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a) Allgemeines

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Das Primärrecht macht keine expliziten Vorgaben zur von den nationalen Gerichten verlangten Kontrolldichte. Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung erkennen lassen, dass er durchaus bereit ist, exekutive Beurteilungsspielräume und eine entsprechende Reduzierung der richterlichen Prüfungsbefugnis anzuerkennen.[367] Hier spielt der Vergleich mit der eigenen Kontrollpraxis eine Rolle, woraus sich die Bereitschaft erklärt, auch auf nationaler Ebene die richterliche Kontrolle komplexer Beurteilungen auf Sachverhalt, Verfahren und offensichtliche Bewertungsfehler zu begrenzen.[368] Auf eine reine Willkürkontrolle darf die gerichtliche Kontrolle dabei indessen nicht beschränkt werden.[369] Es wird jedenfalls von deutschen Verwaltungsgerichten in Verfahren mit Unionsrechtsbezug keine weitergehende Kontrolle gefordert, als der EuGH sie selbst vornimmt.[370]

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Allerdings lässt sich fragen, ob nicht die Kontrolldichtekonzepte deutscher Verwaltungsgerichte und des EuGH sich grundsätzlich unterscheiden.[371] So wird beobachtet, dass Unionsgerichte sich nicht strikt an bestimmte dogmatische Grundformen binden, insbesondere bildet die traditionelle deutsche Unterscheidung zwischen unbestimmten Gesetzesbegriffen und Ermessen keine Grundlinie ihrer Rechtsprechung, Ermessen werde vielmehr als eine die Tatbestands- und die Rechtsfolgenseite einer Norm umgreifende Entscheidungskompetenz der Verwaltung verstanden.[372] Hier sind auch Übersetzungsunschärfen zu beachten: So wird in EuGH-Entscheidungen beispielsweise in der französischen Fassung[373] pouvoir d’appréciation verwendet, was für die deutsche Fassung mit Ermessensspielraum übersetzt wird.[374]

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Verwaltungsentscheidungen, die es mit komplexen wirtschaftlichen Sachverhalten zu tun haben, unterfallen danach nicht nur ausnahmsweise, sondern regelmäßig nur einer reduzierten gerichtlichen Überprüfung durch die Unionsgerichte;[375] dies betrifft den Bereich der Landwirtschaft, des Sozialwesens, des Handels, des Verkehrs und der Umweltpolitik.[376]

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In Deutschland unterliegen Verwaltungsentscheidungen dagegen grundsätzlich einer vollen Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit, weil die maßgebliche Kontrolldichte durch das Gebot effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG geprägt wird.[377]

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Insgesamt wird aber durch das Unionsrecht die Kontrolldichte der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht berührt;[378] auch wenn der EuGH in Anlehnung an das französische Rechtssystem in seiner Rechtsprechung der Verwaltung der Gemeinschaft einen weiterreichenden Beurteilungsspielraum einräumt, gilt das Prinzip der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten.[379] Das Unionsrecht verlangt also keine so weitgehende Kontrolldichte wie das deutsche Recht, verbietet diese aber auch nicht.[380] Überhaupt ist eine unionsweit einheitliche gerichtliche Kontrolldichte nicht geboten, weil Unterschiede in der Kontrolldichte innerhalb des Rahmens bleiben dürften, der vom Äquivalenz- und Effektivitätsgebot gezogen wird.[381]

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Immerhin wird dem Europarecht das Potenzial zugemessen, der deutschen Diskussion um die Reichweite der Justiziabilität von Verwaltungshandeln[382] befreiende Impulse zu geben.[383]

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