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Ist das Kunst oder kann das weg?

Die Gänge der Nordbank waren trist und grau. Sie schienen endlos. In regelmäßigen Abständen erleuchteten weiße, funktionale Neonröhren den engen Gang und sorgten für nüchterne Ausleuchtung.

Rico schlurfte mehr, als dass er ging. Er wollte hier weg, nach Frankreich. Er wollte sich verbessern, sich entwickeln. Aber was war stattdessen passiert? Er war an einem Ort, der gar kein Ort sein wollte. An dem er etwas tun müsste, das keinen Sinn versprach. Mit einem vermeintlichen Unterstützer, von dem er nicht wusste, ob er wirklich ein guter Ratgeber war. Auf einer Mission, die vielleicht zum Scheitern verurteilt war. Auch über sein eigenes Verhalten war er nicht besonders glücklich. Einfach den Stapel Papier vom Tisch zu fegen, war keine Lösung. Ein echter Franzose hätte das wahrscheinlich anders gemacht. Über all das dachte er immer und immer wieder nach, bis er sich in den unendlichen Fluren der Nordbank verloren hatte.

Rico sah sich auf dem Gang um. Alles sah gleich aus. Nur selten begegnete ihm einer der sehr unterschiedlichen Mitarbeiter. Sein Blick schweifte in die Ferne, als er plötzlich etwas Buntes im grauen Monoton der Büroflure entdeckte.

Jemand hatte etwas mit Farbe an die Wand gekritzelt. „Fight the System“ stand da in roten und grünen Lettern. Fight the System ?, dachte sich Rico verwundert. Er stand einige Zeit davor und wunderte sich, was die fremden Worte bedeuten sollten, bis ihm plötzlich jemand von hinten auf die Schulter tippte.

Ruckartig drehte er sich um – er mochte es gar nicht, wenn sich jemand von hinten an ihn heranschlich. „Wer bist du, was machst du und warum schleichst du dich von hinten an mich ran?!“, herrschte er die unbekannte Figur an.

Vor ihm stand ein Hase, der etwas ängstlich dreinblickte. „Entschuldigen Sie – ich dachte, Sie wären interessiert an meiner Kunst“, sagte er.

„Was für Kunst?“, fragte Rico irritiert.

„Nun ja“, sagte der Hase, „ich habe dort an die Wand in roten und in grünen Lettern ‚Fight the System‘ geschrieben. Das ist Teil meiner Kunst.“

Rico verstand nicht. Was sollte das sein mit dieser Kunst? Waren das nicht diese Bilder mit verschwommenen Farbtupfern, die irgendwelche Verrückten malten? So direkt wollte er das aber nicht sagen, denn der Hase schien ja etwas davon zu verstehen – er selbst hatte das nie durchschaut. Also entschied er sich, nur vorsichtig zu entgegnen: „Erzähl mal, ich interessiere mich im Moment eh für Fremdsprachen und habe Nachholbedarf in Französisch.“

„Nun ja“, sagte der Hase etwas verunsichert, denn er wusste nicht, was sein Spruch mit Französisch zu tun hatte, wollte aber auch nur ungern einen Gorilla korrigieren. „‚Fight the System‘ heißt ja ‚Kämpft gegen das System‘. Ich habe das Wort ‚Fight‘ in Rot geschrieben, weil es aggressiv ist, und ‚gegen das System‘ habe ich in Grün geschrieben, weil nur das Frieden bringen kann. Man muss also kämpfen, um Frieden zu erlangen. Ich finde schon, dass das Kunst ist. Zumindest ein bisschen.“ Er wirkte ein wenig verlegen.

Die Erklärung des Hasen ließ Rico aufhorchen. Er schien kreativ zu sein. Zumindest hatte er eine klare Sicht auf die Dinge. Irgendwie sagte ihm ein Gefühl, dass dieser Hase genauso wenig hier arbeiten wollte wie er.

„Die Nordbank ist ungeheuer ätzend“, meinte Rico. „Wir sollten gegen sie kämpfen. So ein Kampf würde sich dann wenigstens lohnen.“

„Das meine ich auch, ja“, meinte der Hase, der sich im Übrigen als Hannes vorstellte. „Wir müssen die Tiere gegen die Nordbank aufrütteln. Aber ich kann das ja nicht allein. Außerdem bin ich nicht gerade mutig“, fügte er schüchtern hinzu.

„Ich bin mutig!“, platzte es aus Rico heraus. Er fühlte sich plötzlich wieder hoch motiviert und es schien fast so, als hätte er seine Bestimmung gefunden. „Hast du noch einen Stift?“, fragte er den Hasen. „Lass uns die anderen aufrütteln und die Nordbank, diesen überflüssigen Laden, den werden wir durchrütteln. Dann bekommen wir das Geld, das uns allen zusteht, und ich kann diesen schrecklichen Ort endlich verlassen.“

Berlin liegt in Frankreich

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