbieten, mein Guter. Es ist auch eigentlich nicht geplant oder erwünscht, den Moderator der Show zu verprügeln, aber die Schweine fanden es prima. Mit etwas mehr Disziplin könnte ich Ihnen in einer ähnlichen Kategorie etwas Neues anbieten, wenn Sie wünschen? Die, ähm, Kompetenzen“, sie blickte auf Rico, „bringen Sie ja mit.“

„NEIN!“, grunzte Rico ihr nun entgegen. Sein wütendes Gesicht ließ die übergewichtige Dame sofort verstummen.

„Ach, was soll’s, geben Sie uns einen dieser typischen Büroarbeitsplätze. Wir nehmen das beide“, sagte George resignierend und etwas enttäuscht.

„Okay, Nummer 4367. Gehen Sie bitte zur Straße Nordbank Nummer 189. Achter Stock, Sie können sich ab 19:30 Uhr bei Herrn Sparsam melden.“

Darauf machten sich die beiden schweigend auf den Weg. „19: 30 Uhr?“, raunte Rico. „Was soll das denn für eine Arbeitszeit sein?“ George war etwas beunruhigt. Der riesige Gorilla neben ihm könnte ihn mit einem Schlag in die ewigen Eichhörnchen-Jagdgründe befördern. Dass er aggressiv werden konnte, und zwar sehr schnell, hatte er ja in der Kampfhalle bewiesen. Noch dazu war er ziemlich dumm und obendrein in ein Rehlein verliebt. In ein französisches, wie er glaubte.

„Äh, also erst mal, Sir, Jean-Pierre, es tut mir leid. Ich dachte, für dich wäre der Job kein Problem. Ich wusste nicht, dass du, öhm, nicht kämpfen willst, beziehungsweise weiß ich das eigentlich auch jetzt noch nicht so genau? Willst du denn überhaupt nicht mehr kämpfen, Jean-Pierre? Ich meine, generell?“, fragte er vorsichtig.

„Ich weiß nicht“, antwortete Rico erstaunlich gelassen. „Ich will schon für etwas kämpfen oder vielleicht auch gegen etwas, aber nicht so.“

George wagte sich nun etwas selbstbewusster vor. „Du bist ja schlimmer als meine Ex–Freundin“, kicherte er, „so unentschlossen, wie du bist.“

Nun hatte er Rico tatsächlich ein kleines Schmunzeln entlockt.

„Wann sind wir endlich da? Weißt du schon, wo du hinläufst, oder hältst du die Karte etwa falsch herum?“, grummelte Rico schnell, um den kurzen Moment der Heiterkeit zu überspielen. Rico war es ein Rätsel, woher George wusste, wie er die Karte halten musste, daher war er stetig skeptisch, ob dieses Eichhörnchen damit überhaupt irgendetwas finden könnte.

„Hier“, antwortete George, „Nordbank Nummer 189.“ Die schmalen, dicht bebauten Wege hatten den Blick auf das Gebäude bis zum letzten Moment verborgen gehalten, aber nun standen sie davor.

Vor ihnen ragte ein schwarzes, monolithartiges Gebäude in den Himmel, so weit, dass sich seine Spitze in den Wolken verlor.