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Die Bekanntgabe des neuen Diözesanbischofs

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Für eine Beteiligung war es jedoch zu spät, die wesentlichen Entscheidungen waren schon getroffen worden. Was war aber eigentlich mit dem neuen Diözesanbischof? Watzl hatte ursprünglich vorgeschlagen, den Namen anlässlich der Wiedererrichtung öffentlich zu kommunizieren. Pacelli hatte darauf jedoch verzichtet. Im watzlschen Entwurf der Proklamationsrede hieß es dazu lediglich, dass mit „der vorläufigen Verwaltung“ der neuen Diözese Skala betraut sei, „bis zur kanonischen Besitzergreifung des neuen Oberhirten“261. Doch Pacelli ließ diesen Abschnitt streichen, sodass über die Administration oder den neuen Diözesanbischof kein Wort verloren wurde.262 Auch Kanoniker Klein, der die Restauration des Bistums verkündet hatte, kannte am 2. Juli die Person des neuen Diözesanbischofs noch nicht, als er sich für den Besuch des Nuntius bedankte.263 Das offizielle Dankesschreiben des Meißener Domkapitels vom 10. Juli endete mit dem hoffnungsvollen Satz: „Wir erhoffen von der Güte des Heiligen Vaters das baldige Eintreffen eines Diözesanbischofs (in der Reihe der Bischöfe Meißens der 42.), der als ein guter Hirte nach dem Herzen des göttlichen Erlösers seine Herde zur Weide des Heils führt.“264 Offenbar wollte Pacelli erst die Wiedererrichtungsfeierlichkeiten ohne eventuelle Kritik, die durch die Ernennung Schreibers – einem deutschen, nicht-wendischen und nicht-sächsischen Priester – provoziert werden könnte, über die Bühne bringen. Nun erst erschien ihm die Zeit reif, die Wahl des Heiligen Stuhls, die eigentlich Bertrams und seine Wahl war, dem Domdekan und Administrator Skala zu kommunizieren:

„Nachdem nun die Meißner Diözese glücklich wieder ins Leben getreten ist, hat sich der Heilige Vater in seiner väterlichen Fürsorge alle Mühe gegeben, einen geeigneten und seeleneifrigen Hirten zu finden, der, unterstützt vom Domkapitel, das Wohl der katholischen Kirche in Sachsen kräftig zu fördern imstande wäre.

Nach reiflicher Überlegung und huldvoller Würdigung der obwaltenden Verhältnisse hat Seine Heiligkeit das Augenmerk auf den Hochwürdigen Herrn phil. et theol. Dr. CHRISTIAN SCHREIBER, Regens des Priesterseminars zu FULDA, gelenkt und ihm den Bischofsstuhl des h[eiligen] Benno anzuvertrauen Allergnädigst beschlossen.“265

Über die vorzüglichen Eigenschaften des Genannten seien dem Heiligen Vater „einstimmig anerkennende und lobende Urteile zugegangen“, sodass die Zuversicht angebracht sei, dass Schreiber „sein hohes Hirtenamt aufs beste verwalten werde“266. Indem Pacelli anschließend die Geschichte des Domstifts rühmte, das durch die Jahrhunderte dem Heiligen Stuhl die Treue gehalten habe, insinuierte er eine Bringschuld, „dass das hochwürdige Domkapitel diesen gnädigen und wohlwollenden Entschluss S[einer] Heiligkeit mit freudiger Genugtuung aufnehmen wird“267.

