Читать книгу Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939 - Raphael Hülsbömer - Страница 7

Der Tod von Bischof Franz Löbmann und die Frage der Wiederbesetzung des Apostolischen Vikariats

Оглавление

Die Bestrebungen zur Wiedererrichtung des Bistums Meißen verliefen mit der Frage, wer den neu zu errichtenden Bischofsstuhl bekommen sollte, parallel und sind nicht voneinander zu trennen. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der damalige Apostolische Vikar von Sachsen und Administrator der Lausitz, Bischof Aloys Schäfer, bei Nuntius Andreas Frühwirth mit dem Vorschlag vorstellig, die beiden Jurisdiktionsbezirke in den sächsischen Erblanden und in der Lausitz zusammenzufügen. Diese Pläne verfolgte nach den politischen Umwälzungen in Deutschland infolge des Ersten Weltkriegs Bischof Franz Löbmann, der Nachfolger Schäfers, weiter. Unterstützung erhielt dieser von seinem Sekretär, dem Redemptoristenpater Joseph Watzl aus Philippsdorf, der für die Feier des siebten Zentenars des Bautzener Domkapitels St. Petri 1921 eine Geschichte des Kapitels verfasste und sich daher mit den kirchlichen und jurisdiktionellen Strukturen der sächsischen Kirche gut auskannte. Löbmann bat Watzl, über ihre Bemühungen zur Wiedererrichtung der Diözese Stillschweigen zu bewahren, das erst der Registrator und spätere Obersekretär am Bautzener Ordinariat, Nikolaus Halke, der ebenfalls in die Pläne eingeweiht war, nach einer schweren Erkrankung Löbmanns im Oktober 1920 brach und das Domkapitel darüber informierte. Dieses förderte unter dem Kapitelssenior Jakob Skala die Bestrebungen. Skala reichte zusammen mit dem Kanoniker Nikolaus Sauer am 17. November 1920 eine Supplik bei Papst Benedikt XV. ein, in der „sie um die Vereinigung der beiden bischöflichen Gewalten – des Apostolischen Vikars im Königreich Sachsen und des Domdekans des Domstiftes St. Petri zu Bautzen – zu einer bischöflichen Gewalt mit Sitz in Bautzen baten“7.

Der Münchener Nuntius Pacelli hatte von der Erkrankung des Apostolischen Vikars Löbmann in der Zeitung gelesen und entrichtete ihm Mitte Oktober einen Genesungswunsch, verbunden mit der Bitte, mitzuteilen, wie schwer sein Gesundheitszustand angegriffen sei.8 Offensichtlich spielte Pacelli bereits in Gedanken eine mögliche Nachfolgeregelung für das Doppelamt durch. Sensibilisiert dafür war er durch die gleichzeitig schwelende Koadjutorfrage für den schwer kranken Bischof Kirstein in Mainz. Eine Antwort aus Dresden erhielt Pacelli vom Präses des katholisch-geistlichen Konsistoriums, Alexander Hartmann, die für die Gesundung Löbmanns nichts Gutes ahnen ließ.9 Dessen Zustand verschlechterte sich rapide, sodass der Dekan des Bautzener Kapitels Skala Mitte November das baldige Ableben Löbmanns vorhersagte.10 Dieser starb schließlich am 4. Dezember 1920, worüber das Bautzener Kapitel dem Nuntius sofort Mitteilung machte, der die Trauernachricht wiederum umgehend an Kardinalstaatssekretär Gasparri übermittelte.11

Während man sich in Dresden nunmehr vornehmlich Gedanken machte, wie eine rechtlich fundierte Abwicklung der Amtsgeschäfte während der Vakanz des Apostolischen Vikariats vor sich gehen konnte,12 ging es Pacelli um die grundlegende Frage der Neubesetzung. Rat holte er sich vom Zentrumspolitiker Kaas, der vor kurzem sein kanonistischer Berater geworden war.13 Dieser verfolgte im Umgang mit der staatlichen Autorität eine klare Linie:

„Wegen der Neubesetzung des Apostolischen Vikariats in Sachsen rate ich unbedingt, via facti ohne jede Verständigung mit der Regierung vorzugehen. Wenn irgendwo, dann ist in Sachsen, wo aber wieder eine rein sozialistische Regierung das Ruder ergriffen hat,14 die Gelegenheit gegeben, den in der Reichsverfassung ausgesprochenen Grundsatz der freien kirchlichen Ämterbesetzung zur Geltung zu bringen. Ein auch nur kleines Abweichen davon würde hier, wo keinerlei rechtliche Bindungen vorliegen, von dem katholischen Volk nicht verstanden werden.“15

Der Zentrumsprälat hatte die Rechtsfragen zuvor – sicherlich im Auftrag des Nuntius – mit dem früheren sächsischen Justizminister – derzeitig Reichsjustizminister und Vizekanzler –, Rudolf Heinze, erörtert. Sogar dieser habe sich – so Kaas – „im Sinne vollständiger Freiheit des Heiligen Stuhles“16 geäußert, was nichts anderes bedeutete, als dass Rom den Apostolischen Vikar frei ernennen konnte. Als Kandidat für die Nachfolge Löbmanns war Kaas der Ehrendomherr Franz Müller aus Bautzen genannt worden. Jedoch habe er von dem Wunsch der wendischen Geistlichkeit gehört, dass eine Person ihrer Nationalität das Amt bekleiden möge.

Hier klingt bereits die zentrale Spannung an, welche die Metastruktur für die Besetzung des Meißener Bistums bilden sollte: der Konflikt zwischen Deutschen und Sorben (Wenden).17 Das slawische Volk stellte in der Lausitz eine nicht unbedeutende Minderheit dar, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein verstärktes Nationalbewusstsein entwickelte. Das Ende des Ersten Weltkriegs und die Gründung der Tschechoslowakischen Republik nährte in ihr die Hoffnung auf die Autonomie des sorbischen Gebiets. Diese sorbischen Autonomiebestrebungen wurden von deutscher Seite kritisch beäugt. Dazu kam, dass die deutsche Kriegsniederlage und die erdrückenden Lasten, die der Versailler Vertrag Deutschland aufbürdete, die deutschnationalen Bestrebungen verschärften, insbesondere in den Grenzgebieten und so auch in Sachsen. Die sächsische, preußische und die Reichsregierung fuhren einen dezidiert antisorbischen Politikkurs.18 Vor diesem Hintergrund sind die nationalistischen Auseinandersetzungen zu verstehen, die sich ganz besonders um die Person des Kandidaten für den Bischofsstuhl von Meißen entfalten sollten.

Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939

Подняться наверх