Читать книгу Ameisenmonarchie - Romina Pleschko - Страница 14

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HERB SENIOR WOLLTE dringend noch einen Kaffee trinken, bevor er sich bereit fühlte für den ersten Ultraschall des Tages, er ging am Wartebereich vorbei und grüßte freundlich in die hoffnungsvolle Runde unterschiedlich dick angeschwollener Bäuche. Herb Junior war schon da, er sah schrecklich aus und verschwand gerade im CTG-Raum im hinteren Teil der Praxisklinik. Der Sohn war viel größer als er, von Natur aus schlank, hatte die besten Voraussetzungen für die optische Komponente seines Berufs und füllte dennoch seinen Arztkittel mit der unglückseligen Mischung aus einer nicht vorhandenen Körperspannung und nach vorne hängenden Schultern. Heute sah er besonders niedergeschlagen aus, ein wenig so, als hätte er geweint, wahrscheinlich nutzte er die frühmorgendliche Ruhe im CTG-Raum, um sich zu sammeln. Herb Senior fand diese Vorgehensweise vernünftig und freute sich, dass sein ausbleibender Impuls, mit dem Sohn in Kontakt zu treten und dessen Befinden zu erfragen ganz wunderbar mit der rationalen Entscheidung korrespondierte, dass es besser wäre, ihn das selbst regeln zu lassen.

Am liebsten sprach er mit ihm über Randthemen der Lokalpolitik, wie die schreckliche Verschmutzung der Gehwege durch Hundekot. Da waren sie sich einig und Herb Senior stolz darauf, dass sein eigener Widerwille gegen jegliche Art von Haustieren auf den Sohn abgefärbt hatte. Es war befriedigend, den Hundehass dynastisch weiterzugeben, zu oft wurde das Stadtbild vom manischen Hang der Bevölkerung zur Tierhaltung gestört. Ebenso anregend konnten sie über die unterschiedlichen Möglichkeiten debattieren, wie konkret mit überraschendem Reichtum umzugehen wäre. Während Herb Senior mehr zu Immobilien und Edelmetallen, also einer wertbeständig konservativen Anlage, tendierte, neigte der Sohn in erster Linie zur Erfüllung seiner persönlichen Träume, wie zum Beispiel einer luxuriösen Weltreise, die hauptsächlich in Edelresorts in der Südsee stattfinden sollte. Herb Senior konnte diese kleine Diskrepanz akzeptieren, man war schließlich nur einmal jung.

Er stellte seinen Kaffee zu schwungvoll auf dem Schreibtisch ab und suchte in der Schublade nach einem Taschentuch, um das Verschüttete wegzuwischen. Das nasse Taschentuch warf er gleich in den Mistkübel, denn als hauptsächlich weiß gekleideter Mann hatte er eine Aversion gegen jegliche Art von potenziellen Fleckenverursachern. Sein Blick fiel auf die Familienfotos, die im Regal Staub ansetzten. Zwei Kinder, Sohn und Tochter, und eine Frau, schlank und gut aussehend, kaum gealtert. Herb Senior versuchte, es sich warm ums Herz werden zu lassen, aber wenn er ehrlich war, stach ihm nur der unglaublich lächerliche Haarschnitt seines Sohnes in die Augen. Magdalena mochte er gar nicht allzu genau ansehen, sie hatte die Eigenheit, auf Fotos immer irgendwie vorwurfsvoll die Augenbrauen hochzuziehen. Diesen speziellen Blick glaubte er in letzter Zeit auch in natura an ihr wahrgenommen zu haben und er hatte keine Lust, sich in der Praxis unbehaglich zu fühlen. Er drehte den Rahmen mit dem Gesicht zur Regalwand und rückte das Foto der Tochter ein wenig nach vorne. Zumindest Greta schien es gut zu gehen in Stockholm, sie hatte seit Längerem nicht mehr nach Geld gefragt.

Weil er schon davorstand, öffnete er die Tür.

»Frau Egger, bitte.«

Er schüttelte einer Hochschwangeren die Hand und spürte die Wassereinlagerungen in deren Fingern. Die Tür zum CTG-Raum war immer noch verschlossen.

Ameisenmonarchie

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