Читать книгу Medienanalyse - Sabine Schiffer - Страница 12
1.1.1.3 Tonality: Framing und Stimmungsmache
ОглавлениеDie Grenzen zwischen dem Suchen nach der passendsten Bezeichnung, die zudem noch anschlussfähig und wiedererkennbar sein soll, und interessegeleitetem Wording sind nicht immer leicht zu ziehen. Zudem wird von Medienseite (als wichtiger Organisator öffentlicher Diskurse) Framing zu wenig überdacht (siehe Kapitel 2). Beispielhaft, aber nicht repräsentativ, ist dieser Tweet der «hart aber fair«-Redaktion aus dem Sommer 2018. Er ist eine Reaktion auf Kritik an einem suggestiven Talk-Show-Titel und bezeugt das Unverständnis der Wirkmechanismen von Sprache.
An der Bezeichnung »Hambacher Forst« lässt sich die Problematik aufzeigen. Dieses Wording verwenden auch Aktivisten, die sich für den Erhalt des Waldstückes einsetzen. Das ungünstige Framing durch die Begriffswahl ist anscheinend schwer zu erkennen.
Frames
Der Fachterminus Framing bezeichnet im Grunde die Perspektivgebung bei einem Sachverhalt durch sprachliche und bildliche Mittel sowie viele weitere. Es handelt sich um eine Art Rahmung in der Vorstellung, um das Aktivieren von Schablonen der Wahrnehmung. Während diese Schablonen einerseits dabei helfen sollen, neue Sachverhalte zu verstehen und einordnen zu können, begrenzen sie diese andererseits, denn eine Schablone kann einengen und verzerren. Facetten eines Gegenstands außerhalb des gesetzten Rahmens werden leicht übersehen. Lakoff & Johnson beschreiben beispielsweise die Fußballberichterstattung als vom Frame eines Krieges geprägt, wo Kampf und Gegensatz mit Worten wie »Angriff«, »Verteidigung«, »Strategie«, »eine Bombe ins Tor legen« oder »zum Gegenschlag ausholen« einen feindlichen Rahmen setzen, während das Spielerische weniger betont wird und in den Hintergrund tritt.
Wie Framing beim Streit um den Hambacher Forst wirkt, lässt sich am Begriff »Forst« schnell ablesen. Ein »Forst« gehört zum Wortfeld der »Forstwirtschaft« und in dieser ist die Abholzung bereits impliziert. Das kann durchaus im Sinne einer nachhaltigen Bewirtschaftung von Wald gemeint sein, wo durch Wiederaufforstung ein Kreislauf entsteht. Aber einen Wald, um dessen Erhalt gekämpft wird, so zu bezeichnen, unterstützt nicht das Anliegen der Umwelt- und Klimaschützer. Die Benennung als »Forst« und das damit einhergehende Framing begünstigen also bereits seine Vernichtung. Dahinter muss nicht immer böse Absicht stecken, sondern einfach auch Unkenntnis. Oder aber Unterschätzung der Wichtigkeit, wie sich an der Debatte um den zweiten Teil des Begriffspaars »Klimawandel« und seiner Verharmlosung ablesen lässt. Man vergleiche die Begriffe »Wandel« und »Krise«.
Böse Absicht darf man hingegen der Wortbildung »Asyltourismus« unterstellen. Es handelt sich um ein Oxymoron, das heißt ein Wortpaar gegensätzlicher Bedeutungen. Während »Asyl« auf ein Grundrecht und einen Notstand hinweist, gehört das Wort »Tourismus« in den Freizeitbereich und aktualisiert Vorstellungen von Urlaub und Reisen. Die Kombination der beiden Worte bildet eine starke Unterstellung in Bezug auf die Notwendigkeit zur Flucht derjenigen, die in Europa ankommen.
Nicht nur, aber besonders wenn rhetorische Mittel eingesetzt werden, sollte überprüft werden, ob es sich um strategisches Framing handeln könnte. Darauf werden wir noch detaillierter eingehen.
Die inzwischen weiter entwickelte Framing-Theorie, für die im deutschsprachigen Raum Namen wie Bertram Scheufele, Urs Dahinden, Jörg Matthes und Elisabeth Wehling stehen, ist zentral für das Verständnis von menschlicher Wahrnehmung und bildet zu Recht einen wichtigen Bestandteil von Kommunikations- und Medienforschung. Die Prinzipien menschlicher Wahrnehmung, die hier zugrunde liegen und ausgeschöpft werden, um Bedeutungseffekte zu erzielen, sind universeller Natur und bedürfen ebenfalls mehr Bewusstmachung.
Frames (Fortsetzung)
Für die Medienanalyse können folgende begriffliche Unterscheidungen sinnvoll sein:
Media- vs. Audience-Frames
Media-Frames sind Folge journalistischer Entscheidungen aufgrund von Normen, Klassifizierungen und Verarbeitungsprozessen, Audience-Frames sind hingegen als Wahrnehmungsraster des Publikums zu beschreiben
Generische vs. themenspezifische Frames
Generische Frames sind übergeordnete Kategorien beziehungsweise Ordnungsprinzipien der menschlichen Spezies und Wahrnehmung, etwa der Konflikt-Frame oder der Solidaritäts- und Kooperations-Frame. Themenspezifische Frames beziehen sich auf den Inhalt einer Thematik und sind mittels Inhaltsanalyse gut ermittelbar.
Episodische Frames
Hier geht es um das exemplarische Schildern einzelner Ereignisse bei Reportagen und im Storytelling. Sie können auf allgemeine Problematiken hinweisen, aber bergen gleichzeitig die Gefahr, dass strukturelle Probleme individualisiert wahrgenommen werden (vgl. Kapitel 2.2, »Basiswissen Frames«).
Strategisches Framing
Die Nutzung etablierter Zeichensysteme mit ihrer Geschichte bedeutet immer auch ein Anknüpfen an alte Deutungsrahmen. In den Public Relations (PR) wird dieses Wissen ganz bewusst eingesetzt. PR-Profis und Spin Doktoren sind darauf spezialisiert, vorherrschende Frames zu ermitteln und sie gezielt zu aktivieren durch eine strategische Wort- und Bilderwahl (vgl. »Spinning« weiter unten).