Читать книгу Verlorenend - Fantasy-Epos (Gesamtausgabe) - S. G. Felix - Страница 31
Spiegelbilder
ОглавлениеAntilius fand sich an einem Ort wieder, der irgendwo zwischen Zeit und Raum war. Um ihn herum schwebten lauter Spiegel. Große und kleine. Kreisrunde, rechteckige, quadratische, trapezförmige und ovale. Auch zerbrochene waren darunter. Nur Eines war ihnen allen gleich: Sie waren sehr alt.
Er benötigte einen Moment, um sich von dem kurzen Schwindel, der ihn befallen hatte, als er durch den Spiegel bei den Largonen getreten war, zu erholen.
Er war allein an diesem sonderlichen Ort. Nur Gilbert war bei ihm. In seinem Spiegel.
Antilius schaute sich um. Gesichter schauten ihn aus den Spiegeln heraus an. Sie beobachteten ihn stumm. Sie gehörten alle einer Person: Brelius Vandanten.
»Was geht hier vor?«, flüsterte Antilius.
Seine Frage fiel in ein Echo. Dutzende Male wiederholte sich seine Frage. Die Gesichter aus den Spiegeln wiederholten sie.
Jedes Gesicht schaute ihn aus einer anderen Perspektive an. Er konnte nichts vor ihnen verbergen. Sie waren alle ein Brelius. Sie starrten ihn von verschiedenen Zeiten oder aus verschiedenen Dimensionen aus an, was auf dasselbe hinausläuft, wenn man Zeit als Dimension betrachtete.
»Wähle den richtigen Spiegel«, sagten die Gesichter.
»Welcher ist der Richtige?« Seine Stimme hallte erneut wider.
»Sei vorsichtig, Meister. Die Späher haben dir eine Falle gestellt. Wenn du durch den falschen Spiegel gehst, ist alles verloren. Der echte Brelius muss in einem der Spiegel sein.«
Wieder verspürte Antilius in diesem surrealen Moment eine gewisse Erleichterung, dass er jemanden bei sich hatte, der einen kühlen Verstand besaß.
»Wähle!«, sagten die Gesichter. »Wähle!«
»Ihr könnt mich nicht täuschen«, murmelte Antilius kühl. Aber welchen Spiegel sollte er bloß nehmen? Welcher war der Richtige?
»Wähle!«
»Schweigt, Trugbilder!«
Die Gesichter verstummten, verharrten aber mit ihren Augen auf ihm.
Sie wollen deinen Verstand. Sie bohren sich langsam in deinen Kopf und saugen ihn dir heraus.
»Komm zu mir, ich bin der echte Brelius!«, sagte eines der Gesichter.
»Nein! Ich! Ich bin der echte!«, rief ein anderes Gesicht.
Antilius verzweifelte beinahe bei dem Gedanken, dass die Späher ihn anscheinend immer noch beobachten konnten. Nur sie konnten hinter dieser Tücke stecken. Sie wollten ihn verwirren. Aber aufhalten konnten sie ihn nicht. Einer dieser Spiegel würde ihn zu dem richtigen Brelius Vandanten führen. Einer dieser Spiegel würde der Richtige sein. Antilius musste nur herausfinden, welcher es sein würde.
Sie können nicht an dich heran. Sie haben dir zwar eine Falle gestellt. Mehr können sie aber nicht tun. Du sollst selber den falschen Weg wählen und würdest dich damit selbst vernichten. Aber den Gefallen werde ich ihnen nicht tun, dachte Antilius.
»Höre nicht auf die anderen! Hierher, zur mir! Hier bist du sicher«, rief wieder ein anderes Gesicht aus einem anderen Spiegel.
Noch ein anderes: »Komm hierher! Ich bin Brelius.«
Und wieder ein anderes: »Hier!«
»Ich bin Brelius!«
»Nein, Ich!«
Alle Gesichter schrien ihn an. Alle Stimmen nahmen für sich in Anspruch, die Wahrheit zu sagen.
Und alle logen sie. Das spürte Antilius.
Sie riefen. Bettelten ihn an. Befahlen ihm, zu ihnen zu kommen.
Antilius konnte es nicht mehr ertragen.
»Wähle!«, schrien sie noch einmal wie aus einem Mund.
Und dann wählte Antilius.
Er sprang in einen der Spiegel und verschwand darin.