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EpiktetEpiktet (um 50 – um 125)

Um 50 – um 125

Handbüchlein der MoralHandbüchlein der Moral (Epiktet)

(Encheirídion)

Entst. um 100

Die Philosophie der römisch-hellenistischen Epoche hat einen ihrer Schwerpunkte im Nachdenken über das weise und vernunftgemäße Leben. In Übereinstimmung mit der gesamten spätantiken Philosophie heißt es deshalb auch im Handbüchlein des EpiktetEpiktet (um 50 – um 125): »Der erste und wichtigste Teil der Philosophie ist ihre Anwendung im Leben.« Nicht die Moral im heutigen Sinne steht im Mittelpunkt, sondern die Lebenskunst. Das schmale Büchlein enthält Aufzeichnungen und Mitschriften von Vorträgen, die der im Jahr 94 aus Rom vertriebene ehemalige griechische Sklave Epiktet im Schülerkreis gehalten hat und die nach seinem Tod von einem seiner Anhänger, Flavius Arrianus, zusammengestellt und veröffentlicht wurden. Es sind Texte, die nicht der argumentativen Auseinandersetzung, sondern der spirituellen Übung dienen, durch die der Leser eine bestimmte Lebenshaltung ausprägen soll.

Das Handbüchlein gehört, wie die Schriften SenecasSeneca (um 1 – 65) und Marc AurelsMarc Aurel (121–180), zur späten Phase der stoischen Philosophie und zeichnet sich dadurch aus, dass es sich besonders eng an die ursprüngliche Lehre der Stoiker anlehnt. Diese wurde um 300 v. Chr. von dem aus Zypern stammenden Philosophen ZenonZenon (336–264 v. Chr.) von Kition begründet und fordert vom Menschen, »einstimmig«, d.h. in Übereinstimmung mit den Gesetzen der in uns angelegten Vernunft zu leben, die Teil der großen kosmischen Weltvernunft ist. Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit, zwischen den Dingen zu unterscheiden, die man beeinflussen kann, und denjenigen, über die man keine Gewalt hat. Die stoische Lebenskunst fordert, sich von allem innerlich unabhängig zu machen, was nicht in unserer Hand liegt.

Entsprechend lautet gleich der erste Satz des Handbüchleins: »Eins steht in unserer Gewalt, ein anderes nicht.« Zu den letzteren gehören die äußeren Umstände unseres Lebens – z.B. unsere gesellschaftliche Stellung, aber auch alle sogenannten Schicksalsschläge, wie Krankheit und Unglücksfälle sowie der unvermeidbare Tod. In unserer Gewalt dagegen liegt die Deutung, die wir diesen Erfahrungen geben, die Haltung, die wir ihnen gegenüber entwickeln, und die Folgerungen, die wir in unserem Handeln daraus ziehen. »Nicht die Dinge selbst beunruhigen den Menschen«, schreibt EpiktetEpiktet (um 50 – um 125), »sondern die Vorstellungen von den Dingen.« An zahlreichen Beispielen versucht er dem Leser zu verdeutlichen, dass alle äußerlichen Umstände und Güter die Autonomie der eigenen Vernunft nicht berühren. Auch die physische Existenz ist nichts anderes als fremdes Eigentum, das wir nur ausgeliehen haben und irgendwann einmal zurückgeben müssen.

Die Veränderungen, die EpiktetEpiktet (um 50 – um 125) fordert, beziehen sich also nicht auf die äußere Welt und die Ordnung der Dinge, sondern auf den Menschen selbst. Aus dem Glauben an die Vernunftordnung des Kosmos ergibt sich die Folgerung, dass das Leiden an der Welt seine Ursache in einer falschen und vernunftwidrigen Einstellung des Menschen hat. Das, was ZenonZenon (336–264 v. Chr.) als »einstimmig leben« bezeichnete, heißt bei Epiktet »naturgemäße Haltung«, eine Lebenseinstellung, die zu allem in der Welt quasi einen Sicherheitsabstand hält. Die von allen Stoikern geforderte Kontrolle der Leidenschaften durch die Vernunft erfordert bei Epiktet eine immer wieder eingeübte Aufmerksamkeit, die sich in jeder Situation den Unterschied zwischen dem, was mich betrifft, und dem, was mir im Grunde äußerlich ist, gegenwärtig hält. Genau einer solchen Einübung dienen die »Diatriben«, die kurzen Prosastücke des Handbüchleins.

In EpiktetsEpiktet (um 50 – um 125) Handbüchlein bleibt uns, wie nirgendwo sonst, die Essenz der stoischen Lehre wie in einer Nussschale erhalten. Der schmale Umfang hat ebenso wie ihre Alltagsbezogenheit und Verständlichkeit von der Spätantike bis heute die Schrift zu einem äußerst populären philosophischen Lebensbegleiter gemacht.

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