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3. Entwicklung

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Obwohl das Risiko der Arbeitslosigkeit mit der sich entwickelnden Industriegesellschaft von Anfang an verbunden war, ist es, nicht nur in Deutschland, erst deutlich nach der Jahrhundertwende zu einer gesetzlichen Regelung gekommen, mit der man versucht hat, dieses Lebensrisiko aufzufangen. Die Bismarcksche Sozialversicherung der Kaiserzeit hatte das Risiko der Arbeitslosigkeit nicht erfasst, erst die Verordnung über die Erwerbslosenfürsorge von 1918 hatte als sog. Demobilmachungsmaßnahme[5] die Gemeinden verpflichtet, eine Erwerbslosenfürsorge einzurichten. 1922 schuf dann das Arbeitsnachweisgesetz die Grundlagen einer Arbeitsvermittlung. 1923 vollzog man den ersten Schritt von der Fürsorge zur Versicherung: Grundlage der Finanzierung waren von nun an Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 1926 wurde eine sog. Krisenunterstützung als Ergänzung der Erwerbslosenfürsorge eingeführt. Die Ablösung der Erwerbslosenfürsorge als Sonderform der allgemeinen Armenfürsorge durch eine versicherungsmäßige Gestaltung vollendete sich durch das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung von 1927, das eine reichseinheitliche Versicherung einführte. 1957 wurde das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung von 1927 grundlegend neu gestaltet, insbesondere vereinheitlicht und in Bezug auf die Leistungen verbessert; 1969 trat an seine Stelle das Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Mit dem AFG vollzog sich der Wandel zu einer Arbeitsmarktpolitik, die Arbeitslosigkeit im Interesse der Arbeitnehmer und der Gesellschaft nach Möglichkeit verhindern sollte. Seither spielt der Gedanke der Vorsorge eine große Rolle. Es zeigte sich im Folgenden aber auch immer deutlicher, dass Arbeitslosigkeit ein Risiko ist, dem durch individuelles Verhalten nur bedingt vorgebeugt werden kann und das auch durch eine gute staatliche Arbeitsförderung bei Massenarbeitslosigkeit nur begrenzt beeinflussbar ist.

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Das Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 27. März 1997 hat das Arbeitsförderungsrecht nicht nur als SGB III in das Sozialgesetzbuch integriert, sondern auch in wichtigen Hinsichten verändert. So wurden zB die Voraussetzungen der Versicherungspflicht und der Leistungsgewährung modifiziert und eine Reihe neuer Förderungsinstrumente eingeführt. Seit seinem Inkrafttreten hat das SGB III wiederum zahlreiche Änderungen erfahren. Hervorzuheben ist zunächst das sog. Job-AQTIV-Gesetz vom 10. Dezember 2001[6], das dem Aktivieren, Qualifizieren, Trainieren, Investieren und Vermitteln (daher der Name AQTIV) gewidmet ist. Es dient der Modernisierung der Arbeitsvermittlung, die nun schon präventiv tätig werden soll.

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Wegen der damals deutlichen Zunahme der Arbeitslosigkeit setzte die Bundesregierung 2002 die Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ ein. Auf der Grundlage der Vorschläge dieser Kommission[7] hat der Gesetzgeber grundlegende Reformen beschlossen, die vor allem das Arbeitsförderungsrecht betrafen. Mit dem Ersten und Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt[8] waren (neben der Neuregelung sog. Mini-Jobs) die Schaffung von Personal-Service-Agenturen, die Förderung der sog. „Ich-AG“, Vorteile bei der Einstellung älterer Arbeitnehmer sowie Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung und zur Beschleunigung der Arbeitsvermittlung verbunden. Einen weiteren Schritt in der Entwicklung des Arbeitsförderungsrechts bilden die Neuerungen auf Grund der zum Jahresende 2003 im Vermittlungsverfahren zur sog. Agenda 2010 der Bundesregierung beschlossenen Gesetze. Dazu zählen etwa die Verkürzung der Anspruchsdauer beim Arbeitslosengeld durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt[9], die Änderungen im Leistungsrecht und die Organisationsreform durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt[10] sowie die Ablösung der Arbeitslosenhilfe durch die Grundsicherung für Arbeitsuchende durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt[11]. Nach einigen Jahren mit nur punktuellen Änderungen hat der Gesetzgeber Ende 2008 mit dem Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente wieder eine größere Reform des Arbeitsförderungsrechts vorgenommen[12]. Mit dem Ende 2011 verkündeten Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt[13] ist vor allem eine Neustrukturierung des Leistungsrechts verbunden. So bleibt das SGB III ständigen Novellierungen unterworfen; nicht wenige der in dieser Zeit eingeführten Förderungsinstrumente sind später modifiziert oder wieder abgeschafft worden; auch die maximale Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes hat der Gesetzgeber inzwischen wieder angehoben. Der mit dem Rückgang der Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren einhergehende geringere Reformdruck hat zu einer spürbaren Konsolidierung des Arbeitsförderungsrechts geführt. Die meisten Gesetzesnovellen der letzten Jahre haben sich auf punktuelle Änderungen des SGB III beschränkt. Erkennbar ist das Bestreben des Gesetzgebers, einerseits die Beratung durch die Bundesagentur für Arbeit zu verbessern und andererseits die berufliche Weiterbildung von Arbeitnehmern zu fördern. Hierfür steht exemplarisch das Ende 2018 verabschiedete Qualifizierungschancengesetz[14].

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