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Votum für Schreiber und ‚Tausch‘ mit dem Staat: Pacellis Bericht für Gasparri

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Am Schluss seines Schreibens mahnte Bertram den Nuntius, die definitive Regelung der offenen Fragen zur Wiedererrichtung des Meißener Bistums nicht zu lange hinauszuzögern. Pacelli sah das ähnlich. Am 11. April war die überarbeitete und endgültige Fassung von Watzls Denkschrift bei ihm eingetroffen, welche auf den 17. März datierte, ihm im Namen des Bautzener Kapitels – von Skala unterzeichnet – zuging und formal an Papst Benedikt XV. adressiert war.184 Pacelli beurteilte das Promemoria, das alle für die Stützung des Grundanliegens der Wiedererrichtung der Diözese Meißen notwendigen Informationen enthielt,185 als eine „außerordentlich saubere und sorgfältige Ausführung“186. Er war also sehr mit Pater Watzl zufrieden und glaubte, dass das Unterfangen bis auf einige Details geregelt war. Wenige Tage später übersandte ihm Watzl die angekündigte formelle Einladung zur Teilnahme an den Wiedererrichtungsfeierlichkeiten sowie einige Anträge für die beabsichtigte Verleihung von Ehrentiteln.187

Da für Pacelli nunmehr alles Wichtige geklärt war, erstattete er Gasparri am 25. April 1921 den Bericht, den dieser schon am 24. Dezember des Vorjahres verlangt hatte.188 Als Grundlage für alle Meißen betreffenden Überlegungen übersandte Pacelli Watzls Memorandum, das – so erklärte er dem Kardinalstaatssekretär – genügend „unverzichtbare Informationen“ biete, damit „der Heilige Stuhl diesbezüglich eine endgültige Entscheidung treffen und gegebenenfalls Weiteres unternehmen kann“189. Auf einige Punkte ging der Nuntius gesondert ein. Darunter fiel die Frage nach der finanziellen Ausstattung des künftigen Bischofs. Der ehemalige Zustand, dass der Apostolische Vikar von Sachsen gleichzeitig Dekan des Bautzener Kapitels war, um durch die damit verbundene Pfründe ausreichenden Unterhalt einzuziehen, sei nicht länger hinnehmbar. Deshalb sollte künftig das Bautzener Kapitel für das Einkommen des Diözesanbischofs sorgen.

Ein weiterer und vom Nuntius als difficile behandelter Punkt bildete die Frage nach dem geeigneten Kandidaten für das Bischofsamt. Er merkte an, dass dieses Thema angesichts der beiden unterschiedlichen Nationalitäten der katholischen Bevölkerung, deutsch und wendisch, sehr komplex sei. Wegen der deutschen Majorität sei ein Kandidat deutscher Provenienz alternativlos, „auch um Schwierigkeiten und Unzufriedenheiten von Seiten der staatlichen Autoritäten Deutschlands zu vermeiden“190. Es wäre zwar vorteilhaft, wenn der Erwählte die wendische Sprache beherrsche, weshalb er zunächst an Watzl gedacht habe. Weil dieser jedoch der erstgenannten Voraussetzung nicht genüge, sei er davon abgewichen und habe sich neu orientiert:

„Nun, in einhelligem Urteil mit verschiedenen kompetenten Personen, die ich diesbezüglich befragt habe, würde sich schwerer Widerwillen gegen die Ernennung eines Klerikers erheben, der nicht im deutschen Reichsgebiet geboren ist. Ich musste mich daher beschränken, einen Priester im deutschen Klerus zu suchen, der gebildet, energisch, eifrig und zur selben Zeit mit Klugheit und Sorgfalt ausgestattet ist, um den Widerständen und dem Missfallen, die ihm möglicherweise von wendischer Seite entgegengebracht werden, vorzubeugen und diese eventuell zu ertragen.“191

Ein solches Profil besitze der Regens des Fuldaer Priesterseminars, Christian Schreiber. Diese Einschätzung stützte Pacelli, indem er auf dessen Ausbildung im römischen Germanicum, seine Laureate in Philosophie und Theologie, seine Tätigkeit als Seminarprofessor für zunächst Philosophie, dann Dogmatik, Apologetik und Homiletik sowie auf den Umstand hinwies, dass er bei der letzten Sedisvakanz des Hildesheimer Bischofsstuhls schon auf der Kandidatenliste des dortigen Domkapitels gestanden habe.192 Zudem sehe ihn Kardinal Bertram als den besten Kandidaten für Sachsen an, während Bischof Schmitt von Fulda versichert habe, dass Schreiber sich unbedingt dem Willen des Heiligen Vaters unterwerfen und damit einem Ruf nach Meißen folgen werde. Pacelli griff anschließend den Wunsch Halkes auf, indem er Watzl als unentbehrlichen Mitarbeiter des Bischofs bezeichnete, weshalb er diesem – zumindest in der ersten Zeit – zur Verfügung gestellt werden sollte.193 Pacelli unterrichtete Gasparri ebenfalls von dem Plan, zur Beschwichtigung des wendischen Teils der katholischen Bevölkerung, Skala – den wendischen Interimsadministrator – zum Apostolischen Protonotar und zum Domdekan des Bautzener Kapitels mit allen Rechten und Privilegien zu erheben. Opportun sei außerdem, wenn das Kapitel seinen Dekan gemäß dem bisherigen Privileg künftig weiterhin selbst wählen dürfe.

