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X. Offensichtliche Unbegründetheit

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Der für den Verteidiger brisanteste Fall einer (drohenden) Unzulässigkeit der Beschwerde ist deren offensichtliche Unbegründetheit (Art. 35 Abs. 3 EMRK; „manifestly ill-founded“, sog. „mif“-cases). Hinter dieser Formulierung verbirgt sich ein Zulässigkeitserfordernis, das angesichts der stetig ansteigenden Arbeitsbelastung des EGMR zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die offensichtliche Unbegründetheit muss sich dabei nicht bereits beim ersten Anschein aufdrängen. Der Gerichtshof lässt es genügen, wenn die Unbegründetheit der Beschwerde erst in einem späteren Verfahrensabschnitt nach Überprüfung aller Aspekte des Falles erkennbar wird. Die Praxis des Gerichtshofs zieht diese Grenze ziemlich weit. Auch nach einer Verfahrensdauer von mehreren Jahren besteht die Gefahr, dass der Bf. ein einseitiges Schreiben erhält, in dem – ohne jede weitere Begründung – die Beschwerde als „unzulässig“ (mutmaßlich: offensichtlich unbegründet) eingestuft wird.

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Damit seine Beschwerde die Hürde der „offensichtlichen Unbegründetheit“ sicher nimmt, muss der Bf. den behaupteten Konventionsverstoß und die ihn stützenden Tatsachen sowie seine rechtlichen Ausführungen klar strukturiert, nachvollziehbar und vor allem substantiiert geltend machen.

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Die Entscheidung, in der eine Beschwerde als offensichtlich unbegründet und daher unzulässig eingestuft wird, ist wie jede andere Entscheidung des Gerichtshofs über die Zulässigkeit der Beschwerde unanfechtbar. Die Begründung der ablehnenden Entscheidung beschränkt sich mitunter auf eine knappe Pauschalformel,[270] die als sog. „global formula“ auch benutzt wird, wenn dadurch andere Fragen der Zulässigkeit mit abgedeckt werden sollen.[271]

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In Einzelrichterentscheidungen findet sich meist nur die Formulierung: „[…] dass der Gerichtshof entschieden hat, die Beschwerde für unzulässig zu erklären“ oder „Soweit die Beschwerdepunkte in seine Zuständigkeit fallen, ist der Gerichtshof der Gerichtshof aufgrund aller zur Verfügung stehenden Unterlagen zu der Auffassung gelangt, dass die in Artikel 34 und 35 der Konvention niedergelegten Voraussetzungen nicht erfüllt waren“.

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Solche inhaltsleeren Begründungen, die nicht einmal den speziellen Grund der „Unzulässigkeit“ einer Beschwerde näher aufschlüsseln, bewegen sich an der Grenze der Rechtsstaatlichkeit und sind auch vor dem Hintergrund einer enormen Arbeitsbelastung des Gerichtshofs (Rn. 28 ff.) menschenrechtlich nicht akzeptabel. Ein Rechtsbehelf gegen diese Unzulässigkeitsentscheidungen steht gleichwohl nicht zur Verfügung, worauf der EGMR in seinem „Pauschal-Schreiben“ auch sehr deutlich hinweist (unter Ablehnung jeder weiteren Korrespondenz).

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Ebenso wie die Urteile haben auch die – bisher meist durch einen Ausschuss, künftig aber sicherlich auch immer häufiger von Einzelrichtern, ergehenden – Entscheidungen über die Einstufung einer Beschwerde als offensichtlich unbegründet trotz fehlender Bindungswirkung faktisch eine erhebliche Aussagekraft, weil sich in ihr ebenfalls Tendenzen und Strukturen bezüglich der Auslegung einzelner Konventionsgarantien abzeichnen.

Teil 1 Europäischer Gerichtshof für MenschenrechteB. Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Individualbeschwerde › XI. Rechtsschutzbedürfnis/Missbrauch des Beschwerderechts

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