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Duns ScotusDuns Scotus (1266–1308)

1266–1308

Abhandlung über das erste PrinzipAbhandlung über das erste Prinzip (Duns Scotus)

(Tractatus de primo principio)

Entst. um 1305, ersch. 1497 in Venedig

Duns ScotusDuns Scotus (1266–1308), der vermutlich aus dem Städtchen Duns stammende schottische Franziskanermönch, trug seinen Beinamen »doctor subtilis« (der scharfsinnige Doktor) nicht ohne Grund. Duns ScotusDuns Scotus (1266–1308) war Meister einer logisch dichten und komplexen Argumentationsweise, die sich an mathematischen Beweisführungen orientiert. Dies gilt auch für seine Abhandlung über das erste PrinzipAbhandlung über das erste Prinzip (Duns Scotus), eine Schrift, die aus Vorlesungen und Kommentaren entstand und in der er in gedrängter Form seine Beweise für die Existenz Gottes darlegt.

Die Beweisbarkeit der christlichen Glaubensinhalte war das alles beherrschende Thema der gesamten mittelalterlichen Philosophie. ThomasThomas v. Aquin von AquinThomas v. Aquin hatte, etwa 30 Jahre vor Duns ScotusDuns Scotus (1266–1308), in seiner Summe der TheologieSumme der Theologie (Thomas von Aquin) im Universum eine rational strukturierte und rational begreifbare Ordnung gesehen, die in Gott ihre Krönung und ihre Erklärung fand. Deshalb spielt für ihn die Vernunft als Stütze des Glaubens und die Theologie als eine rationale Erkenntniswissenschaft eine große Rolle. Duns ScotusDuns Scotus (1266–1308) glaubt, dass uns zwar die Vernunft zur Gewissheit der Existenz Gottes führen, jedoch das Wirken und das Wesen Gottes nicht erklären kann. Er betont die unbegrenzte schöpferische Freiheit Gottes: Gottes Wille wäre frei gewesen, sich auch für die Schaffung einer anderen Welt zu entscheiden.

Wie sein Gegenspieler ThomasThomas v. Aquin stützt sich Duns ScotusDuns Scotus (1266–1308) in seiner Argumentation nicht nur auf christliche Quellen, sondern auch auf die philosophische Tradition, insbesondere auf die im Mittelalter höchst einflussreiche MetaphysikMetaphysik (Aristoteles) des AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.). Ausgangspunkt für seinen Versuch, die Existenz Gottes zu beweisen, ist jedoch die Bezeichnung, die Gott sich in der Bibel selbst gibt: »Ich bin, der ich bin.« In die Sprache der Metaphysik übersetzt bedeutet dies: Gott ist das schlechthin »Seiende«, das, was unsere Wirklichkeit erst wirklich macht. Er ist das »erste Prinzip«, das Grundprinzip aller Prinzipien, die wir zur Erklärung der Wirklichkeit zugrunde legen.

Drei dieser Prinzipien spielen dabei für Duns ScotusDuns Scotus (1266–1308) eine herausragende Rolle: die Einteilung der Dinge in vollkommenere und weniger vollkommene, die Erklärung von Vorgängen nach kausalen, also »Wirkursachen«, und ihre Erklärung nach teleologischen, also »Ziel- oder Zweckursachen«. Wirk- und Zielursache waren zwei der von AristotelesAristoteles (384–322 v. Chr.) herausgestellten vier Ursachenformen (vgl. hier S. 35). Ich kann z.B. die Nässe einer Pflanze durch den Regen erklären (Wirkursache), aber auch damit, dass es der Blüte und dem Wachstum dient (Zweckursache).

Ähnlich wie ThomasThomas v. Aquin gelangt auch Duns ScotusDuns Scotus (1266–1308) zum Begriff Gottes, also dem ersten Prinzip, indem er diese drei Erklärungsprinzipien – oder »Ordnungen«, wie er sagt – jeweils konsequent zu Ende denkt: Gott ist das Vollkommene, das nicht mehr überboten werden kann, und er ist die erste Wirk- und Zweckursache. Er ist gleichermaßen Grundprinzip für alle drei Prinzipien, die sich damit auf ein einziges »erstes Prinzip« zurückführen lassen. Duns ScotusDuns Scotus (1266–1308) vertritt somit in seiner Abhandlung nicht nur den sogenannten kosmologischen Gottesbeweis, der uns von der Ursachenkette zu Gott als erster Ursache führt, sondern auch den von Anselm von CanterburyAnselm von Canterbury (1033–1109) stammenden ontologischen Gottesbeweis, der die Existenz Gottes aus dem Begriff eines vollkommenen Wesens erschließt. Denn existierte dieses Wesen nicht, wäre es nicht vollkommen, da ihm die Existenz fehlt. Doch alle weiteren Versuche, bestimmte Eigenschaften Gottes wie Allmacht, Unermesslichkeit, Allgegenwärtigkeit, Gerechtigkeit oder Barmherzigkeit mit Hilfe der Vernunft nachzuweisen, lehnt Duns ScotusDuns Scotus (1266–1308) ab. Damit überschreiten wir die Grenzen der Vernunft und gelangen in den Bereich des Glaubens. Im Gegensatz zu ThomasThomas v. Aquin betont Duns ScotusDuns Scotus (1266–1308) nicht die Verbindung von Vernunft und Glaube, sondern die Kluft, die sie trennt.

Die Abhandlung über das erste PrinzipAbhandlung über das erste Prinzip (Duns Scotus) gehört zu jenen Büchern, die vom Leser hohe Konzentration und eine genaue Zeile-für-Zeile-Lektüre fordern. Die von Duns ScotusDuns Scotus (1266–1308) propagierte Selbstbegrenzung der Vernunft hat als Projekt in der Philosophiegeschichte Schule gemacht. Sie führte schließlich dazu, dass auch die Existenz Gottes für unbeweisbar gehalten wurde – so bereits bei seinem Ordensbruder William von OckhamWilliam von Ockham (1295–1349), und später besonders bei dem Aufklärer Immanuel KantKant, Immanuel (1724–1804), der alle theologischen Glaubensinhalte aus der Metaphysik ausschloss.

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