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Pacellis Sachsenreise und die Kritik des Dresdener Konsistoriums

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Am Samstag, dem 25. Juni, einen Tag vor den Feierlichkeiten, reiste Pacelli aus München ab.239 Die Sachsenreise dauerte fünf Tage, sodass er am Abend des 30. des Monats wieder in der bayerischen Hauptstadt eintraf.240 Am 2. Juli verfasste er einen ausführlichen Bericht für den Kardinalstaatssekretär, in dem er die Ereignisse um die Wiedererrichtung der Diözese Meißen Revue passieren ließ und anhand dessen man diese aus Pacellis Perspektive betrachten kann.241 Auf der Eisenbahnreise wurde der Nuntius von einem nicht namentlich genannten Sekretär sowie von Prinz Alexander Schönburg-Hartenstein begleitet und in Hof, der letzten Station des bayerischen Staatsgebietes, von Skala und dem Plauener Pfarrer, Heinrich Seidler, empfangen. Dann ging es über Plauen, Reichenbach, Zwickau, Chemnitz, Freiberg und Dresden nach Bautzen.

Am nächsten Morgen begann der Festakt im Kapitelspalast mit der Übergabe von Dokumenten und Pontifikalinsignien, woraufhin der neue Apostolische Protonotar Skala im Dom das Dekanat in Besitz nahm.242 Pacelli zelebrierte anschließend ein Pontifikalamt, in dem nach dem Evangelium Domkapitular Eberhard Klein von der Kanzel die Wiedererrichtung des Bistums Meißen verkündete.243 Dazu verlas er ein offenbar von Watzl verfasstes und von Pacelli unterzeichnetes Manuskript – die Errichtungsbulle war ja noch nicht eingetroffen –, das zunächst die Geschichte der katholischen Kirche in Sachsen als ein Werk der Providenz schilderte, das schließlich in der Errichtung der Meißener Diözese im 10. Jahrhundert kulminiert sei.244 Nach ihrem Untergang infolge der Reformation sei die Zeit nun reif, dass der bischöfliche Stuhl des heiligen Benno wiedererrichtet werde. So habe Papst Benedikt XV. „den drängenden Bitten der Priester und Gläubigen stattgegeben“245 und „mich beauftragt [die] Wiederherstellung [der] Diözese Meißen im Bereich der Grenzen [des] Apostolischen Vikariates [der] sächsischen Erblande und [der] kirchlichen Administratur [der] sächsischen Oberlausitz zu verkündigen“246. Der Nuntius war sehr beeindruckt vom Zustrom der Menschen, Katholiken und Protestanten, auch der weltlichen Autoritäten, die an der Zeremonie teilnehmen und den päpstlichen Vertreter begrüßen wollten.247 Ähnliche Impressionen erhielt Pacelli in der die nächsten drei Tage ausfüllenden Visitation sächsischer Orte, wie die alten Zisterzienserklöster von Marienstern und Mariental, Schigiswalde als das einzig rein katholische Örtchen Sachsens, und schließlich Dresden und Leipzig:248

„Ich kann Eurer Eminenz nicht den enthusiastischen Empfang beschreiben, den die katholischen Einwohner dem Gesandten des sehr von ihnen geliebten Heiligen Vaters bereitet haben, denen, verstreut in einem Land von sehr großer protestantischer Mehrheit, bis vor ein paar Jahren eine eiserne Gesetzgebung nicht einmal erlaubte, zu atmen. Es war wie eine Explosion der Freude nach der langen und bedrückenden Knechtschaft, ein wirklicher Triumph des Papstes, dem sich die Abgefallenen gebeugt haben. In der Lausitz empfingen mich die wendischen (slawischen) Einwohner in ihren traditionellen Kostümen, die wie ein wahres Fest der Farben erschienen; von einer Gemeinde zur anderen lösten sich zahllose Begleiter der ersten Familien einander dabei ab, mein Fahrzeug249 zu begleiten; die katholischen Verbände waren versammelt mit ihren verschiedenen Bannern, die sie auf meinen Weg senkten; die Kinder warfen mit vollen Händen Blumen auf meinen Weg und mein Fahrzeug, und das Volk, auch aus den umliegenden Orten herbeigeeilt, drängte sich in so großer Zahl zusammen, dass es sich für das Auto als schwierig erwies, weiter zu fahren. Bewundernswert war dann die Frömmigkeit, der Glaubensgeist, die Andacht, die Männer und Frauen, alte und junge, in der Kirche zeigten, vor allem im Empfang des päpstlichen Segens, und bewegend und beeindruckend war der Gesang des Te Deum, mit dem die katholisch Bevölkerung, geprüft vom weltlichen Kampf, dem Herrn ihre Freude und ihre Dankbarkeit ausdrückte.“250

Im zweiten Teil seiner Berichterstattung kam Pacelli auf die sächsische Regierung zu sprechen. Er referierte Gasparri seine Replik auf die Anfrage Dziembowskis und berichtete, dass er am 29. Juni den sächsischen Ministerpräsidenten, Johann Wilhelm Buck, in Dresden aufgesucht habe, obwohl die Regierung „ausschließlich sozialistisch und gegenüber der Kirche feindlich“251 gesinnt sei. Wenngleich der Genannte nicht zu den radikaleren Mitgliedern der Regierung gehöre, dürfe nicht vergessen werden, dass er vormals Kultusminister gewesen sei und in dieser Funktion vehement die Einheitsschule unterstützt habe:252

