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Freie Hand für Pacelli und ein knapper Zeitplan

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Am 2. Juni schickte Gasparri dem Nuntius die Nachricht, dass Benedikt XV. auf Basis des von Pacelli abgefassten Berichts die Errichtung der Diözese Meißen unter den geschilderten Bedingungen und die Promotion Schreibers auf die bischöfliche Cathedra genehmige.221 Daher könne Pacelli sofort mit der Abfassung des kanonischen Prozesses beginnen. Gegen die Teilnahme des Nuntius an den Wiedererrichtungsfeierlichkeiten habe der Pontifex – so Gasparri – nichts einzuwenden. Hinsichtlich des Umgangs mit dem sächsischen Staat überließen es Papst und Staatssekretär der Klugheit Pacellis, welchen der beiden skizzierten Wege er einschlagen wolle: entweder eine reine Faktenanzeige oder ein wie auch immer geartetes Eingehen auf die Regierungswünsche, mit dem Ziel eine schriftliche Zusage zu erhalten, die staatskirchliche Materie nur unter Einbezug des Heiligen Stuhls zu regeln oder zumindest die in der Reichsverfassung verbürgten kirchlichen Rechte zu respektieren. In jedem Fall müsse Pacelli aber „das umfassende Entgegenkommen und die Güte des Heiligen Stuhls gegenüber der sächsischen Regierung in einer so delikaten und wichtigen Angelegenheit“222 hervorheben.

Für welche der beiden diplomatischen Alternativen entschloss Pacelli sich? Gerne hätte er, wie er sagte, Kapital aus dem versuchten Vorstoß der sächsischen Regierung gezogen. Aber weil er vermutlich davon ausging, dass eine schriftliche Zusage Sachsens, auf eine einseitige Regelung des Kirche-Staat-Verhältnisses zu verzichten, keine durchschlagende Wirkung haben würde, sondern die kirchlichen Rechte eben nur durch ein Reichskonkordat zu verteidigen waren, sah er davon ab, der Regierung eine aktive Rolle bei der Besetzung des neuen Bischofsstuhls zuzugestehen. Stattdessen informierte er den sächsischen Gesandten in München am 18. Juni als Entgegnung auf dessen Offerte vom 30. März, dass der Heilige Stuhl beschlossen habe, ein neues Bistum Meißen durch den Zusammenschluss der beiden bisherigen Jurisdiktionsbezirke aus der Taufe zu heben.223 Zum Oberhirten – so fügte Pacelli hinzu – „wird der Heilige Stuhl, dem Wunsche der sächsischen Regierung entgegenkommend, einen Reichsangehörigen ernennen“224. Dass die Wahl eines Reichsdeutschen nicht ursächlich aus diesem Grund, sondern wegen der nationalen Struktur der katholischen Bevölkerung Sachsens getroffen worden war, erwähnte er nachvollziehbarerweise nicht. Im Gegenteil sollte diese Rücksichtnahme die „Güte“ des Heiligen Stuhls abbilden, wie Gasparri gefordert hatte:

„Der H[eilige] Stuhl gibt sich der zuversichtlichen Erwartung hin, dass die sächsische Regierung diesen Akt des Entgegenkommens gebührend würdigen und bei der Neuregelung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat, besonders gelegentlich der in Aussicht stehenden Verhandlungen zwecks Abschluss eines Reichskonkordates, an der Sicherstellung der religiösen Interessen des katholischen Volksteiles des Freistaates Sachsen im Geiste der Gerechtigkeit und Versöhnung mitwirken wird.“225

Pacelli wählte also einen Mittelweg zwischen den beiden Varianten: Einerseits zeigte er lediglich von kirchlicher Seite definitiv entschiedene Tatsachen an, ohne der Regierung eine aktive Beteiligung zuzugestehen. Da er aber andererseits die römische Kandidatenwahl als Entgegenkommen deklarierte, konnte er der Regierung zumindest die moralische Verpflichtung auferlegen, die Freiheit der Kirche zu respektieren, wenn schon diese „Konzession“ nicht für eine schriftliche Zusicherung ausreichte. Damit war diese Angelegenheit geklärt.226

Währenddessen liefen die Vorbereitungen für die Wiedererrichtungsfeierlichkeiten auf Hochtouren. Zwar hatte Gasparri die innerkurialen Anweisungen für die Ausstellung sämtlicher notwendiger Dokumente am 2. Juni erteilt,227 doch drängte die Zeit, wenn die festliche Wiedererrichtung der Diözese am 26. des Monats stattfinden sollte. In den nächsten Wochen wurden hektisch Telegramme verschickt, um die nötigen Vorbereitungen abzuschließen. So fragte der Nuntius am 7. Juni im Staatssekretariat an, ob die feierliche Publikation der Wiederherstellung der alten Diözese am 26. des Monats möglich sein würde.228 Das hing römischerseits letztlich von der Abfassung der Errichtungsbulle ab, weshalb Gasparri diese Frage an van Rossum weiterleitete.229 Doch zeigte sich der Kardinalstaatssekretär nachgiebig, da er erlaubte, die Gründung des Bistums Meißen zu verkünden, selbst wenn die Bulle bis zum Stichtag noch nicht in Bautzen angekommen sein sollte.230 Pacelli gab diese Nachricht unverzüglich an Watzl weiter.231 Um das juristische Dokument sachgerecht abfassen zu können, verlangte van Rossum von Pizzardo, dem Substituten der AES, die Information, ob die Bischofsernennung nach dem ius commue erfolge.232 Diese Frage konnten Pizzardo und merkwürdigerweise auch Gasparri nicht beantworten, weshalb letzterer sie an den Nuntius in München weiterleitete.233 Hieraus wird ersichtlich, dass Gasparri und Benedikt XV. über den Besetzungsmodus gar nicht diskutiert, sondern lediglich den von Pacelli bezeichneten Kandidaten abgesegnet hatten. Allerdings war Pacelli auf die Frage Wahl oder Nomination in seiner Berichterstattung bislang auch gar nicht explizit eingegangen. Erst als Reaktion auf das Gesuch des Präfekten der Propaganda Fide erklärte er, dass die Ernennung Schreibers dieses Mal nach dem gemeinen Recht, also nach Can. 329 § 2 des kirchlichen Gesetzbuches, prozediert werden könne.234 Zukünftig, wenn – wie Pacelli hoffte – die sächsischen Verhältnisse durch ein Reichskonkordat geregelt sein würden, gelte die darin verabschiedete Besetzungspraxis. Um den Verhandlungen nicht vorzugreifen, empfahl er, diese Frage in der Errichtungsbulle nicht zu berühren. Van Rossum folgte dieser Empfehlung. Am 22. Juni schließlich übermittelte der Kardinalstaatssekretär dem Nuntius telegraphisch die Nachricht der Propaganda Fide, dass die Diözese Meißen nunmehr genau gemäß den eingereichten Wünschen wiederhergestellt sei und man die dazugehörigen Dokumente bald verschicken werde.235 Die Errichtungsbulle Sollicitudo omnium datiert auf den 24. Juni 1921,236 traf in Bautzen aber erst Anfang September ein.237 Schreiber promulgierte sie erst auf einer Bistumssynode im Juli 1923.238

Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939

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