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Anselm von CanterburyAnselm von Canterbury (1033–1109)

1033–1109

ProslogionProslogion (Anselm von Canterbury)

1077/1078

Unter dem Einfluss des AugustinusAugustinus (354–430) hatte sich die frühchristliche Theologie entschieden gegen die antike Vernunftphilosophie abgegrenzt: Der Weg zu Gott und damit zur wahren Erkenntnis, so Augustinus, führe nur über den Glauben und die göttliche Gnade. Der Vernunft bleibe nur die Aufgabe, ihre Ohnmacht und Grenzen zu erkennen.

Auch Anselm von CanterburyAnselm von Canterbury (1033–1109) hielt am Vorrang des Glaubens vor der Vernunft fest. Dennoch bedeuten seine Schriften einen Einschnitt: Mit Anselm beginnt, 700 Jahre nach AugustinusAugustinus (354–430), nicht nur die Philosophie der Scholastik, die das Hochmittelalter prägte, sondern eine generelle Wiederaufwertung rationaler Erkenntnisbemühungen. Am sichtbarsten ist dies in seinem Hauptwerk ProslogionProslogion (Anselm von Canterbury), wörtl. »Anrede«, das sich zwar der Form des Gebets bedient, aber einen rein auf logische Überlegungen gründenden Gottesbeweis entwickelt.

Die Schrift entstand zu einem Zeitpunkt, als Anselm noch Prior im Kloster Bec in der Normandie war – einige Jahre, bevor er zum Bischof von Canterbury berufen wurde. In seinem ein Jahr zuvor geschriebenen MonologionMonologion (Anselm von Canterbury) (»Selbstgespräch«) hatte er dargelegt, dass die Idee Gottes eine notwendige Konsequenz unseres Erfahrungswissens sei: So müssen wir aus der Erfahrung, dass alles Geschehen eine Ursache habe, auf Gott als absolut erste Ursache schließen. Nun forderten ihn seine Mitbrüder auf, einen Gottesbeweis »sola ratione« vorzulegen, also einen Weg zu Gott aufzuzeigen, der ausschließlich vom reinen Denken ausgeht. Auch Anselm glaubte, dass man der herausragenden Stellung Gottes nicht gerecht würde, wenn man seine Existenz nur aus dem Geschehen der endlichen Welt ableitet.

Sein Hauptargument entwickelt Anselm in den Kapiteln 2–4: Jeder, der vom christlichen Gott spricht, denkt sich dabei ein Wesen, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Wenn man nun aber behauptet, es sei keineswegs sicher, ob ein solches Wesen auch in der Wirklichkeit existiert, ist man ein Narr und verwickelt sich in einen logischen Widerspruch. Denn wenn ein solcher Gott nur im Denken und nicht in der Wirklichkeit existieren würde, wäre er eben nicht das Wesen, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Das Wesen, über das hinaus wirklich nichts Größeres gedacht werden kann, muss im Verstand und in der Wirklichkeit zugleich existieren. So also ist, nach Anselm, »wahrhaft etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, derart, dass man nicht einmal denken kann, es sei nicht«. Mit anderen Worten: Die Existenz Gottes folgt zwingend aus dem Begriff, den wir von Gott haben. Für diese Schlussfolgerung vom »Sein«, also der Art, wie wir Gott denken, auf die Wirklichkeit seiner Existenz, hat sich in der Philosophie der Name »ontologischer Gottesbeweis« (von griech. »on« = das Seiende) eingebürgert. Aus der Existenz dieses Gottes leitet Anselm nun auch alle maßgeblichen Eigenschaften wie Allmacht oder absolute Güte ab, die Gott in der theologischen Tradition zugesprochen werden.

Im Kapitel 15 seiner Schrift führt Anselm den Leser jedoch noch einmal einen Schritt weiter. Gott ist danach nicht nur das, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, sondern auch größer als alles, was überhaupt gedacht werden kann. Wollen wir Gott denken, so werden wir schließlich an die Grenzen des Denkens und über diese Grenzen hinaus geführt. Ist Anselm mit seinem ontologischen Gottesbeweis einer der Väter einer rationalen Theologie, so führt dieser nicht mehr näher charakterisierbare Gott zur sogenannten negativen Theologie, einer Theologie, die Gott als das Unsagbare begreift.

Dieser »undenkbare« Gott findet sich u.a. bei den christlichen Mystikern und auch im Werk des Nikolaus von KuesNikolaus von Kues (1401–1464) wieder. Der ontologische Gottesbeweis wiederum hat die gesamte Philosophiegeschichte beschäftigt. DescartesDescartes, René (1596–1650) und SpinozaSpinoza, Baruch de (1632–1677) übernahmen ihn, KantKant, Immanuel (1724–1804) bestritt seine Gültigkeit (aus einem Begriff könne nicht auf die Existenz des Benannten geschlossen werden).

Anselms scharfsinnige und zugleich sprachlich klare Schrift ist deshalb nicht nur eine ideale Einleitung in die scholastische Philosophie, sondern der Beginn einer Jahrhunderte andauernden Debatte um die Frage, ob und wie der christliche Gott als rational einsichtiger Gott, als »Gott der Philosophen« verstanden werden kann.

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