Читать книгу Berlin liegt in Frankreich - Philipp Skoeries - Страница 18
ОглавлениеDas Arbeitsamt
Die Straßen waren eng, die Luft muffig. Die Gebäude ragten hoch in den Himmel, sodass das Sonnenlicht unten in den Gassen nicht mehr ankam. Die Luft war kühler als außerhalb der Stadt und die wenigen Tiere, die durch die Straßen hetzten, waren offensichtlich sehr zielgerichtet und gestresst unterwegs.
„Na großartig – das kann ja nur ein Riesenspaß werden“, grummelte Rico.
„Wir müssen zum Arbeitsamt im Zentrum der Stadt“, meinte George unbeirrt.
„Wie lange ist das denn zu laufen? Wir sind schon den ganzen Tag gelaufen und ich habe Hunger und wenn ich Hunger habe, dann meine ich Hunger, vielleicht sogar auf Eichhörnchen!“, motzte Rico und kam Georges Gesicht dabei bedrohlich nahe.
„Ähm, ich lade dich auf einen Snack ein – hier: ein Essensautomat.“ George lenkte die Aufmerksamkeit seines übel gelaunten Reisebegleiters hastig auf einen roten, auffälligen Kasten, der schrill beleuchtet war. Auf einer Tafel darüber stand: „Hier können Sie auf Kredit günstiges und unauffällig schmeckendes Essen kaufen – wir wollen Sie ja nicht von der Arbeit abhalten.“ Ein Zwinker-Smiley ergänzte den seltsamen Werbeslogan, als würde der Verfasser über seinen eigenen schlechten Witz lachen.
„Halte deine Karte an das Display hier“, erläuterte George.
Rico hielt seine Karte an ein blau schimmerndes Display und nach etwas Gerüttel und Gequietsche zupfte ein Roboterarm eines der Sandwiches mit einem Getränk aus einem Stapel heraus und legte es in eine Ablage.
„Bitte sehr, Sir, Ihr, äh, dein Sandwich liegt bereit.“ George klang ein wenig ängstlich, immerhin wusste er nie genau, ob der missmutige Gorilla, der scheinbar auf weibliche Rehleins stand, nicht irgendwann mal komplett durchdrehen und sich Eichhörnchenbraten auf seine Speisekarte für diese Woche schreiben würde.
Aber Rico hatte nur eines im Kopf: Frankreich. Und dieses feinfühlige französische Wesen, das er für einen kurzen Moment in einem Spiegel gesehen hatte. Das war ihm alle Mühe wert.
Sie kauften sich also einige Sandwiches und Getränke, die sie schweigend auf ihrem Weg ins Stadtzentrum aßen. Überall liefen ein paar gestresste Personen herum, aber meist verschwanden sie sogleich hinter einer der schweren, industriell anmutenden Eingangstüren, die Rico an Panzerfabriken erinnerten. Zumindest sahen sie so aus, wie sich Rico Panzerfabriken vorstellte. Was passierte wohl hinter diesen Türen?
Bevor die Leute eintraten, legten sie immer ihre Karte auf ein Gerät, das daraufhin laut die Eintrittszeit ansagte. Rico war hochgradig skeptisch. Würde ihn dieses dämliche Eichhörnchen irgendwann in eine bessere Welt führen oder war das alles nur ein Riesenschwindel?
Endlich näherten sie sich dem Herz der Stadt. Ein massives graues Gebäude, mindestens fünfzig Meter hoch, stand schmucklos vor ihnen. Es war das einzige Gebäude, dessen Türen offen standen. Die Umgebung war ziemlich belebt. Überall standen Leute, teilweise ärgerlich, manche schrien sich gegenseitig an oder schüttelten die geballten Fäuste in Richtung des Gebäudes. Das Arbeitsamt konnte kein besonders guter Ort sein, schlussfolgerte Rico, denn es hinterließ anscheinend nur wütende Gesichter. Manche sahen enttäuscht aus, andere wirkten sogar völlig verzweifelt.
„Suchen diese Leute alle Arbeit?“, wunderte sich Rico laut.
„Yes, sie sind alle auf der Suche. Die wenigsten finden, was sie sich vorstellen, eigentlich keiner. Aber die meisten haben keine andere Wahl”, antwortete George gelassen.
Nachdem sie in das Gebäude eingetreten waren, eine Nummer aus einem seltsamen Automaten gezogen hatten und diese Nummer dann nach geschlagenen drei Stunden aufgerufen worden war, landeten sie bei einer jungen Kängurudame, die sie am Schalter empfing.
„Es tut mir sooooo leid“, sagte sie.
„Ma’am“, sagte George respektvoll, „was tut Ihnen denn leid?“
Rico beäugte George skeptisch.
„Ich habe heute bereits achtundsiebzig Leuten einen Job vermittelt, den sie gar nicht wollten, und jeder hasst mich!“ Eine Träne kullerte über ihre Nase.
Ricos Beschützerinstinkt regte sich. „Ich verspreche, ich werde mich nicht aufregen!“, verkündete er stolz, als würde dies eine Heldentat darstellen.
George Hampelton dagegen wurde konkreter: „Wir benötigen tausend Scheine in relativ kurzer Zeit. Ich denke, mit den in uns steckenden Talenten“, er sah kurz zu Rico hinüber, „können wir das schnell hinbekommen. Ich dachte ganz konkret an die Halle 2.“
„Halle 2?“, stotterte die Känguru-Lady. „Das ist gefährlich, ihr Armen, wollt ihr das denn wirklich? Ihr werdet sicher nur ärgerlich, wenn ich euch das gebe. Dann werdet ihr böse auf mich sein, Angst haben und weinen und ich muss das hier alles ertragen, obwohl ich doch nur helfen möchte“, schluchzte sie nun lauthals.
„Ich verspreche, ich habe vor nichts und niemandem Angst!“, posaunte Rico nun in bester Gorillamanier.
„Genau“, sagte George. „Geben Sie uns ein Ticket, wir nehmen es an.“
Das Mädchen sah den beiden für einen kurzen Augenblick in die Augen, nahm dann Ricos Hand in ihre und sagte: „Viel Glück – Sie sind ein guter Gorilla, da bin ich mir sicher.“ Dann zückte sie ein rotes Ticket, machte ein paar Eingaben auf einem bläulich schimmernden Display, glich das Ganze umständlich mit den Ausweisen von Rico und George ab und ein Piepsen ertönte.
Eine automatische Ansage erklang als Bestätigung: „Arbeit verpflichtend gebucht. Sie sind für Halle 2 freigeschaltet. Bei Überleben Sonderprämie möglich. Wir wünschen einen erfolgreichen Kampf!“