Am gleichen Tag übermittelte der Nuntius die Neuigkeit nach Dresden an Präses Hartmann und verteidigte sich dabei gegen die Beschwerde des geistlichen Konsistoriums vom 12. Juli.268 Hatte dieses sich auf das Vertrauen berufen, das ihm der verstorbene Löbmann geschenkt habe, so berief sich Pacelli auf den innigsten Wunsch Löbmanns, die Diözese Meißen wiederherzustellen, dem der Papst entsprochen habe. Außerdem habe er neben anderen kompetenten Persönlichkeiten nicht nur die Geistlichkeit in Bautzen, sondern ebenso in Dresden gehört. Damit hatte er durchaus Recht, das Konsistorium hatte mehrfach seine Überlegung hinsichtlich der Bistumserrichtung und der Bischofsbestellung geäußert. Nur Pacelli hatte ihren Vorstellungen einfach nicht entsprochen. Eine Kritik daran hielt er für unangebracht: „Den Entschluss über die erwähnte Wiederherstellung fasste der Heilige Stuhl, vollkommen unterrichtet, nach eigenem Ermessen, einzig zum Wohl der katholischen Kirche in Sachsen.“269 Außerdem sei schließlich die letzte Genehmigung aus Rom erst kurz vor den Feierlichkeiten eingetroffen, die Errichtungsbullen würden sogar immer noch auf sich warten lassen. Pacelli verwies darüber hinaus auf die Praxis, dass dieserart Mitteilungen an die Domkapitel grundsätzlich nur an den Rangältesten gingen, der diese wiederum weiterzugeben habe. Ebenso deklarierte der Nuntius die übrigen Vorwürfe als haltlos, zum einen was die finanzielle Sicherung der Konsistorialbeamten anbelangte, die er mit dem sächsischen Ministerpräsidenten bereits geklärt habe, und zum anderen was die Anzweiflung ihrer kirchlichen Gesinnung betraf. Schließlich sei die Ernennung des neuen Oberhirten – so Pacelli weiter – direkt vom Heiligen Stuhl ohne Partizipation des Bautzener Kapitels vollzogen worden. Beide Gremien waren seiner Ansicht nach also völlig gleich behandelt worden, was Pacelli formal dadurch unterstrich, dass er den oben zitierten Passus, mit dem er Skala den Namen des neuen Oberhirten anzeigte, wörtlich für Hartmann wiederholte. Dementsprechend erwartete er vom Konsistorium einen ebenso klaren Gehorsam gegenüber der päpstlichen Entscheidung, wie vom neuen Meißener Kathedralkapitel.

Der Präses gab sich auf diese autoritäre Zurechtweisung versöhnlich.270 Ohne auf die Person Schreibers weiter einzugehen, bekundete er seine Freude darüber, dass ein neuer Oberhirte gefunden war. Im Namen der katholisch-geistlichen Behörden in Dresden wünschte er diesem, „in unseren so schwierigen Verhältnissen viele Jahre zum Heile unserer Diözese wirken“271 zu können. Darüber hinaus versicherte er, dass die Mitglieder des Konsistoriums und der ganze erbländische Klerus mit gleichem Einsatz und derselben Gewissenhaftigkeit weiterarbeiten würden wie bisher.

Am 14. Juli, am gleichen Tag, an dem der Nuntius die beiden obersten Behörden der ehemaligen sächsischen Jurisdiktionsbezirke von der Identität des neuen Bischofs in Kenntnis setzte, zeigte er die Entscheidung des heiligen Stuhls auch dem Ordinarius des electus, Bischof Schmitt von Fulda, an.272 Schreiber erfuhr also nur über seinen Ordinarius und vor allem erst nachdem die Entscheidung bereits an die sächsische Geistlichkeit kommuniziert und daher fast schon irreversibel war, dass man ihn für den Meißener Bischofsstuhl ausgewählt hatte.273 Pacelli vertraute darauf, dass Schmitt auf seinen so wichtigen Mitarbeiter aus Ergebenheit gegenüber dem Heiligen Stuhl verzichten werde. Gleichzeitig betraute er ihn damit, den kanonischen Prozess ohne Zeitverlust durchzuführen.274 Den Fuldaer Oberhirten traf diese Nachricht schwer, wie er knapp eine Woche später Pacelli anvertraute.275 Die Unersetzlichkeit Schreibers sei sogar so groß, dass er überlegt habe, den Papst um eine Revision seiner Entscheidung zu bitten. Doch fügte er sich in den päpstlichen Willen, hinter dem er die Vorsehung ausmachte und fand auch ein Gutes an Schreibers Promotion auf den bischöflichen Stuhl von Meißen: „Ein Trost ist für mich, dass mit dem neuen Bischofe von Meißen im Laufe des Jahres nach dem Bischofe von Mainz276 der dritte Germaniker in das Kollegium der deutschen Bischöfe eintreten wird, nachdem ich seither der einzige so lange Zeit war.“277 Auf diese in den Augen Schmitts besondere Qualifikation ging Pacelli in seiner Entgegnung vom 25. des Monats nicht ein.278 Zwar hatte er Verständnis für die Sorgen des Fuldaer Oberhirten, verwies aber auf „die in weiten Kreisen bekannt gewordene vielseitige Tüchtigkeit Dr. Schreibers, welche die Augen des Heiligen Vaters auf ihn gelenkt hat, als es galt, für die mit eigenartigen Schwierigkeiten kämpfende wiedererstandene Diözese Meißen den geeigneten Mann zu finden“279.

