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Die Nordbank

Willkommen in der Nachtschicht“, wehte es ihnen entgegen, als sie das Büro von Herrn Sparsam betraten. Herr Sparsam war ein hagerer Orang-Utan: schlank, fast zierlich, mit einem zerzausten Haarkranz, der seinen länglich geformten Kopf zierte. Eine Nickelbrille saß, fast klischeehaft für einen Buchhalter, auf seiner Nase und tiefe Sorgenfalten hatten sich ihren Weg durch sein Gesicht gegraben.

Doch als er loslegte, hörte die auf den ersten Blick so zaghafte, drahtige, langweilig wirkende Figur nicht mehr auf zu reden. „Wir haben keine Zeit, Zeit ist Geld. Wir müssen die X–Beliebigen über die Y-Spalten verbuchen. Dabei ist wichtig, immer eine Doppelabnahme zu fahren – Vier-Augen-Prinzip, versteht sich. Wenn die X–Beliebigen dann gebucht sind, müssen die Y-Werte im Formular A606 eingetragen werden. Wir müssen damit bis spätestens morgen um 15: 30 Uhr fertig sein.“

Es folgte eine Flut weiterer Erklärungen und Verweise auf Regeln und Prozeduren, die er ohne Punkt und Komma herunterratterte.

Rico hatte große Schwierigkeiten, den Ausführungen des guten Herrn Sparsam zu folgen, ja er hatte sogar Schwierigkeiten, die Augen offen zu halten. Noch nie im Leben hatte er etwas so Bedeutungsloses gehört. Nur das ab und zu eingeworfene „Sir, yes, Sir!“ von George ließ ihn immer wieder hochschrecken, ansonsten hatte Rico schon nach zwei Minuten aufgehört, dem Vortragenden zu folgen. Seine Gedanken waren eher abgeschweift, nach Frankreich und zu seinem Rehlein, das er nie vergessen wollte und nie vergessen sollte.

Irgendwann war Herr Sparsam fertig mit seinen Ausführungen. George quittierte dies mit einem letzten „Sir, yes, Sir“ und sie wurden in einen kargen Raum geführt. Er war fensterlos, wurde von einer weißen Neonröhre an der Decke erhellt und es gab zwei Tische mit jeweils einem schmucklosen Holzstuhl davor.

„Bitte nehmen Sie Platz, da ist der Stapel Papier, bitte arbeiten Sie effizient und sparsam.“ Damit verließ der hagere Orang-Utan den Raum und die Tür war schon fast zugefallen, als George noch ein letztes „Sir, yes, Sir“ nachschob.

Rico schnaubte George an: „Was soll dieser Mist? Ich habe NICHTS verstanden. Wie lange sollen wir diesen Blödsinn hier machen? Ich will endlich nach Frankreich!“

„Entschuldige, Rico, aber dann hättest du wenigstens die Ente plattmachen oder einem anderen Kampf zustimmen müssen. Das hier ist der Weg für die meisten Arbeiter, die keinen anderen Job bekommen. Es dauert nun eben deutlich länger. Wir werden die nächsten hundertzwanzig Tage hier arbeiten, schlafen und essen. Nur so bekommen wir genug Geld, um nach Frankreich zu kommen. Tröste dich, dein Rehlein wird auch nicht schneller sein. Ach ja, damit wir das wirklich in hundertzwanzig Tagen schaffen, müssen wir beide mindestens zehn Stunden pro Tag schuften, um diesen Stapel Papier“, er deutete auf den sich mindestens drei Meter hoch auftürmenden Stapel vor ihnen, „abarbeiten zu können. Von unserem Geld müssen wir dann auch noch die Kantine in diesem Büro bezahlen, damit wir etwas Essbares bekommen. Wenn man das mit einrechnet, müssen wir glatte hundertvierzig Tage hier arbeiten.“

Georges Worte rauschten an Rico vorbei. Er hörte sie, akzeptierte sie aber keineswegs. Es war mittlerweile weit nach Mitternacht und es war für ihn klar, dass es einen anderen Weg geben musste. Doch davon konnte er erst einmal nur träumen, denn er sank in seinen Stuhl und fiel erschöpft in einen tiefen Schlaf.

Berlin liegt in Frankreich

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