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b) Kompensation europarechtlicher Individualrechtsschutzdefizite
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Der Individualrechtsschutz gegen Maßnahmen der Unionsorgane durch den EuGH ist auf europäischer Ebene vergleichsweise schmal ausgestaltet. Er richtet sich nach Art. 263 Abs. 4 AEUV, der nach der sog. Plaumann-Formel[359] eine unmittelbare und individuelle Betroffenheit durch einen Unionsakt erfordert. Besonders umstritten ist dabei das Kriterium der individuellen Betroffenheit.[360]
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Mit dem Vertrag von Lissabon wurde die Vorschrift ergänzt um eine Variante, die nach dem Vorliegen eines Rechtsakts mit Verordnungscharakter fragt.[361] Es bleibt aber für Rechtsakte, die keinen Verordnungscharakter aufweisen, unter bestimmten Umständen eine Rechtsschutzlücke auf Unionsebene.[362]
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Die Mitgliedstaaten sind gem. Art. 47 GRCh und Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV verpflichtet, in einem solchen Fall wirksame dezentrale Rechtschutzinstrumente zur Überprüfung von nicht direkt vor der Unionsgerichtsbarkeit angreifbaren Rechtsakten der Union zur Verfügung zu stellen.[363] Es erscheint dann höchst zweifelhaft, ob es einem Kläger zuzumuten ist, einen Normverstoß zu begehen, um über die darauf bezogene Reaktion der Verwaltung ein nationales Gerichtsverfahren zu ermöglichen, das dann über eine Vorlage nach Art. 267 AEUV zum EuGH führen kann.[364]
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Vorzugswürdig ist der in Deutschland für solche Konstellationen gangbar gemachte Weg, über die Feststellungsklage nach § 43 VwGO die nationalen Gerichte und dann gegebenenfalls im Wege des Vorlageverfahrens den EuGH zu befassen.[365] Aus der europarechtlichen Verpflichtung der Mitgliedstaaten, wirksame Rechtsschutzmöglichkeiten zu gewährleisten, ergibt sich eine europarechtliche Überformung der Zulässigkeitsvoraussetzungen von Feststellungsklagen nach § 43 VwGO.[366] Das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der baldigen Feststellung ist entsprechend im Sinne einer Rechtswegermöglichung zur Kompensation europäischer Rechtsweglücken auszulegen.
§ 129 Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland › IV. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der europäischen Rechtsgemeinschaft › 5. Kontrolldichte