Wie reagierte man in Bautzen auf die Nomination Schreibers? Skala machte dem Fuldaer Regens sofort im Namen des gesamten Kapitels telegraphisch seine Aufwartung, bevor er zusammen mit Pater Watzl die Reise nach Fulda antrat. Dort besprachen sie mit Schreiber die zunächst nötigen Erledigungen für einen erfolgreichen Beginn seines Episkopats und des wiedererstandenen Bistums. Am 29. Juli sandten sie dem Nuntius aus der preußischen Bistumsstadt ein Telegramm mit der Information, dass Schreiber soeben vereidigt worden sei.280 Daraufhin wandte sich Pacelli erstmals persönlich an „seinen“ Kandidaten und entrichtete knapp seine Glückwünsche.281 Nach ihrer Rückkehr verfasste Skala das offizielle Antwortschreiben auf die Notifikation des Nuntius vom 14. Juli und ließ durchblicken, dass man in Bautzen mit dem neuen Oberhirten zufrieden war:

„Von der Reise zurückgekehrt, die wegen großer Hitze anstrengend genug war, habe ich die höchste Ehre, was ich telegraphisch Eurer Exzellenz schon bezeichnet hatte, nochmals auszudrücken, dass ich und das gesamte Kapitel zu St. Peter und die Katholiken Sachsens dem Heiligen Vater fröhlich gehorchend den Ehrwürdigen Herrn Schreiber als Bischof mit der geschuldeten Ehrfurcht empfangen und ihn mit kindlicher Liebe begleiten wollen, sodass durch wechselseitige Eintracht und Hilfe unsere geliebte Diözese aufblühe!“282

Diese Stimmung – Pacelli bezeichnete sie als „Genugtuung“ des Bautzener Kapitels inklusive seines Seniors – nahm der Nuntius mit „aufrichtiger Freude“283 zur Kenntnis. Als Termin für die Bischofsweihe, die Bischof Schmitt vornehmen sollte, peilten sie den 24. August an, während der nächsten Bischofskonferenz in Fulda, da auch der erste Bischof von Meißen, Burchard, seinerzeit während einer Versammlung der deutschen Bischöfe in Magdeburg geweiht worden sei. Pacelli hatte nichts dagegen einzuwenden und übersandte diese Bitte zusammen mit den Informativprozessakten, die gleichzeitig aus Fulda eintrafen, am 5. August an den Kardinalstaatssekretär.284 Dem Domdekan gegenüber verschwieg er allerdings die Befürchtung nicht, dass die Zeit bis zum genannten Termin nicht ausreichen könnte, da nach Eintreffen der Prozessakten in Rom erst noch die Ernennungsbullen angefertigt werden müssten.285

Eine inoffizielle Einschätzung schließlich, was man in Bautzen vom neuen Bischof hielt, fertigte Watzl am 3. August für den Nuntius an.286 Nach seiner Auffassung hatten sowohl Skala als auch die übrigen Domkapitulare die Kandidatenanzeige des Nuntius vom 14. Juli „ruhig und gelassen aufgenommen, da die gänzlich unbekannte Persönlichkeit Dr. Schreibers die Neugierde ungemein fesselte und somit für Kritik kaum noch Raum blieb“287. In Sachsen sei man gemeinhin – soweit er die Lage überschauen könne – sehr zufrieden, dass ein auswärtiger Geistlicher, der den hiesigen Einflüssen resistent sein musste, ausgewählt worden sei. Widersacher scheine es nicht zu geben und die wendischen Katholiken würden sich darüber freuen, dass es kein Priester aus dem ehemaligen Apostolischen Vikariat der Erblande mit seinen exaltiert nationalistischen Strömungen geworden sei. Die Persönlichkeit Schreibers habe bei dem Besuch in Fulda positive Impressionen auch beim Domdekan ausgelöst, sodass dieser „guter Dinge“ geblieben sei und sich „herzlich über den tüchtigen Bischof, den Sachsen zu erwarten hat“288, gefreut habe.

