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Das Eingreifen von Kardinal Bertram

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Zur gleichen Zeit schaltete sich der Fürstbischof von Breslau, Kardinal Bertram, in die Angelegenheit ein. Am 7. Dezember habe er Bischof Löbmann beerdigt, wie er einen Tag später dem Nuntius schrieb.19 Ernste Sorgen hätten ihn nun zu der Überzeugung gebracht, dass ein Eingreifen Pacellis in die kirchlichen Strukturen Sachsens erforderlich sei. Es sei dem Nuntius schon bekannt, was für verschiedene Interessengruppierungen hinsichtlich der Bischofsfrage konkurrieren würden. Bertram fasste die komplexe Kirchenstruktur in Sachsen zusammen: Im westlichen Teil Sachsens, den Erblanden, übe ein vom Papst ernannter Apostolischer Vikar die episkopale potestas aus, in dem östlichen, kleineren Gebiet der Lausitz wähle das Domkapitel zu Bautzen ihren Dekan, der als Apostolischer Präfekt dieses Territorium verwalte – beide Ämter würden von derselben Person ausgefüllt. Demgegenüber mache sich heute das Bedürfnis nach einer neuen Organisation geltend, womit Bertram auf eine mögliche Restauration des Bistums Meißen anspielte. Der Fürstbischof machte auch auf die wichtige Nationalitätenfrage aufmerksam, die Kaas schon angedeutet hatte. Die Majorität der Katholiken in den Erblanden seien Deutsche, während die meisten Katholiken in der Lausitz wendische Wurzeln hätten. Im Bautzener Kapitel sei „der wendische Einfluss vorherrschend“20. In der Vergangenheit hätten Bischöfe – so die Einschätzung des Breslauer Kardinals –, die nicht vom Kapitel gewählt worden, sondern durch den Einfluss des Königs ins Amt gelangt seien, mit dem Widerstand der Domkapitulare zu kämpfen gehabt. Dieser Erfahrungswert müsse berücksichtigt werden.

Anlässlich der Exequien hatte Bertram nach eigenen Angaben schon die Initiative ergriffen und Kapitelssenior Skala gebeten, mit der Wahl des neuen Dekans noch zu warten. Dieselbe Anweisung diktierte er dem Nuntius mit der Begründung „wichtiger Interessen des Heiligen Stuhles“21 als Telegramm, das Pacelli an das Domkapitel richten sollte. Während die jeweiligen Leitungsgremien der beiden Jurisdiktionsbezirke – das Domkapitel in Bautzen und das Konsistorium in Dresden – kanonistisch nicht sehr beschlagen seien, könne der Nuntius für die kirchenrechtliche Neuordnung auf die Hilfe von Pater Watzl zurückgreifen. Dieser kenne sich nicht nur gut mit der Geschichte der sächsischen Kirche aus, sondern sei auch vertrauenswürdig. Außerdem stehe er mit dem Kapitel in guten Beziehungen. Bertram schien nicht zu wissen, dass diese Einschätzung nicht mehr aktuell war. Mittlerweile waren nämlich Spannungen zwischen Kapitel und Watzl aufgetreten, weil letzterer sein mit Löbmann gemeinsames Wirken zur Wiederherstellung des Meißener Bistums geheim gehalten hatte.22 Jedenfalls erklärte sich Bertram bereit, den Redemptoristenpater sub secreto nach München zur Audienz schicken, sofern Pacelli dies wünsche. Abschließend verwies der Kardinal auf die gegenseitige Angewiesenheit von Schlesien und Sachsen, die seine Einmischung – die er nicht intendiere – rechtfertigen sollte. Dass Bertram hier jedoch keine weitergehenden persönlichen Ambitionen verfolgte, ist unwahrscheinlich. Unter Rekurs auf eine Unterredung zwischen Bertram und Papst Pius XI. im Jahr 1923 vermutet Hans Friedrich Fischer, dass der Breslauer Kardinal „von Anfang an bei seinen Ratschlägen hinsichtlich der Wiedererrichtung des Bistums Meißen“ einen Plan verfolgte, der „einen Zusammenschluß der ostdeutschen Bistümer zu einer ostdeutschen Kirchenprovinz mit Sitz in Breslau“23 vorsah.

Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939

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