Nachdem die Personalie geklärt schien, stellte sich noch die Grundfrage, ob und wie die sächsische Regierung in die Meißener Angelegenheit involviert werden sollte. Pacelli erläuterte seinem Vorgesetzten, dass es zwischen dem Königreich Sachsen und dem Heiligen Stuhl keine Übereinkunft gebe, „aus der dem Souverän ein Teilhaberecht an der Ernennung des Apostolischen Vikars von Sachsen und des kirchlichen Administrators der Lausitz ergeben könnte“194. Gleichwohl habe der sächsische König bislang mittels eines Kommissars die Wahl des Bautzener Dekans beeinflusst. Den Dekan wiederum habe der König anschließend dem Heiligen Stuhl als Kandidaten für das Amt des Apostolischen Vikars von Sachsen präsentiert. Zum letzten Mal sei dieses Prozedere bei der Einsetzung Löbmanns 1914 erfolgt. Im Anschluss an Hessleins Darstellung berichtete Pacelli weiter, dass das sächsische Staatskirchentum, das in der Kulturkampfzeit noch einmal erheblich verschärft worden sei und dazu geführt habe, dass die Katholiken „unter der tyrannischsten Unterdrückung“195 hätten leben müssen, sich durch die Revolution vom 9. November 1918 etwas gelockert habe. Eine „frische Strömung des Lebens“196 habe die Katholiken Sachsens erfasst, die jetzt einer einheitlichen, tatkräftigen Leitung bedürften. Dazu werde allenthalben ein entschlossener und tatkräftiger Bischof für notwendig erachtet und zwar auch deshalb, weil den Katholiken neue Gefahr drohe: Die sächsische Regierung – eine Koalition aus MSPD und USPD – und insbesondere der Landesminister für Volksbildung, Hermann Fleißner, würden den Kampf gegen die Kirche fortsetzen. Mit dieser kirchenfeindlichen Ausrichtung, die glücklicherweise durch die WRV etwas abgebremst werde, habe die Regierung in letzter Zeit Gesetzesprojekte betreffend die Schule, die kirchlichen Abgaben oder das staatliche Aufsichtsrecht über die Religionsgemeinschaften erlassen. Pacelli zitierte für den Kardinalstaatssekretär einen Passus aus der Rede Fleißners im sächsischen Landtag vom 17. Dezember 1920, in dem dieser seiner Vorstellung des künftigen Staat-Kirche-Verhältnisses deutlichen Ausdruck gab:

„Meine Ansicht ist ferner die …, daß die Kirche bis zum letzten aller staatlichen Autorität entkleidet werden muß. Es muß eine völlig reinliche Scheidung durchgeführt werden, und ich glaube, das liegt im Interesse beider Teile, des Staates sowohl wie der Kirche, wenn in Zukunft nicht immer wieder Reibungen und unnützer Krieg zwischen beiden eintreten soll.“197

Trotz dieser anvisierten radikalen Trennung beider Gewalten habe sich der sächsische Gesandte in München an ihn gewandt, um Kenntnis über das weitere römische Vorhaben mit der Kirche Sachsens und die Wiederbesetzung des Apostolischen Vikariats zu erlangen sowie die eigenen Wünsche – zum Beispiel müsse der Nachfolger Löbmanns Deutscher sein – zur Geltung zu bringen. Aus diesem Vorstoß könne man – so Pacelli weiter – diplomatisches Kapital schlagen. Da er ohnehin beabsichtigte, einen Bischof von deutscher Nationalität zu nominieren, war dieser Wunsch der Regierung logischerweise leicht zu realisieren. Wenn man also „in irgendeiner Weise“ auf ihr Anliegen einginge, könne man im Gegenzug etwas verlangen, nämlich

„eine schriftliche Erklärung, mit der sie sich verpflichtet, die neuen Beziehungen zwischen Kirche und Staat nicht zu regeln ohne vorheriges Einverständnis mit dem Heiligen Stuhl und auf jeden Fall wenigstens alle Rechte aufrichtig zu respektieren, die den Katholiken auf der Basis der Reichsverfassung zukommen“198.

Letztlich müsse er jedoch bekennen, dass von der sächsischen Regierung für die Kirche nichts Wohlwollendes zu erwarten sei. Daher gebe es letztlich nur einen „einzigen Weg der Rettung“199 für die sächsischen Katholiken wie überhaupt alle deutschen Diasporagebiete: ein Reichskonkordat, das für all jene eine verbindliche Regelung bringe. Vor diesem Hintergrund sah Pacelli zwei Optionen, auf die Regierungsanfrage zu reagieren, deren Entscheidung er Gasparri überließ:

„… Eure Eminenz werden urteilen, ob es besser ist, auf irgendeine Weise in die Anfrage der sächsischen Regierung einzuwilligen, oder ob es hingegen angemessener ist, sich auf eine Antwort zu beschränken, in der man (um größere Übel zu vermeiden) aus Höflichkeit schlicht die bereits getroffene Entscheidung des Heiligen Stuhls mitteilt.“200

Um schließlich die arg gebeutelten sächsischen Katholiken, die seit Martin Luthers Zeiten keinen päpstlichen Repräsentanten mehr gesehen hätten, zu ermutigen, habe er es sich vorgenommen – der Bitte des Bautzener Kapitels folgend –, das Land anlässlich der Wiedererrichtungsfeierlichkeiten zu besuchen. Für dieses Vorhaben ersuchte Pacelli abschließend um die kuriale Genehmigung.

Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939

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