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IX. Wiederholte Überprüfung (res iudicata)/Litispendenz

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Der Gerichtshof befasst sich nicht mit einer Individualbeschwerde, die im Wesentlichen mit einer schon früher vom Gerichtshof geprüften Beschwerde übereinstimmt (Identität von Beschwerdegegenstand, dazu sogleich Rn. 237) oder bereits einer anderen internationalen Untersuchungs- oder Vergleichsinstanz unterbreitet worden ist (Art. 35 Abs. 2 lit. b EMRK).

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Für die Unzulässigkeit nach Art. 35 Abs. 2 lit. b EMRK wegen der Identität mit einer bereits vom EGMR geprüften Beschwerde genügt es, wenn ein inhaltsgleiches Gesuch bereits früher Gegenstand einer Sachentscheidung war. Dies ist auch der Fall, wenn die Beschwerde als offensichtlich unbegründet oder als unvereinbar mit der EMRK ratione materiae und damit als unzulässig i.S.v. Art. 35 Abs. 3 EMRK zurückgewiesen wurde, da die vorgenannten Abweisungsgründe eine summarische Sachentscheidung miteinschließen.[259] Hingegen kann nach einer Abweisung aus rein formalen Gründen, etwa wegen Nichterschöpfung des nationalen Rechtswegs oder wegen sonstiger formaler Mängel oder wegen des Beschwerderechts, die Beschwerde erneut eingelegt werden, sobald das Hindernis beseitigt wurde.[260] Insbesondere bei Nichtdurchlaufen des nationalen Rechtswegs wird der noch nicht ergriffene nationale Rechtsbehelf aber mittlerweile regelmäßig verfristet sein.

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Dieselbe Angelegenheit darf außerdem weder parallel durch eine andere internationale Kontrollinstanz geprüft werden, noch geprüft worden sein. Das Kumulationsverbot („una via electa“) soll verhindern, dass mehrere internationale Menschenrechtsschutzinstanzen neben- oder nacheinander mit der gleichen Sache, also bei Übereinstimmung von Beschwerdeführer, Sachverhalt und Beschwerdegegenstand, befasst werden. Die Anforderungen an die Instanzen hat der EGMR in seiner Rechtsprechung konkretisiert: Die Verfahren müssen zwischenstaatlich sein und zugleich nicht durch private Institutionen eingerichtet. Das Entscheidungsgremium muss unabhängig sein und die Anforderungen an ein „Gericht“ nach den Vorgaben der Art. 6 Abs. 1 EMRK erfüllen.[261] Das Verfahren muss adversatorisch sein, die Entscheidungen müssen begründet, den Parteien zugestellt und veröffentlicht werden. Das Verfahren darf weder (nur) präventiver Natur noch vertraulich sein. Die Parteien müssen zumindest in irgendeiner Weise an dem Verfahren selbst beteiligt werden. Der Spruchkörper muss die Befugnis haben, Verantwortung festzustellen und der Verletzung ein Ende zu setzen. Zudem muss das Verfahren effektiv sein.[262]

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Als solche Instanzen gelten der UN-Menschenrechtsausschuss (Human Rights CommitteeHRC), die UN-Antifolterausschuss (Committee Against TortureCAT) und die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen.[263] Dagegen kann das Verfahren vor dem UN-Menschenrechtsrat (Human Rights Council)[264] parallel bzw. nach dem Abschluss des Individualbeschwerdeverfahrens vor dem EGMR beschritten werden.[265]

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Die Prüfung durch eine andere internationale Instanz steht der Individualbeschwerde nach Art. 35 Abs. 2 lit. b EMRK vom Beginn der Anhängigkeit an und auch noch nach Erledigung des dortigen Verfahrens[266], also dauerhaft entgegen (Verfahrenshindernis), nicht aber, wenn sie dort vor einer Sachentscheidung zurückgenommen worden ist.[267]

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Eine Beschwerde betrifft inhaltlich denselben Gegenstand, wenn Sachverhalt, Beschwerdegegenstand und Beschwerdeführer identisch sind. Ob eine weitere Beschwerde zulässig ist, bestimmt sich nach einem Vergleich der zugrunde liegenden Sachverhalte. Die Sachlage zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung muss sich gegenüber derjenigen zum Zeitpunkt der erneuten Beschwerdeeinlegung verändert haben, also neue Tatsachen enthalten (neue rechtliche Ausführungen und Argumente genügen dagegen nicht).

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Es genügt aber nicht, wenn nur Tatsachen ergänzt werden, die der Bf. auch schon vorher hätte vortragen können. War dem Bf. die Kenntnisnahme von Tatsachen vor Einlegung der (ersten) Beschwerde nicht möglich, handelt es sich zwar noch um denselben Sachverhalt, jedoch kann dann ein Antrag nach Rule 80 (siehe Rn. 536) gestellt werden.

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An der Übereinstimmung mit einer bereits vorher behandelten Beschwerde fehlt es, wenn verschiedene Personen wegen des gleichen Sachverhalts eine Verletzung ihrer eigenen Konventionsrechte geltend machen.[268]

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Ob ein Verfahren vor einer anderen internationalen Instanz entgegensteht bzw. ob ein Fall im Wesentlichen mit einer bereits behandelten Beschwerde übereinstimmt, prüft der Gerichtshof von Amts wegen.[269] Schon bei Einreichen der Beschwerde hat sich der Bf. dazu zu äußern bzw. Stellung zu beziehen (Rule 47 Abs. 2 lit. b).

Teil 1 Europäischer Gerichtshof für MenschenrechteB. Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Individualbeschwerde › X. Offensichtliche Unbegründetheit

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