„Nichtsdestotrotz wollte er mir versichern, dass man sich nach den verschiedenen religiösen Konfessionen richte und daher auch gegenüber den Katholiken nach den Kriterien der Toleranz, Freiheit und Gleichheit in der Behandlung; ich benutzte die Gelegenheit, gegen die sozialistische Auffassung von der Einheitsschule das heilige Recht der katholischen Eltern zu vertreten, für ihre Kinder katholische Schulen zu haben.“253

Doch könne man der aktuellen sächsischen Regierung darin nicht vertrauen. Immerhin sei er von Buck mit Herzlichkeit empfangen worden. Gemäß Gasparris Weisung habe er – so beteuerte Pacelli – den Ministerpräsidenten erneut – nämlich wie schon gegenüber Dziembowski – auf das Wohlwollen der Kirche hingewiesen, dem Regierungswunsch entsprechend einen deutschen Geistlichen zum Meißener Diözesanbischof zu nominieren.254

Auf die Pläne zur Bistumserrichtung hatte Pacelli den sächsischen Gesandten bereits am 18. Juni aufmerksam gemacht. Zwei Tage später hatte auch das Bautzener Domkapitel das Kultusministerium offiziell vom Beschluss der Wiederherstellung der Diözese unterrichtet.255 Über diesen Schritt war die sächsische Regierung also rechtzeitig informiert worden, nur habe die Staatskanzlei – wie Hans Friedrich Fischer eine Stellungnahme des Regierungsrats Kurt Otto von Zimmermann aus dem sächsischen Kultusministerium vom 12. März 1930 zusammenfasst – „dem aber nicht so große Bedeutung beigemessen, und deshalb sei es versäumt worden, rechtliche Bestimmungen über die Ernennung von Bischöfen zu vereinbaren“256. Angesichts der kirchlichen Freiheiten, die die WRV gewährte, wäre der Wunsch der sächsischen Regierung nach einer formalen Mitwirkung bei der Besetzung des bischöflichen Stuhls bei Pacelli wohl nur mittels eines Konkordats und das heißt mit entsprechenden Gegenleistungen durchsetzbar gewesen. Doch ein Staatskirchenvertrag mit Sachsen schien dem Nuntius angesichts der politischen Situation völlig undenkbar. Daher machte er in dieser Richtung auch keinerlei Anstalten und sah einzig ein Reichskonkordat als Lösung für Sachsen an. Taktisch klug stellte Pacelli die Wiederherstellung des Bistums gegenüber Buck als einen rein innerkirchlichen Akt dar. Dadurch versuchte er einerseits der Vorstellung entgegenzuwirken, dass aus der Bistumsgründung dem sächsischen Staat irgendwelche neuen Einflussrechte erwachsen könnten, während andererseits dessen alte Verpflichtungen, wie die finanziellen Leistungen, als nach wie vor gültig erscheinen mussten.257 Bis auf seine Zusage, dass ein deutscher Staatsbürger den neu errichteten Bischofsstuhl besteigen werde, hatte Pacelli die sächsische Regierung aus der Besetzung also herausgehalten.

Seine Reise bewertete Pacelli als vollen Erfolg.258 Ausgesprochen negativ war jedoch die Stimmung in Dresden. Das Konsistorium meldete sich am 12. Juli beim Nuntius zu Wort und monierte, aus dem Prozess der Bistumserrichtung und der Besetzung des Bischofsstuhls völlig herausgehalten worden zu sein.259 Die jeweils unbestimmt und allgemein gehaltenen Antworten des Nuntius auf die Eingaben aus Dresden vom 22. Dezember 1920 beziehungsweise vom 24. Januar 1921 waren also nicht mit Zufriedenheit aufgenommen worden. Die Absender kritisierten, wegen fehlender Informationen von der Errichtung der Diözese völlig überrascht worden zu sein. Weil sie jedoch das Vertrauen des verstorbenen Administrators Löbmann besessen hätten, sei ihr Recht, zu dieser Angelegenheit gehört zu werden, größer als das Watzls, der nicht dem Meißener Klerus angehöre. Um den Redemptoristen beim Nuntius zu diffamieren, erklärten sie, dass dessen Urteil auf Grund seiner Fremdheit leicht falsch ausfallen könne. Auch glaubten sie, ihre Vernachlässigung resultiere aus einem Zweifel an ihrer kirchlichen Gesinnung, da das Konsistorium zum Teil aus Laien bestehe und 1827 durch königliches – nicht kirchliches – Mandat ins Leben gerufen worden sei. Dagegen bezeuge die hundertjährige Tätigkeit der Behörde das Gegenteil. Damit das Vertrauen des erbländischen Klerus und ihr eigenes nicht noch weiter verletzt würde, baten sie darum, an den weiteren Planungen beteiligt zu werden.260

Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939

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