Читать книгу Ameisenmonarchie - Romina Pleschko - Страница 11

Оглавление

MAGDALENAS ERSTER IMPULS war, sich zuerst wieder in einen nüchternen Zustand zu versetzen, die gewohnte Nahrungszufuhr einzustellen und die Salami zurück in den Kühlschrank zu packen, nachdem sie das heruntergeschnittene Wurststück mit Erfolg auf verdächtige Manipulationen geprüft hatte. Sie warf es in den Mistkübel und bedeckte es zur Sicherheit mit einer Schicht zerknüllter Küchenrolle. Ein klarer Kopf denkt am besten, dachte Magdalena und fragte sich, aus welcher Werbung sie diese stumpfe Weisheit extrahiert hatte. Ihre Finger presste sie zu Fäusten zusammen, um das aufkommende Zittern zu bekämpfen.

Sie verbrachte den Tag wie so oft vor dem Fernseher, zupfte sich hin und wieder eine schwarze Feder vom Kragen des Morgenmantels, die sie unangenehm in den Hals stach, und bemühte sich, die aufsteigende Unruhe zu unterdrücken, als sich die letzten Schleier von ihrer Wahrnehmung verzogen. Sie hörte die Autos unten auf der Straße, das laute Aufheulen der Sportwagen, wenn die Ampeln auf Grün schalteten, sie zuckte zusammen, als ein Flugzeug ihr für eine halbe Sekunde das Tageslicht raubte, während es am Dachfenster vorbeiflog. Magdalena war noch nie aufgefallen, wie oft Einsatzfahrzeuge mit eingeschalteten Sirenen an ihrem Wohnhaus vorbeifuhren, als wäre die ganze Stadt durchgehend in Nöten.

Die Reflexionen ihres Fernsehers begannen sie zu stören, blickte sie doch immer häufiger in ihr eigenes starres Antlitz anstatt in harmonisch gecastete Familienleben. Ihr Spiegelbild störte das gewohnt behagliche Programm, es wollte ihr einfach nicht gelingen, die ersehnten klaren Gedanken zu fassen, die folgenden Stunden schmierten sich völlig ereignislos hinein in ihre jüngste Vergangenheit, und plötzlich bemerkte sie neben sich die Kontur ihres Mannes, der offenbar eben nachhause gekommen war, ungehalten vor dem Sofa mit den Füßen scharrte und mit seinen Fingern den obersten Knopf des Polohemds öffnete. Magdalena lächelte ihn an, überraschenderweise auch heute nicht unaufrichtiger als sonst, dazu zwang sie sich, während sie seit Langem einmal wieder eingehend sein Gesicht studierte, in dem der obsessive Schweinefleischgenuss der letzten Jahrzehnte eine weit verästelte Landkarte an roten Äderchen hinterlassen hatte.

»Was bestellen wir heute zu essen, ich hätte Lust auf Paniertes«, sagte dieser Mann, der Beruhigungsmittel in Salamis einarbeitete, und ließ sich neben sie auf das Sofa fallen. Seine laute Stimme schmerzte sie in den Ohren, und sein Gewicht drückte die Sitzfläche so nach unten, dass sie zu ihm zu rutschen drohte.

»Wollen wir Schnitzel bestellen«, fragte er und Magdalena zuckte mit den Schultern. Ihr Kopf dröhnte und sie fand es erschreckend, dass ihr der Gedanke kam, zum Kühlschrank zu gehen und ein bescheidenes Stück von der Salami zu essen. Ein klitzekleines Stück würde wahrscheinlich gar keinen Unterschied machen, aber Magdalena wusste sich zu beherrschen.

Ameisenmonarchie

Подняться наверх