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ОглавлениеPlotinPlotin (um 205 – um 270)
Um 205 – um 270
EnneadenEnneaden (Plotin)
(Enneádes)
Entst. zwischen 230 und 270
Die auf die klassische Periode der griechischen Philosophie folgende römisch-hellenistische Philosophie wurde von den großen Philosophenschulen der Stoiker, Epikureer, Peripatetiker und Platoniker beherrscht und widmete sich vor allem dem Problem des »guten« oder auch »naturgemäßen« Lebens. Erst im 3. Jahrhundert n. Chr. treten die Fragen der Metaphysik nach den letzten Prinzipien der Wirklichkeit wieder in den Vordergrund. Am bedeutendsten wurden dabei die sogenannten Neuplatoniker, die sich zwar in der Tradition der klassischen Philosophie PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) sahen, aber auch neue, vor allem religiöse Einflüsse in ihr Denken aufnahmen.
Ihr wichtigster Vertreter, PlotinPlotin (um 205 – um 270), und sein großes Werk, die EnneadenEnneaden (Plotin), sind bis heute von der Aura des Geheimnisvollen umgeben. Von Plotin wissen wir nicht viel mehr, als dass er aus dem ägyptischen Alexandria stammt, am Feldzug des Kaisers Gordian III. gegen die Perser teilgenommen hat und die letzten 26 Jahre seines Lebens als hoch geachteter Weisheitslehrer in Rom verbrachte. Man sagt ihm mehrere einschneidende mystische Erfahrungen sowie die Absicht nach, eine Idealstadt namens Platonopolis zu gründen – in Erinnerung an den von ihm verehrten PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.). Die EnneadenEnneaden (Plotin) selbst sind erst nach seinem Tod von seinem Schüler PorphyriosPorphyrios (234 – Anfang 4. Jh.) zusammengestellt worden. Der Name »EnneadenEnneaden (Plotin)« (»ennéa« = griech. »neun«) leitet sich aus den neun Abhandlungen her, die jeder der nach Sachproblemen zusammengestellten sechs Bände des Werks enthält.
Die in den EnneadenEnneaden (Plotin) formulierte Lehre verbindet Philosophie und Religion, rationale Erkenntnisbemühung und Mystik. Aus PlatonsPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) »Idee des Guten«, dem höchsten geistigen, ewigen und unveränderlichen Wirklichkeitsprinzip, wird bei PlotinPlotin (um 205 – um 270) das »Eine«. Die Wirklichkeit wird in Form einer Pyramide geordnet – oben an der Spitze das »Eine« und unten, als niedrigste Form der Wirklichkeit, die materielle Welt. Das »Eine« als Quell aller Wirklichkeit durchdringt alles, was existiert. Um diese Durchdringung zu verdeutlichen, wählt Plotin das Bild des »Überströmens« (»Emanation«): Der Wirklichkeitsgehalt »strömt«, vom Einen ausgehend, mit abnehmender Intensität die Pyramide hinab. Je tiefer man hinabsteigt, d.h. je materieller die Welt wird, umso mehr verliert sie an Wirklichkeitsgehalt.
Wie PlatonPlaton (428/427–348/347 v. Chr.) verbindet PlotinPlotin (um 205 – um 270) diese metaphysische Deutung der Wirklichkeit mit einer ethischen und ästhetischen Deutung: Das Eine wird gleichzeitig mit dem absolut Schönen und mit dem ethisch Guten identifiziert. Dies bedeutet, dass die geistige Welt eng mit dem Guten und die materielle Welt eng mit dem Bösen verbunden ist. Da aber die Materie nur einen sehr geringen Wirklichkeitsgehalt hat, führt dies zu der charakteristischen neuplatonischen Interpretation des absolut Bösen als etwas, das im Grunde gesehen nicht wirklich ist. Das Böse ist nichts Positives, sondern ein Mangel – ein Nicht-Sein.
Ziel des Menschen muss es nach PlotinPlotin (um 205 – um 270) sein, das »Eine« zu erkennen. Dem »Abstieg« des Einen in die niederen Wirklichkeitssphären korrespondiert der »Aufstieg« des Menschen von der rein sinnlichen Erfahrung zur Erkenntnis des rein Geistigen und Übersinnlichen. Es ist ein mystischer Stufenweg, an dessen Ende keine rational fassbare Erkenntnis, sondern eine mystische Vision steht, die sich nicht mehr in Begriffen oder Bildern ausdrücken lässt. PlotinPlotin (um 205 – um 270) fasst diesen Weg als eine Art Rückkehr des Menschen in eine ursprüngliche Einheit auf, aus der er hervorgegangen ist.
Die Nähe des neuplatonischen Denkens zu den zeitgleich im Orient und Mittelmeerraum verbreiteten religiösen, esoterischen oder mystischen Lehren, die auf eine Erleuchtung jenseits der Rationalität zielen, ist offensichtlich. Auch das frühe Christentum hat das neuplatonische Denken aufgegriffen und das Eine mit Gott identifiziert. So haben die EnneadenEnneaden (Plotin), die in Form verständlicher Lehrschriften formuliert sind, das gesamte Denken des frühen Mittelalters, von AugustinusAugustinus (354–430) bis Johannes ScotusDuns Scotus (1266–1308) Eriugena, bestimmt. Ihr Einfluss reicht aber, über Meister EckhardtMeister Eckhardt (1260–1328) und Nikolaus von KuesNikolaus von Kues (1401–1464), noch bis zur Philosophie des Absoluten bei HegelHegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770–1831) und SchellingSchelling, Friedrich Wilhelm Joseph (1775–1854).