Mit der Wahl Schreibers konnten scheinbar alle beteiligten Parteien leben. Wahrscheinlich hatte Pacelli mehr Widerspruch erwartet, da er die Bekanntgabe des neuen Oberhirten auf ein Datum nach der Wiedererrichtung der Diözese vertagt hatte und so ausschließen wollte, dass Ärger die Feierlichkeiten überschattete. Aber die Unbekanntheit des Fuldaer Regens verhinderte jede Voreingenommenheit auf Seiten der sächsischen Katholiken, was bei einer Ernennung Watzls gewiss anders gewesen wäre. Schreiber war nun bestrebt, die Situation der sächsischen Diözese mit dem Nuntius zu besprechen. Dafür reiste er zu einer Audienz am 11. August nach München.289 Gesprächsthema war neben der Person Skalas und Pacellis Rundreise in Sachsen auch die noch immer unklare Stellung Watzls, den Schreiber als Unterstützer für die Frühphase seines Amtes behalten wollte.290 Wie der Nuntius an den Redemptoristen schrieb, intendiere der neue Oberhirte, sich bei den Ordensoberen dafür einzusetzen. Das führte zumindest zu teilweisem Erfolg, insofern der Ordensgeneral auf die Anträge Schreibers hin Watzl den Aufenthalt in Bautzen noch bis zum März des folgenden Jahres gestattete.291 Watzl persönlich erschien dieser Zeitraum jedoch als zu kurz, um die größeren Probleme effektiv lösen zu können. Weitere Empfehlungen von Schreiber und Bertram an die Religiosenkongregation in den folgenden Monaten erreichten schließlich, dass der Pater bis zum Sommer 1923 in Bautzen bleiben konnte.292

Die weitgehend positive Resonanz auf den neuen Bischof bedeutete jedoch nicht, dass es nicht sofort Konfliktpotenzial zwischen ihm und seinem Domdekan gab. Es ging um die Frage des bischöflichen Haushalts. In Fulda hatten Schreiber, Skala und Watzl auch über dieses Thema debattiert und letztere dem ersteren abgeraten, auf einen eigenen Haushalt zu insistieren. Nach den Vorüberlegungen Watzls über die Dotation des Diözesanbischofs war stattdessen vorgesehen, dass der neue Oberhirte aus finanziellen Gründen zusammen mit dem Domdekan im Dekanat wohnen sollte.293 Nachdem Schreiber über diese Frage noch einmal nachgedacht hatte, reifte in ihm die Überzeugung, „dass es im Interesse der bischöflichen Wirksamkeit unerlässlich ist, dass ich einen eigenen Haushalt habe und einen eigenen Tisch führe“294, wie er an Skala schrieb. Seine bischöflichen Pflichten könne er „mit viel mehr Freiheit, Diskretion und Ansehen ausüben“295, wenn er in seinem Privatleben diese Autonomie besitze. Da sich die drei Geistlichen über diese Probleme offenbar nicht selbst einigen konnten, schaltete Watzl den Nuntius ein, dem er Schreibers Forderung vorlegte, nachdem er sie mit persönlichen, kritischen Anmerkungen versehen hatte. Zusammenfassend konstatierte er, dass diese Angelegenheit das Verhältnis zum neuen Bischof bereits belaste: „Dieses Schreiben … hat H[ochwürden] Domdechant trotz anfänglicher Sympathien arg verstimmt. Mit der Einrichtung eines eigenen Haushaltes fällt die eigentliche Grundlage der Dotation.“296 Da dieses Dokument erst am Tag nach der Audienz Schreibers in der Nuntiatur eintraf, konnte Pacelli ihn nicht mehr darauf ansprechen. Ohnehin wollte er sich damit nicht weiter beschäftigen, sondern verwies dieses Problem in den Aufgabenbereich des Domstiftes.297 Außer einigen Details298 war das Wesentliche – die Bistumsgründung und die Einsetzung des Diözesanbischofs – erledigt, sodass sich beim Nuntius eine gewisse Abschlussstimmung bemerkbar machte, die er mit einem Lob für den Redemptoristen verband:

„Zum Schlusse verleihe auch ich mit Dank gegen Gott meiner Befriedigung Ausdruck darüber, dass trotz mancher Schwierigkeiten doch alles zu einem schönen Ende geführt werden konnte. Dabei vergesse ich nicht, was Euer Hochwürden regulare Bescheidenheit vertuschen möchte, dass Sie ein vornehmliches Werkzeug in der Hand Gottes geworden sind, den letzten Wunsch des Hochseligen Bischofs Löbmann zu erfüllen.“299

Was jetzt noch ausstand, waren die Weihe des neuen Bischofs und seine Besitzergreifung der Diözese.

Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939

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